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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 2.1886-1887

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Proelß, Johannes: Wie Scheffel in Rom Maler werden wollte und Dichter ward, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.9417#0298

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von Iohannes proelß

23 l


Maler Donner, der wie Metz und Klose bereits im
August hier eingekehrt war, hatte leider das Unglück, im
September vom Rücksall eines Knieleidens, das er sich
früher durch einen Sturz zugezogen, heimgesucht zu werden.
Diesem Übel verdankt unsere Darstellung aber den Vor-
teil, daß er für sie als Augenzeuge die Ankunft Scheffels
in Olevano schildern konnte. Er sah die Szene mit dem
Auge des Malers, woher es kommt, daß seine Erzählung uns
ein lebensvolles Bild darbeut. „Mit meinem gelähmten Bein
saß ich eines Abends vor dem Hause, als eine kleine Karawane
meine Aufmerksamkeit in Anspruch nahm, welche sich den
Hügel hinauf gegen das Kasino bewegte. Sie bestand aus
einem Herrn und einer Dame, beide auf Eseln reitend,
den Eseltreibern und Packeseln, und als sie vor demKasino an-
hielt, gab die arg bestäubte Erscheinung der beiden Reiter
deutlich zu erkennen, daß ein langer beschwerlicher Weg
hinter ihnen lag. Die junge Dame war eine frisch und rosig
aussehende Blondine mit Stumpfnäschen und munteren
Augen; der sie begleiteude junge Mann mit kleinem Schnurr-
bärtchen, sonst glattem Gesicht, feingebogener Nase, auf
welcher eine Brille saß, schien mir auf die Beschreibung
zu passen, welche mir durch Klose von seinem Karlsruher
Freunde Or. Joseph Scheffel gemacht worden war, dessen
bevorstehende Ankunft jener uns mitgeteilt hatte. Da ich
nun sah, daß bei den Verhandlungen mit den Wirtsleuten
wegen der Zimmer Schwierigkeiten entstanden, denn es
war kein einziges Zimmer für die junge Dame mehr frei,

so trat ich hinzu, um den Neuangckommenen meine Über-
zeugung auszusprechen, daß sicher einer der Herren, welche
ein Zimmer für sich allein inne hatten, gerne bereit sein
würde, der Dame sein Zimmer abzutreten und einstweilen
in dem großen Mittelsalon zu schlafen, welcher ganz niit
Betten besetzt war. Ein Wort gab das andere, wir wurden
bald bekannt und blieben vor dem Hause sitzen, bis nach
und nach die Gesellschaft zurückkehrte. Meist sammelte sich
vor dem Hause eine zahlreiche Schaar von Mädchen und
Knaben der Ortschaft, welche teils als Modelle dienen,
teils Mappen oder Malkasten tragen oder durch irgend
eine andere Hülfeleistung sich ein Trinkgeld verdienen
wollten. Auch an jenem Abend trieben sich verschiedene
derselben umher, von welchen einer durch sein ungewöhn-
liches Kostüm die besondere Heiterkeit Scheffels erregte
und ihn zu der Frage veranlaßte: „Wer ist denn der mit
dem zerrütteten Hosensystem?" Nun kam auch Freund
Klose zurück und war so gefällig, sein Zimmer der jungen
Künstlerin abzutreten, welche von dem Tage an auch ganz
mutig an dem recht lebhaften Abendtisch Teil nahm. Sie
war eine geborene Badenserin, deshalb, auch weil sie ge-
meinschaftliche Bekannte und Beziehungen hatten, sah sich
Scheffel veranlaßt, sich ihrer in ritterlich-liebenswürdiger
Weise anzunehmen, als er mit ihr in Albano zusammen-
getroffen war, wo anch sie sich aufhielt, um nach der
Natur zu malen."

(Fvrtsetzung folgt)
 
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