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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 2.1886-1887

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Pecht, Friedrich: Die Berliner Jubiläums-Ausstellung, [9]
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https://doi.org/10.11588/diglit.9417#0036

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Die Berliner Iubiläums-Ausstellung. von F r. Pecht


^-irgfr. v. Fruchtwangrn, Deutschordrns-Hochmristrr.
Aarton zu seinem Zresko im Lchloß zu Marienburg
von Adolf Menzel
Berliner Iubiläums-Ausstellung

ehrbares Bauern- und Bürgertum, ein braves, frommes und
arbeitsames Volk unter dieser faulen Schichte der verbildeten
und kranken offiziellen Welt gerade in Preußen existierte, das
den Staat zu retten im Stande war, den jene an den Rand
des Verderbens gedrängt. Man muß auch heute, ja heute erst
recht, von Berlin 'W. nach Berlin O. wandern, die arbeitende
Stadt dort sehen, um einen Begrisf von den gesunden Elementen
dieser Bevölkerung, von ihrer ungeheueren Kraft zu bekommen.
Dieses Berlin O., das der Fremde nie sieht, flößt die höchste
Achtung ein, mehr als alle pergamenischen Tempel und be-
malten Statuen es je im stande sein werden.
Das Jahr 1848 machte denn auch alsbald einen dicken
Strich durch diese faule Romantik, die mit allem, was national,
gesund und ehrlich war, im schärfsten Widerspruch stand. Es
befreite nicht nur die Welt, sondern auch die Kunst. Spiegeln
uns alle diese Säle nur ihre allmähliche Befreiung wieder, so
wird das in allen nach 48 entstandenen Bildern alsbald mehr
oder weniger sichtbar. Da tritt zuerst der echteste Volksmaler,
Menzel auf, der die Kunst sofort aus den Banden des Ge-
schniegelten und Gebügelten, Glatten und Höfischen, des Sen-
timentalen und Unnatürlichen erlöst und uns alle die herrlicheu,
gesunden und mannhaften Elemente kennen lehrt, welche dieser
preußische Staat noch immer besaß. Es weht einen auf einmal
eine ganz andere Luft an,weun man die direkt an Dürer erinnern-
den Deutschordens-Hochmeijter, seinen König Friedrich Wilhelm in
der Dorfschule, oder seinen Friedrich den Großen auf Reisen sieht,
wenu man vollends dessen Soldaten bei Hochkirch kennen lernt. Nur
iu dem Krönungsbild werden wir noch einmal in die alte Zeit und
ihren Zwang zurückgeführt, doch nicht ohne die neue mit Bismarck
nnd Moltke, die hiernoch ganz Nebenpersonen sind, im Hintergrund
auftauchen zu sehen. Umso macht-und zukunftsvoller tritt sie dann
in den „modernen Cyklopen" auf. Man muß das Bild nur mit je-
nen wiederum vergleichen,um sich derÜberlegenheit des Künstlers
bewußt zu werden. Sie offenbart sich sogar in einem Land-
schaftsbild, das ein wahres Meisterstück genannt werden muß
und den Garten des Prinzen Albrecht in Berlin so meisterhaft
wiedergibt, daß man es kühn dem besten an die Seite setzen
kann, was andere Nationen nach dieser Seite hin geleistet. —
Dagegen offenbaren die so vielgepriesenen Porträte Richters
heute wohl das malerische Talent und eine äußere Freiheit,
aber auch eine anspruchsvolle Leere. Ebenso erscheint der viel-
gerühmte Hildebrandt sehr überschätzt, da seinen Landschaften
fast immer die Feinheit des Naturgefühls abgeht, die Gude so
erquicklich hat oder gar Graeb, dessen Synagoge ein vollen-
detes Meisterwerk ist. Jn Düsseldorf vollzogen inzwischen erst
Lessing, dann Achenbach und Knaus diese Befreiung. Lessing
wenigstens in seinen Landschaften. Sein Klosterhof im Schnee
ist ein Bild, das heute noch ebenso anzieht, als vor bald sechzig
Jahren, da es gemalt ward. Welcher Fortschritt zur Freiheit
offenbart sich aber erst in jener Gewitterlandschaft mit zer-
störtem Kloster im Hintergrund des selsigen Thals, die schon
1841 entstand. Dagegen kommen sreilich seine Historienbilder
nicht auf, selbst nicht der hochpoetische Sarg Kaiser Heinrichs IV.,
an dem ein Mönch betet. Von Andreas Achenbach sind
dann eine ganze Reihe Meisterwerke da, von dem durch Rethel
staffierten Seesturm von 1835, wo er noch trocken und mager
erscheint trotz allen Talents, bis zu dem mit vollendeter Freiheit
 
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