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Heidelberger Familienblätter — 1876

DOI Kapitel:
No. 61 - No. 69 (2. August - 30. August)
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— 272 —

Verſchiedenes.

— (Auch eine Künſtlergeſchichte.) In Künſtler-
kreiſen circulirt eine nicht unintereſſante Anekdote aus
der Staͤdt des deutſchen Zukunftstheaters. Capellmeiſter
Eckert hat ſich in Bayreuth eine reizende Villa erbaut,
ſie comfortabel einrichten laſſen und wollte in dieſem
Jahre ſeine Ferien daſelbſt zubringen. In der Feſtſtadt,
in der keine Dach luke mehr unbeſetzt iſt, ein eigenes Heim
zu beſitzen — das muß für einen Muſikenthuſiaſten einen
ganz außerordentlichen Reiz haben.
wie ein Kind auf das Feſt. Vor einigen Tagen nun
ſaß er im Salon Wagner, Frau Coſimar nähert ſich ihm
mit der ſüßeſten Miene, die ihr zu Gebote ſteht. „Lieber
Eckert,“ flötet ſie, „Sie werden kaum den Feſtſpielen
beiwohnen können.“ — Erſtaunt wendet ſich der Muſiker
zu der Frau des Meiſters. „Ich habe Ihre Villa
vermiethet.“ — Eckert lächelt, er denkt, Frau Coſima
mache einen Witz, obgleich das ſonſt nicht zu ihren Lieb-
lingsgewohnheiten gehört. — „Ja, lachen Sie nur,“
fährt Frau Coſima fort, „die Villa habe ich dem Herrn
von Schleinitz überlaſſen.“ — Jetzt wird es dem armen
Capellmeiſter unheimlich zu Muthe. Schleinitz iſt quasi
ſein Vorgeſetzter und in Kunſtſachen eine einflußreiche
Perſönlichkeit. „So werden wir uns mit zwei Stuben
begnügen.“ — „Nein, ich habe die ganze Villa dem
Grafen überlaſſen und es ſteht nicht ein Zimmer zu Ihrer
Verfügung. Sie ſind doch nicht böſe?“ — Wenn ſich
des Herrn Eckert nicht in letzter Stunde noch irgend ein
Haustyrann erbarmt, ſo kann er auf die erſte Serie des
Feſtſpiels verzichten. Und dazu baut man ſich eine Villa!

— (Ein ſpaniſcher Salat.) König Philipp II.
ſchickte einſt in einer Anwandlung galanter Laune ſeiner
dritten Gemahlin, Anna von Oeſterreich, in einer gol-
denen Schüſſel einen Salat mit folgendem Schre iben:
„Mein herzgeliebtes Weib! Im Anſchluß erhältſt Du
hier einen Salat, der Dir hoffentlich gut munden wird.
Ich habe ihn ſelbſt angemacht; möge er Dir recht wohl
bekommen! Du ſiehſt, ich habe zu Allem Talent, ſogar
zur Kochkunſt!“ Dieſer königliche Salal beſtand nur
aus koſtbaren Edelſteinen. Die Topaſe ſollten das Oel
bedeuten, die Rubine den Eſſig, die Perlen und Dia man-
ten das Salz, die Smaragde die grünen Blaͤtter. Der
Preis des Salates wurde auf 16,000 Dukaten berech net.

— Die Gemahlin eines engliſchen Lords in Wien
rühmte gegen eine dortige Gräfin die engliſchen Theater.
„O, Sie können nicht glauben, meine Liebe,“ ſagte ſie,
„wie gut man in London ſo manches Stück zu ſpielen
weiß. So ſind z. B. in dem Schauſpiel: „Die Schlacht
bei Kopenhagen“ die Seewinde ſo natürlich, daß die Da-
men in den Logen die Seekrankheit bekommen.“ — „Auch

bei uns in Wien,“ verſetzte die Gräfin, „weiß man die

Natur ſehr täuſchend nachzuahmen. In dem Stücke,
„Das Donauweibchen“ iſt das Donnerwetter ſo natürlich,
daß den Bäuerinnen um Wien herum die Milch ſauer wird.“

— Feuerwehrkommandant beim Feuer „Herr, wie

können Sie ſo ſpät kommen 2“ — Feuerwehrmann: „Ich
wohne gar weit von dieſem Brandplatze.“ — Komman-
dant (wüthend): „So ziehen ſie näher!“

Eckert freute ſich

— Wie weit „höfliche“ Bedenken gehen können, da-
von gab ehedem die Aufführung des Göthe'ſchen „Fauſt“
auf der großherzoglichen Hofbühne zu Neuſtrelitz den
drolligſten Beweis. Die damalige Intendanz ſah nämlich
in dem bekannten „Rattenliede“ in der Studentenſcene
in Auerbach's Keller eine Verunglimpfung (l) des Re-
formators Luther, wenn Brander nämlich ſingt:
Es war eine Ratt im Kellerneſt,
Lebt nur von Fett und Butter,
Hatt ſich ein Ränzlein angemäſt',
Als wie der Doctor Luther.
Der damalige Intendant erlaubte ſich daher folgende
geiſtreiche Variante als allein zuläͤſſig zu deeretiren:
Es war eine Ratt im Kellerneſt,
Lebt nur von Fett und Käſe,
Hatt ſich ein Ränzlein angemäſt',
Als wie ein feiſter Chineſe (Il)
Der bekannte Theaterdichter Görner als Mephiſto durfte
auch das „Flohlied“ nicht ſingen; dieſer ganze Paſſus
wurde überſprungen. Es iſt nicht feſtgeſtellt, ob dort
noch heute dieſe Verordnung exiſtirt, da in der Reſidenz
des Reiches Mecklenburg-Strelitz — der „Fauſt“ über-
haupt nicht mehr gegeben wird, als zu „unſtttlich“.

Die Grimmelshauſenfeier in Reuchen
am 17. Auguſt.

Bei dem Feſteſſen wurde folgendes von L. Eichrodt
in Lahr verfaßtes Lied nach der Melodie „Prinz Eugenius
der edle Ritter“ geſungen:

Grimmelshauſen, der edle Schultheiß,
Machte vormals ſeine Rundreiſ'
Durch die deutſch' und wälſche Welt.
Als Soldat und Abenteurer,
Bis kein Erdfleck ihm war theurer
Als das Renchner Arbeitsfeld.

Simplieiſſimum hat er geſchrieben,
Wo der Held wird umgetrieben
Und vom Schickſal viel gefoppt,
Als die Schweden und Franzoſen,
Die Spaniolen ihren großen ö
Zorn in Deutſchland ausgetobt.

Aufgewachſen war der Junge,
Einfach in der deutſchen Zunge,
Lernt nicht Leſen nicht Latein,
Doch der Krieg, die Luft, das Leben
Haben ihn geſchult, denn eben
Bücher machen's nicht allein.

Wer noch mag treuherzig lachen,
Wenn die Menſchen Unſinn machen,
Der liebt Simpliciſſimus; ö
Denn wie ſich vom dummen Jungen
Simplex prächtig aufgeſchwungen,
Solches lieſt ſich mit Genuß.
Schlimme Zeiten ſind es geweſen,
Das verderbte wälſche Weſen
Herrſchte allenthalben nur,
Grimmelshauſen hat geſtritten
Fiür die guten deutſchen Sitten,
Fiäür die Wahrheit und Natur!

Von des Kniebis Heilbrunnquellen
Weiß er auch Bericht zu ſtellen,
Singt der Hornusgründen Preis;
Und er führt dann die Verſtimmten
In des Mummelſee's berühmten
Waldnachtsmährchenzauberkreis.

Simpliciſfimus — Grimmelshauſen!
Beiden ſoll ein Hoch erbrauſen
Heute durch das ganze Land,
Unnd verſchafft es Einem Aerger,
„Schwemm' er ihn mit Klingelberger
Faort und bleibe bei Verſtand!

Druck und Verlag von Adolph Emmerling in Heidelberg.

Für die Redaction verantwortlich Ad. Emmerling.
 
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