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Jahrbuch für Photographie und Reproduktionstechnik — 5.1891

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Luckhardt, Fritz: "Betrachtungen"
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https://doi.org/10.11588/diglit.44512#0186

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172

Betrachtungen.

es leicht erklärlich wird, dass das Publikum sich weniger für
den bisherigen, sozusagen abgenutzten Genre von Photographien
interessirt, dafür aber den in letzter Zeit in Paris eingeführten
„Interieur-Aufnahmen zu Hause“ lebhaftes Interesse entgegen-
bringt. Ein Porträt, aufgenommen mit der gewohnten häus-
lichen Umgebung, womöglich in üblicher Haltung bei der
alltäglichen Beschäftigung, muss einen ungleich höheren Werth
für die Angehörigen und Freunde des Porträtisten besitzen,
als ein Bild, welches unter Beeinflussung und oft unange-
nehmen Verhältnissen in einem Atelier mit fremder, nicht
passender und dem eigenen Geschmack nicht zusagender Um-
gebung aufgenommen worden ist.
Wenn nun aber gar die sämmtlichen Mitglieder einer
grösseren Familie mit einer übereinstimmenden Umgebung
photographirt erscheinen, gleichgültig ob die Personen in einen
Winterpelz oder in leichte Sor^mertoilette gekleidet, der Hin-
tergrund aber dieselben Bäume in vollstem Blätterschmuck
zeigt und letztere womöglich in einem Teppich wurzeln, dann
begreift man, wie das grosse Publikum allmählich das Inter-
esse verloren hat, Albums anzulegen und dieselben mit
Photographien zu füllen, wie dies in früheren Jahren geschah.
Nur wirklich hervorragenden Leistungen wird noch die Aus-
zeichnung zu Theil, auf bewahrt zu werden.
Der Geschmack im Allgemeinen hat sich seit zwanzig
Jahren wesentlich geändert und gebildet. Ebenso wie der
einigermassen besser situirte Bürger auf die Ausstattung seiner
Wohnräume eine gewisse künstlerisch angehauchte Sorgfalt
verwendet, ebenso beansprucht er dies von den Geschäfts-
räumen, welche er besucht, und es sollte dies auch in den
photographischen Ateliers und deren Ausstattung in Berück-
sichtigung gezogen werden.
Ohne einen Luxus anzustreben, welcher mit den Mitteln
vieler Photographen in Widerspruch stehen könnte, wäre die
mannigfachere Ausstattung der Ateliers in der Weise er-
wünscht, dass bei den Möbeln auch der Mode Rechnung ge-
tragen und eine gewisse Abwechselung geboten würde. Die
früher gebräuchlichen grauen und braunen Atelier-Möbel bieten
durchaus nichts Anziehendes und können für andere Räume
nicht verwendet werden, wohingegen sogenannte Luxusmöbel
überall placirt und sogar nach einer gewissen Zeit der Ver-
wendung vortheilhaft verkauft werden können. Je mannig-
facher ein Atelier mit modernen Stühlen, Kästen und Tischen
ausgestattet, um so weniger Hintergründe benöthigt der Photo-
graph und kann doch eine Menge Variationen und zeit-
 
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