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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 2.1886-1887

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Proelß, Johannes: Wie Scheffel in Rom Maler werden wollte und Dichter ward, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.9417#0297

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230

lvie Scheffel Naler werden wollte

Mann auf und gewährte den Einblick in ein warmes,
unendlich klares und anziehendes Gemüd"
Vieles in dieser Künstlernatnr war in hohem Maße
geeignet, den neuen Schüler des Meisters sympathisch zu
berühren. Die historische Landschaft war ja von je das
Gebiet, auf dem auch seine Phantasie sich am liebsten
erging. Und der heilige Künstlerernst, der ihm hier in
entsprechender Verkörperung entgegentrat, erfüllte ihn mit
Verehrnng. Aber doch fehlten der Knnst wie dem Wesen
des Lehrers gerade diejenigen Elemente, welche für Schcffels
Kunst- und Lebensweise die maßgebenden waren, die Freude
am Genrehaften und der Humor. Und für das Malen
in Ol war Willers gewiß nicht zum Lehrer berufen.
Dazu kam der tiefwurzelnde Heimatssinn in Scheffel: die
italienische Landschaft, so sehr ihre Reize auch ihn erfreu-
ten, blieb ihm doch eine fremde Schöne, die sein Herz
nicht erglühen machen, ihn zum Nachbilden nicht im Jn-
nersten begeistern konnte. So blieb der unter des Meisters
Anleitung entfaltete Fleiß ohne eigentlichen Segen. Und
die Zeichnungen, welche er namentlich im Albaner- und
Sabiner-Gebirge damals ausführte, zeugten zwar bon
recht bedeutenden Fortschritten, aber es war die Weise
seines Lehrers, nicht seine eigene, die sie offenbarten.
Scheffel hat später 8 Blatt seiner besten damals entstan-
denen Zeichnungen nach der Natur photographieren lassen
und in einer Mappe unter dem Titel „Landschaftsstudien
bon I. V. Scheffel. Erinnerungsblätter für Freunde"
vereinigt. Sie geben ein deutliches Bild der feinstili-
sierenden Kunst, die ihm unter Willers Leitung in jenen
Tagen zu eigen ward. Aber sie sind eben auch nicht frei
von einer ängstlichen Anlehnung an die Weise des Mei-
sters und ermangeln eines eigentümlichcn Zuges, der an
Scheffels eigene kernig-kraftvolle Kunstweise erinnerte.
Zunächst fühlte Scheffel nnr die Fortschritte, und ge-
hoben von dem Gefühl des erstarkenden Talcnts, angeregt
durch die sich ihm in Rom und seiner malerischen Um-
gebnng erschließende Welt großer bedeutender und wieder
heiterer und lustiger Eindrücke, fühlte er sich außerordent-
lich glücklich. Er war zu einer Zeit nach Rom gekommen,
da alles, was Künstlerblut in den Adern hat, die dnrch-
glutete Stadt verläßt oder vielmehr schon verlassen hat,
um in den Thälern und Hainen der Umgebungen Schatten
und Erfrischung zu suchen. So sah ihn denn noch der
Juli in Albano zum Genossen einer fröhlichen Künstler-
kolonie werden, deren leitendes Oberhaupt Willers ward
und welchem auch der Archäolog Julius Braun sich bei-
gesellt hatte. Sein Quartier hatte dcr geistig und gesellig
stets heiter ecregte Kreis im Hotel de Russie; er bestand
zumeist ans deutschen Malern: anch an dem säuftigenden
Elemcnt edler Weiblichkeit fehlte es der künstlerisch-leb-
haften Geselligkeit nicht, welche sich bei deu abendlichen
Symposien oder bei gemeinschaftlichen Exkursionen in die
herrlichen Thäler des Albanergebirges entwickelte. Da
iührten der Schlesier Eduard Engerth — jetzt geadelt
und Direktor der Wiener Belvcdere-Galerie — und dessen
junge Gemalin anregend das Wort; da saßen beim feu-
rigen Vino Asti zwischen dem poesiebegabten Maler Holl-
pein, dem humorvollen Holsteiner Lorentzen, dem Berliner
Schlegel nnd den Karlsruhern Scheffel und Braun eine
Landsmännin der letzteren Frl. Bensinger, ein Fräulein
von Schulte und Frau Malvine von Backhausen. Tags-
über wurde fleißig gelandschaftert. Scheffel selbst hat sich
in einer Widmung, die er dnmals unter eine Porträt-

skizze schrieb, welche einer seiner Freunde, der Maler En-
gerth, von ihm zeichnete, treffend geschildert:
„So im schlichten Leinwandröcklein,
Grotze Mappe unterm Arin,
Schmuck und flott als Landschaftszeichner
Scchen mich Albanos Berge,
Sah mich das Sabinerland!"
Und ähnlich verlief Scheffels äußeres Leben dann in
Olevano. Dorthin, ins Sabinergebirge, ging er Anfang
September ohne Willers in Begleitung der genannten
Landsmännin, die gleich ihm sich zur Ausbildung ihres
Talents nach Rom gewandt hatte, Frl. Amalie Bensinger.
Sie trafen in der damals hochberühmten Künstlerherberge
des romantischen Felsennests dem Casino Baldi, eine so
schön zusammenstimmende fröhliche Gesellschaft, daß Scheffel
mit den meisten der Genossen seinen Aufenthalt hier bis
zum letzten Oktober ausdehnte. Es waren meist deutsche
Landsleute, die er hier fand, darunter alte gute Bekannte:
vor allem sein Jugendfreund Wilhelm Klose, welcher letz-
tere gleich ihm fich der Landschaftsmalerei gewidmet hatte
nnd die Frankfurter Maler Otto Donner und Cäsar Metz.
Hier ging es noch luftiger und ungezwungener als in
Albano zu. Wie schön und heiter sich dieser Kreis das
Leben zu gestalten wußte — auch ein vortreffliches
Männerqnartett gehörte ihm an —, hat Scheffel in seinem
„Abschied von Olevano" im „Gaudeamus", den er am
Schluß dieses Aufenthalts in das Künstler-Album der Casa
Baldi stiftete, aufs köstlichste geschildert.
„Wohl in manche gute Herberg
Kam ich schon auf meinen Fahrten,
Hab an manchem guten Tropfen
Da nnd dort mich schon geletzet,
Stahl mir anch von schönem Mund schon
Manchen Kuß als Gotteslohn,
Aber nirgend wars so wohl, so
Waldnrsprünglich grundbehaglich
Wie allhier in Casa Baldi
Ob der Stadt Olevano."
Wir sind in der Lage, dies poetische Stimmungsbild
durch eine Reihe lebensechter Genreszenen zu ergänzen,
deren Schilderung wir verschiedenen der noch am Leben
befindlichen Genossen jener schönen Tage verdanken. Voran
sei eine allgemeiner gehaltene Schilderung dieses Musters
idyllischen Künstlerlebens gestellt, welche den federgewandten
Maler und Kunstgelehrten Otto Donner zum Autor hat
und eigens zur Aufnahme in dies Kapitel niedergeschrieben
wurde. „Jn den Monaten August und September 1852
herrschte ein nngemein lebendiges Treiben in dem Kasino
Baldi, dessen entzückende Lage auf einem Hügel außerhalb
des Städtchens Olevano mit Recht ein großer Anzieh-
ungspunkt für alle Künstler seit langen Jahren ist. Die
treffliche Verpflegnng, welche man damals bei der Witwe
Ronzio genoß, trug nicht wenig dazu bei, den Zuzug der
Künstler zu verstärken. Den Tag über wurde eifrig im
Freien gemalt und gezeichnet und manche kamen bis zum
Abend gar nicht mehr nach Hause zurück; aber zu dem
Abendessen fand sich stets die ganze Gesellschaft wieder
zusammcn, und dann herrschte ein sröhlicher und unge-
zwnngener Ton; Regina, die korpulente Wirtschafterin lei-
stete uns meist Gesellschaft, wir Neulinge im Jtalienischen
bemühten uns, in der Unterhaltung mit ihr unseren Wort-
schatz mit nicht ganz klassischen Ausdrücken zu vermehren,
und ihr Bruder Vincenzo begleitete unsere Lieder mit
seiner Mandoline."
 
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