Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 2.1886-1887

DOI Artikel:
Pecht, Friedrich: Künstlerische Weihnachtsgaben, [2]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.9417#0126

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext


Aünstlcrische Weihnachtsgaben

ivcniger vvrteilhaft veriindert durch die Million, um welche
sie in so kurzer Zeit gewachsen sind. Da sich alles hindrängt,
ivas Schönheit, Talent, Geist, Thatkraft besitzt in Deutschland,
nm sie dort geltend zn inachen und das Glück zu eroberu,
so erstaunt man jetzt täglich über die Masse prachtvoller
Äiänner und Frauen, welchen man in dcr einst so öden Stadt
begegnet, über die Heiterkeit des ans Süddentschiand dahin
verpflanztcn Volks- nnd Kneiplebens, über die nirgends in
der Welt schöner nnd kecker zn findenden 5binder, über das Jn-
telligente, rasch Entschlossene, Thätige der ganzen Bevölkernng,
die Vortrcfflichkcit aller ösfentlichen Anstalten. Darum kann
man denn anch henteschon mit Sicherheit sagen, daß, wie man
den Ssterreicher in Wien, den Franzosen in Paris kennen
lernen muß, man auch, ehe weitere zwanzig Jahre ins
Land gehen, den Dentschen in Berlin wird kennen lcrnen
niüsscn. Tenn Berlin wird dann der Mittelpunkt allcs
dentschcn, nicht nnr prenßischen Wesens geworden sein.
Ticscn hochintcressantcn Übergangsprozeß sieht nian
sich nnn znnächst dcntlich in diescr „Bunten Mappe"
widcrspicgeln, die dadnrch einen wahren Januskvpf be-
kvmnien hat, da sich das alte nnd das neue Berlin sehr
kvmisch, aber ganz so amüsant in ihr streiten, wie in der
Stndt selber, deren Hauptreiz cs ja gerade ansniacht, daß
nian jetzt ihre Geschichte in jeder Straße studieren kann.
Will nian aber erfahren, wo cine Zeit hinaus will, so
mnß man sehcn, wohin sich ihre Talente ivcnden. Ta
ivird man dcnn in dieser Versammlnng dcrselbcn, welche
nnjcr Bnch bildct, alle jungcii nnd echtcn Kräfte, auf der
die nationale Eigenart am eiitschiedcnsten ausprägenden
Seite findcn. Kein Zweifel, daß daS dcn Künstlern bcsser
gelingt, als den Schriftstellern; indes sind anch hier einige
trefsliche Beiträge, wie denn das Berliner Kcben eine ganz
auffallende Rvlle auch in unserer Tichtung zu spieleu an-
sängt. So Hans Hopfeu mit cincr direkt demseiben cnt-
nommcnen nnd es nüt packendcm Zicalismus anfs cr-
greifendstc schildernden Novclle; cbcnsv Elisabeth Werncr
mehr idealisierend, aber kauin iveniger sessclnd in einer
Novclle aus dem letzten Kriege.
Wcit auffallcnder prügt sich diese Tcndenz aber in
den auch svnst sehr wertvollen künstlerischen Bciträgen
ans, wo Vvriveg die dem Soldatcnleben entnoinmencn
Szenen alle anderen überwicgen; das ist abcr um so
natürlichcr, als sich die meiste Pvesie dvch an den Soldaten-
stand knüpft. So A. von Werners „roter Prinz", Fritz
Wcrners „Postcn in Sanssouci", Kochs „Feind in Sicht",
Bleibtrcns „Bcsiegung der Raubritter in dcr Mark" n. a. m.,
dencn sich noch mit spezifisch dentschen vdcr Bcrliner Stvfscn
Karl Beckcr mit eincm köstlichen ostfriesischen Mädchen, (s.
dic Scachbild. auf S. 91), Kiesel mit einem zweiten reizendcn
Franenkops, Paul Höcker, Gevrg Brandt, Graf Harrach, Ludw.
Kiiaiis, Nvchling, Stanffer-Bern, u. a. gesellen. Tie Altcren
sind dann durch Mcnzel, Knille, Panl Thuniann n. a. vor-
trefflich vertreten, so daß man das Ganze niit großer Be-
friedignng aus dcr Hand legt. Man mnß es nur mit nnseren
alten dklnianachen vergleichen, um den ungeheueren Fortschritt
zu crmessen, dcn wir zn einer charaktervolleren Knnst gemacht.
Wünscht man aber ein Album, das einem die
nncrmcßlichcn Schätze dcr einstigcn Hcimat der Künste in
eincr geschniackvollen, dabei allc Richtnngcn der bildcndcn
Thütigkeit umfassciiden Slnswahl vergcgcnwürtige nnd zu-
gleich im Text eincn angenehmen, wohl nnterrichteten Be-
gleiter stellc, der dcn Fadcn liefert, an dcm man die ein-
zelnen Perlen anfreihen kann, so erfüllt das wahrhaft

verschwenderisch ausgestattcte Werk v. Lützows, Die
Kunstschätze Jtaliens (Stnttgart, I. Engelhorn,
Preis 100 Mk.), solchen Zweck in nngewöhnlich geschickter
Weise. Ganz für die Salons der höheren Stünde be-
rechnet, versteht es ausgezeichnet, angenehm und frei von
jedem Beigeschmack von Pedanterie, so wie es Damen lieben,
zn belehren, ohne je tiefer zu gehen, als es im Salon
angezeigt würe. Die außerordentlich reiche dlusstattung
mit oft recht guten und nnr selten eigentlich mißlnngenen
Abbildnngen ist in ihrer Eleganz ebenfalls anf ein solches
Pnbliknm berechnet, dem die Lichtbilder schon zn plebejisch
nnd indiskret ehrlich sind. Sonst begriffe inan wcnigstens
nicht, weshalb sie ganz ausgeschlossen wnrden, da sie, wie
selbst die nach ihnen gefertigten Antvtypicn gewiß in vielen
Fällen wenigstens dem eigentlichen Forscher sehr viel lieber
gewesen wären. Dagegen sind nnter den zahlreichen Ra-
dierungcn vortreffliche Blütter, besonders von Wörnle,
wührcnd fast nur W. Unger deren mehrere lieferte, die
cin Küustler von seinem Rnfe sich nicht hätte gestatten
dürfen. Ein ganz besonderer Nciz des Werkes ist, daß
es nns an cine Menge Orte führt, ivelche der gcwöhnlichc
Tonrist selten oder nie bcsucht, nnd ihm so wirklich Nenes
bietet. Jst bekanntlich Lützows Hanptvorzng der, für ein
reiches Wissen anch imiiier die geschmackvollste nnd nn-
ziehendste Form zn finden, so sinden wir densclbcn auch
hier in seinein die Bilder verbindcndcn nnd erläuterndcn
Texte wieder, so daß das Werk seiner Bestimmung, cine
anregende Salonlektüre zn bietcn, in uiigewöhiilichcm Maße
entspricht.
Könncii wir uns zn eiiiem Urteil über LützvwS
Knnstschätze kompctent crachten, sv trifft das nicht zn bci
christlichen Poesien. Jndes genügt die Thatsache, daß
die „Palmbl ä tter" von 51arl Gerok bereitS fünf-
niidsünfzig dlnslagen erlebt haben, vvllständig znm Beweise,
daß seine religiösen Tichtniigen dem crsten Ziveck allcr
Pocsic : zu erbancn, nnd damit dem Bcdürfnis großer Kreise
unserer Niativn in niigewöhnlichem Gradc entsprvchen haben
müssen. Tadnrch wird aber wcnigstens ihr relativer Wert
über jeden Zwcifel erhoben. Die Veriagshandlnng hat
nnn eine nenc Prachtansgabe dcr Palmblätter mit Jllnstra-
tionen von Panl T hn m a n n u. A. (Stnttgart, Greiner
L Pfeisser, Preis 18 M.), herausgegeben, der man
einen höheren Wcrt eigcntlich schvn darum zuerkenncn
kann, als die Jllnstrativnen wie die schöuen Jnitialcn,
der Goldjchnitt nnd dic übrige vornehme Ausstattiing
dieses Bandes dazn beitragen, cine gewisse weihevolle Sonn-
tagsstimmung zn erzeugen, die dem pvctischcn Jnhalt ent-
schieden besser entspricht, als es Löschpapier nnd schlechter
Trnck thnn würden. — Svnst schwärmen wir weit cher
sür Panl Thnmanns Heiden- als Christentnm, für welch
letzteres ihni der Ernst zu sehr fehlt. 9Uchts desto-
weniger bringt er uns anch hier unter anderem eine
Btntter an der Wiege ihres Kindes, deren reine Schönheit
für alle seine Engel und Heiligen schadlos hält.
Da ist der Düsseldorfer Ph. Grot-Johann ein
andcrer Mann, der sich aus Prinzip nicht mit Heiligen
beschäftigt; er illustriert nur da, wo er Mcnschen mit
Fleisch und Blut darstellen kann nnd hat jetzo Baum-
bachs Truggold mit Bildern geschmückt. (Berlin, Gold-
schmidt, Preis 30 Mk.) Ter Verlcger dieses Werkes
ist einer der wenigen, die den Verstand hatten, sich
ihre Zeichiiungcn nicht erst durch Hvlzschnitt oder Ra-
dicrung nm Gcist nnd Frische zn bringen, sondern sie dnrch —
 
Annotationen