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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 2.1886-1887

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Fulda, Ludwig: Auf dem Künstlerball: Skizze
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https://doi.org/10.11588/diglit.9417#0220

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Skizze von Ludwig Fulda

lS7


Projeki ;ur Sauldrkoration des neuen Rarlsruher Künstlrrheims. vou L. lhaminer. (Fragment)

er doch seine Vorstudien machen müsse. Leonore er-
widerte darauf mit ihrer ganzen müdchenhaften Bestimmt-
heit, solche Studien seien für einen Bräutigam unter
allen Umständen unerlaubt, und die Kunst sei ihr erstens
höchst gleichgültig und werde zweitens auch ohne Adalberts
Hauptwerk bestehen können. So sprach Leonore und
ahnte dabei nicht einmal, was für eine richtige kunsthisto-
rische Anschauung sie in diesem letzten Argument ent-
wickelt hatte.
Adalbert mußte nun einsehen, daß er die Empörte
uicht durch Worte, sonderu nur durch Thaten besänftigen
könne, und schlug ihr deshalb vor, sie möchte, um ganz
beruhigt zu seiu, sich an seinen Studien beteiligen. Dem-
nüchst stnde der große Künstlerball im Hoftheater statt;
es werde ihm zur besonderen Freude gereichen, sie dort
einzuführen, und er bitte sie schon jetzt um die ersten
beiden Walzer, zwei Polkas, eine Marzurka, drei Qua-
drillen und um die Erlaubnis, während der übrigen Tänze
bei ihr zu hospitieren. Leonore wäre kein Weib gewesen,
wenn ihr dieses königliche Anerbieten nicht einen bedeu-
tenden Eindruck gemacht hätte. Sie bat sich drei Tage
Bedenkzeit aus und verabschiedete den armen Sünder mit
einer etwas ausgeheiterten Duldermiene und mit der Aus-
sicht auf Gnade.
Diese drei Tage waren verhängnisvoll. Denn sie
reichten hin, um in dem dunkelblonden Mädchenkopf einen
raffinierten Plan entstehen zu lassen. Leonore faßte näm-
lich den Entschluß, am Tage des Balles scheinbar krank
zu werden und in einer möglichst unkenntlich machenden
Maske den ahnungslosen Adalbert zu belauschen. Und
auch Adalbert faßte ungefähr um dieselbe Zeit einen Ent-

schluß von nicht geringerer Tragweite. Er wählte nämlich
ein Kostüm. Es war nach dieser Hinsicht vom Komitee
dem Geschmacke der Einzelnen ziemliche Freiheit gelassen
worden, da man als Grundidee des Festes das Reich der
Phantasie gewählt hatte. Adalbert besann sich nicht lange.
Er besaß aus den Tagen, in welchen sein Mohrenfürst
entstanden war, die sämtlichen Kleider und Requisiten
dieser exotischen Standesperson, und so lag ihm der Ge-
danke nahe, auf dem Fest als Mohrenfürst zu erscheinen.
Dieser Gedanke hatte sogar etwas Erhebendes für ihn;
das war originell, würdig und, insofern sich dabei an die
deutsche Kolonialpvlitik denken ließ, auch patriotisch; außer-
dem war er stolz auf seine schönen Zähne, denen die ge-
schwärzte Haut eine treffliche Folie abgeben niußte.
Als er nach Ablauf der Bedenkzeit Leonorens Zusage
erhielt, schlug er ihr begreiflicher Weise vor, seine Mohren-
sürstin darzustellen, und versprach für die nötigen Kleider
und den nötigen Ofenruß Sorge zu tragen. Leonore
lehnte aber jede Einmischung in die Kostümfrage kurzweg
ab, da sie selbft eine Wahl treffen und ihn überraschen
werde.
So rückte der große Tag heran, und die Künstler
arbeiteten in Gemeinschaft mit Schneidern, Dekorateuren
und Friseuren mit fieberhafter Thätigkeit an der erhabenen
Aufgabe, ihre Zeitgenossen und Mitbürger in vergangene
Jahrhunderte oder weitentfernte Länder zu versetzen. Der
Ruhin einzelner Kostüme warf seine Schatten bereits voraus,
und man munkelte bald von der, bald von jener Koryphäe,
welche für diesen einen Abend im Reiche der Phantasie
eine hervorragende Rolle spielen werde. Die Aufregung
und Spannung wuchs stündlich. Besonders die Damen
 
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