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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 2.1886-1887

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Raupp, Karl: Willingshausen: ein Studienplatz deutscher Künstler
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Atelier- und Personalnachrichten - Denkmäler etc. - Ausstellungen, Sammlungen etc. - Vermischte Nachrichten - Vom Kunstmarkt
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https://doi.org/10.11588/diglit.9417#0031

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Mllinasbaiiseii. von Aarl Rauxp. — Atelier- nnd personalnachrichten

Die rote Mütze insbesondere ist der Schwälmer
Jungfrau allereigenstes Zlttribut. Die verheiratete Frau
trügt die Mütze schwarz; das Müdcheu eiue salche nur in der
Trauer; sie müßte denn durch Verschuldung das Recht
verloren haben, dies farbige Tokument ihres jungfrüulichen
Rufes noch ferner beizubehalten.
Jm bayrischen Gebirge, das an bekannten stark be-
suchten Studienplützen der Künstler rcich ist, bedarf es
stets dcr Anregung, des Zuredeus, um für figürliche
Studien die geeigneten Modelle zn finden. Der pfiffige
Bauer des kurhessischeu Schwalmgrundes jedoch rechnete
sich die lukrative Seite dieses künstlerischen Verlangens
sehr bald heraus. Zu unserm nicht geringen Erstaunen
fauden wir demnach eine willige Schar eingeübter Modelle
vor, in deren Berechnung jeder neu eingetroffene Maler
von vornherein eine Anzahl Thaler wert war. Natürlich
rekrutierten fich diese, gleichsam konzessionierten Modelle
lediglich aus dem bedürftigeren Teil der Dörfler, aber
jedes Alter und jedes Geschlecht stellte dabei seine
Vertreter.
Malerisch schön und infolge dessen auch allgemein be-
kannt haben wir viele Jnterieurs gefunden. Die prüchtigen
Bauernstnben, die verrüucherten Küchen mit mächtigem
Rauchfang, den häufig gepflasterten Flur mit der ge-
wundenen alten Treppe, dies alles meist von so tonig
farbiger Wirkung, malerischem Reiz und einer Verwend-
barkeit, wie es die Jnterieurs des bayrischcn Gebirges nur
iu seltenen Füllen zeigen. Auch die hügelige, reich angebaute
landschaftliche llmgebung bietet dem Genremaler vielfache
malerische Ansbeute. Die Verwertuug so mancher Motive
in berühmt gewordenen Bildern ward von der darauf
stolzen Bevölkerung keineswegs vergesseu und lebt in der
Tradition fort. An den mit prüchtigen Eichen bestandenen
Abhüngen zu beiden Seiten des Schwalmflüßchens ward
uns denn auch bald diejenige Jakob Beckers bezeichnet,
welche zu dessen berühmtem Bilde „Der blitzerschlagene
Schäser" die Stndie abgegebeu.
Jedenfalls kann man, angesichts des Terrains an
dieser Stelle oder der llmgebung recht gnt in die Jn-
tention des Malers sich hineindenken. Der Schäfer über-
hanpt ist die Staffage, welche sich dem beobachtenden
Künstlerauge am häufigsten fast vor Augen stellt. llberaus
znhlreich sind die Herden, fast durchgehends höchst malerisch
in der ganzen Erscheinung aber ist der Schüfer, nicht
minder wie dessen strohgedeckte, auf Rädern stehende Hütte,
ein nnentbeyrliches Attribut fast in der Charakteristik der
dortigen Landschaft. Die Schwülmer Tracht besitzt den
Vorzug eines ausgesprochenen kostümlichen und doch durch-
aus malerischen Charakters. Während in Oberbayern,
wie z. B. in Miesbach. die goldenen Schnüre und Quasten,
wie die stark bunten Farben der Tücher, Röcke und
Schürzen sehr an Theater erinnern, die steifen Mieder,
bauschigen Ärmel und langen Röcke der Weiber nnd
Mädchen keineswegs schön sind, noch der Figur zum Vor-
teil gereichen, ist der Bauer wie die Büuerin der Schwalm
im Sonntagsstaat und bei der Feldarbeit von gleich
malerischer Erscheinung. Jm wogenden Kornfeld die hellen
Figuren der Mädchen niit dem roten Mützchen auf den
blondeu Haaren arbeiten zu schen, wirkt stets als ein
heiteres allerliebstes Bild. Das kostümliche Genre ist
leider nicht mehr modern, der Jmpressionismus kennt nur
den Proletarier und findet- allein den Reiz in reizloser

Erscheiuung nnd künstlicher Naivitüt. Zudem weicht allcut-
halben die ererbte Tracht dem alles verflachenden stüdti-
schen Einfluß, welcher durch die seit 1866 in Deutsch-
land überall eingeführte allgemeine Wehrpflicht die stärkste
Verbreitung erfährt. Jm Schwalmgrunde setzt der Stolz
anf die überkommene, vielgerühmte Tracht diesem Ein-
dringen noch den besten Widerstaud entgegen, die Wehr-
pflicht konnte bis jctzt im wesentlichen wohl nur die
laugen Haare der Münner verkürzen uud zum allmühlicheu
Verschwindeu bringen.
Lange wird freilich auch diese kostümliche Oase dcs
Hessenlandes dem nivellicrenden Ansturm der Neu-
zeit nicht niehr widerstehen und wenn die heutige Mode
des Jinpressionismus in der Kunst sich wieder überlebt
hat, so wird mau, aus der inzwischen impressionistisch
nüchtcrn gcwordenen Wirklichkcit zu den Meisterwerken eiues
Knaus flüchtend, sich vergeblich die Zeit, da die Liebe
des Landvolks zur heimischeu Tracht dem deutschen Genre-
bild wie den deutschen Gauen selbst einen erhöhten Reiz
verlieh, zurückwünschen.

Melirr- und Personslnachrichlen
** Berliu. Ter bereits im Frühjahr zum Professor
an der Akademie der Kiüiste eruamite Geschichtsmaler Karl
Gustav Hellqvist, welcher bisher krankheitshalber an der Nber-
nahnie seines Lehramtes verhindert war, wird ini kominenden
Wintersemester seine Lehrthätigkeit nnt der Leitung der Malklasse
beginnen. Franz Skarbina wird von seinein Aufenthalt aus
Paris zurückkehren und wiederuin die Leitung der Klasse für
Proportwnslehre übernehmen. Der Bildhauer Professor F ri p
Schaper, von dem die Tagesblätter neuerdings sabelten, das;
er die Bildhauerkuiist aufgeben und zur Malerei nbergehen wolle,
bleibt der Leiter der Modellierklasse.
ss Der Kaiser hat Wenzel Brozik, Historiemnaler in
Paris, und Engen Ritter von Blaas, Honorarprofessor an der
iVcc-ickeiniL ckellebelle arti in Venedig, in Ilnerkennung ihres vor-
züglichen knnstlerischen Wirkens das Riiterkreuz des Franz Joseph-
Ordens verliehen.
ff: Die Verteilung der Berliuer Jubiläuinsausstellungs-
Medaillen ist am 10. Septeinber erfolgt. Es wurden verliehen:
I. Die große goldene Medaille für Kunst: aus
Oesterreich-Ungarn: deni Bildhauer Professor ViktorTilgner,
deni dlrchitekturmaler Professor Rudols Alt, beide in Wien; aus
England: den Malern Professor Hubert Herkomer, W. W.
Ouleß, Baronet John Everett-Millais, sämtlich in London; aus
Belgien: deiu Maler Jan Berhas in Brüssel; auS Jtalien:
dem Maler Augusto Corelli in Roiu; aus Deutschland: den
Malern Professor Friedrich Geselschap in Berlin, Professor
Hermann Baisch in Äarlsruhe, KlauS Meyer in München, Pro-
fessor Eugen Dücker in Dllsseldorf, Paul Flickel >n Berlin, deu
Architekten Heinrich Kayser und Karl von Großheim in Berlin,
dem Architekten Baurat Ildolf Heyden in Berlin.
II. Die große goldene Medaille für Wissenschaft:
dem Präsidenten der Königlich großbritannischen Ilkademie Sir
Frederick Leighton iu London.
III. Die kleine goldene Medaille für Kunst: aus
Osterreich-Ungarn: dem Bildhauer, Hos- und Kanimer-
Medailleur, Prosessor Joseph Tautenhayn in Wien, dem Bild-
hauer Joseph Myslbeck in Prag, den Malern Julius von Paper,
zur Zeit in Paris, Emil Jakob Schindler, dem Ilrchitekten
Baurat Otto Wagner, deiu Akaler Anton Müller, dem Bildhauer
Professor Rudolf Weyr, sämtlich in Wien, dem Maler, Direktor
der Ilkademie der bildenden KUnste, Julius Benczur iu Pest;
aus England: dem Bildhauer Hamo Tornycroft, dem IAaler
John R. Reid, dem Bildhauer Alsred Gilbert, dem Maler William
Blake Richmond, sämtlich iu London; aus Holland: dem Maler
Hendrik Willem Mesdag im Haag, dem Ilrchitekten P. I. H.
Cuypers in Amsterdam; aus Belgien: dem Bildhauer Paul
 
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