Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Jahrbuch für Photographie und Reproduktionstechnik — 5.1891

DOI Heft:
Original-Beiträge
DOI Artikel:
von Déchy, M.: Künstlerische Streitfragen in der Photographie
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.44512#0147

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Künstlerische Streitfragen in der Photographie.

133

bänger gefunden, das Buch aber hat geradezu Epoche gemacht
und man kann es sagen, von diesem Tage an eine neue
Schule geschaffen.
Und das Schlagwort? „Das Hauptobject in einem
Bilde soll so scharf sein, wie das Auge dasselbe in
der Natur sieht, und die anderen Flächen sollen
ausserhalb des schärfsten Focus stehen, so wie das
Auge dieselben sieht, wenn dasselbe auf das Haupt-
object blickt.“ Ein solcher Focus nun wird künstlerisch
genannt; eine Benennung, die willkürlich ist und übrigens
nichts zur Sache thut. Man hört auch von praktischem oder
Differential - Focus; endlich wird die ganze Richtung auch
noch naturalistische Photographie genannt.
Sowohl mit künstlerischen als auch mit optisch - wissen-
schaftlichen Gründen wurde diese neue Richtung theils ver-
theidigt, theils angegriffen Während die Anhänger der
neuen Schule in den alten, bis in die fernen Tiefen scharfen
Photographien theils unkünstlerische, theils unwahre bildliche
Darstellungen sehen, gibt es auch der hervorragendsten Photo-
graphen-Künstler Viele, welche sich nicht bekehren lassen;
ihnen sind die Bilder der neuen Schule verschwommene,
unschöne Schöpfungen, für sie besitzt die photographische
Kunst in der scharfen Wiedergabe durch die Linse ein Etwas,
welches ihr zu Eigen ist und das mit gar keinem Hinweis
auf andere Künste zu opfern ist.
Die im Herbste dieses Jahres in London stattgehabte Aus-
stellung der photographischen Gesellschaft Englands brachte
die Anhänger der neuen Schule in das Vordertreffen; schon
haben sich innerhalb derselben verschiedene Richtungen aus-
geprägt. Man ist bis zur Photographie ohne Linse mittels
der Lochcamera gegangen und hat das Resultat als künst-
lerisch gepriesen .— was Emerson selbst wieder verdammte.
Es ist immer-schwierig, in der Kunst allgemein gütige
Regeln zu bilden. Die Schönheit des Kunstwerkes muss an
letzter Stelle das Urtheil sprechen, sei dasselbe nach welch
immer für Regeln geschaffen worden. In England wird die
Controverse über die zu leitenden Gesichtspunkte immerhin
nicht so schnell -zur Ruhe kommen. Desto besser. Das In-
teresse für die photographische Kunst wird dadurch nur an-
geregt und vertieft werden, man wird lehren und lernen,
im Kampfe um den Preis wird das wahrhaft Schöne
dennoch siegreich zum Durchbruche kommen, der Photo-
graphie aber immer mehr jenen Platz sichern helfen, welcher
derselben unter den Künsten zukommt.
 
Annotationen