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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 2.1886-1887

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Heilbut, Emil: Schweizer Reisebrief, [1]
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Brandes, Otto: Der Pariser Salon 1887, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.9417#0397

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ZI2 Tchweizer Reisebrief. vo» öermaii Lielserich —
nicht wohl möglich, schöne Zeichmmgen schlechter auf-
zuhcingen. Der eben gencmnte Bnrgermeister Meier, ein
Wnnder an Feinheit der Linien, hängt h och, aber darunter
hängt in Augenhöhe eine dekorative Zeichnnng von
Holbein, eine Zeichnung mit kräftiger Licht- und Schatten-
ivirkung, eine Zeichnung, für die es sogar besser wäre,
wenn sie höher hinge. Der Direktor dieser Sammlniig
scheint cin körperlich großcr Mann zu sein und die besten
Sachen darnm in die snr ihn angcnehme Augenhöhe zn
placieren, daniit Er sich nicht zn bncken branche. Dcnn
auch bei dcn Böcklins, die ich später erwähnen werde,
fand ich, daß sie sämtlich, mit nur einer einzigen Ans-
nahnie, hoch, hoch oben an den Wänden hingen, darnnter
die wertlosesten, banalsten Galcriebilder; Frnchte, italienische
Salonstücke u. dgl. ivarcn becpieni zu sehen nnd die Kraft-
leistnngen eines Böcklin wie Ausschnß totgehängt: die,
wenn nicht iinmer schönen, dcnn doch stets des lebhaftesten
Jntcresses ivürdigen Werke Böcklins hänge.n zn Bascl in

Der pariser 5alon M87. von Vtto Brandes
einer Höhe, welche dem Abstand gleichkommt, der sie von
der übrigen modernen Produktion trennt. Es würde
mich sreuen, wcnn diese Zeilen dazu beitragen könnten,
daß dem Übelstande abgeholfen würde.
Vor den Ölbildern Holbeins ist man natürlich nicht
ili so nnbedingter Bewnndernng festgehnlten. Auch sind
von den Baseler Bildern die meisten dcrmaßen übermalt,
daß von Echthcit wemg mehr übrig bleibt. Man genießt
nur den Amerbach, den kleinen Erasmns (mit fabelhaft
winzigem Munde, bei aller Winzigkeit des Formates ganz
breit gemaltem Fleische nnd spitzen Haaren) nnd wohl noch
den Unterarm mit der Hand bei der Dame von Ofsen-
burg. Das Porträt von Holbeins Frau mit den bciden
Knaben erinnert an den famosen kräftigen Bauern mit
seincni Bnbeii im Städel'schen Jnstitnt zn Frankfnrt; die
Totentanzbildcr im Bkünster, früher irrtümlich für Hol-
beine gehalte», sind in ihren Resten von noch immer
aiißerordentlicher Schvnheit (Schluß folgt)

Der Pariser Salon 1887
von Dtto Lrandes (paris)
(Schluß von S. 292)
Nachdruck verboten

..,^anz vortrefflich ist cnich Picards „Handel." Jn
dem engen lichtdurchslossenen Stüblein sitzen an eineni
Tische, an dem auch die Großmutter mit dem Enkelchen,
das sie füttert, Platz gciiommeii, zwei ältere Bauern sich
gegenüber, vermntlich über ein Grundstück seilschend. Selten
gut gelungen ist dem Künstler der Ausdruck der Bauern-
klugheit auf den Gesichtern der beiden Kontrahenten.
Die Berhandlungen, denen die Fran, scheinbar anderweit
mit dem Kinde beschäftigt, dennoch eifrig folgt, sind vffen-
bar schwierig. Die scharfe Charakterisiernng nnd die mit
Erfolg gekrönte Sucht nach Wahrheit hat dem Bilde eine
Medaille eingetragen. Picard war im vorigen Salon
nicht vertreten. Das Fernbleiben nnd ruhige Stndieren
hat gute Früchte getragen.
Nicht unerwähnt darf ich hier lassen Sanmiers
trefflichen Schweinemarkt im Schatten ciner Kirche, dcr
uns die merkantilc Seite der bäuerischcn Bevölkerung
zeigt, bei einer trefflichen Schilderung dcs Tieres, welches
St. Antonius heilig die Neigung der ländlichen Be-
völkernng znm Feilschen zeigt. Unzählig sind die
Bilder, die nns das Landvolk in ihrer Thätigkeit, bald
säend und cickernd, bald mähcnd nnd erntend schildern.
Recht bedeutende Leistnngen sind auf diesem Gebiete vor-
handen, nnd scheint sich mir darin die Rückkehr zn einer
gesunden Kunst zu manifestieren.
Eine ganze Gruppe von Künstlern beschäftigt sich mit
dem Leben der Küstenbewohner, zn deren Beobachtnng
Frankreich mit seiner entivickelten nnd originellen Küste ge-
wissermassen einlüdt. Sehr bewnndert wird ein Bild
Beyles „Eine Nettnng in Dieppe". Eine trübe seefenchte
Stimmung dringt nns aus dem Bilde entgegen. Das
Meer peitscht wild den Hafendanim, von welchem ans
wetterharte Männer die Rettnng von Kameraden versnchen,
deren Frauen sich in peinvollem Schmerze verzehren. Ter
Amerikaner Reinhart gibt uns in seinem Bilde „Ein
Gestrandeter" gewissermaßen den düsteren Epilog hiezu.
Ein Toter ist von der noch grollenden See an das Land ge-
spült, der Gendarm ist gekommen, um die nötigen amtlichen

Erhebungen vorzunchmen. Ein Schiffer erteilt ihm die
geforderte Ausknnft. An dem Leichnam, dessen Kopf man
auf eine Bohle gebettet, kniet ein anderer Schiffer, während
Franen nnd Bkänner, an dergleichen Anblicke gewöhnt,
dem Toten einen niehr nengierigen als tranrigen Anteil
widnien. Das Bild ist ohne alle Sentimentalität gemalt,
ein Stück wirklichen Seemannslebens.
Wenn ich hier nnr diese beiden Hauptvertreter der
Gattung zitiere, so soll damit nicht gesagt sein, daß nicht
auch in derselben vortreffliches Mittelgut vorhanden.
Eine gnte Vereinignng der Schildernng des Nackten
und des Arbeiters an seiner Handtiernng sind Rixens'
„Stahlwerk" und Fran D e ni o n t-Bretons „Bäcker". Scit
Akenzel sein „Walzwcrk" geschaffen, läßt es den Künstlern
keine Rnhe niehr, es dem Meister nachzuthun. Die Torsv
der in dem Rixens'schen Bild ganz ihrer Arbeit hingegebeuen
Bkänner sind vorzüglich modellirt und die Feuer-Reslcxe
sorgfältig stndiert. Rixens, der außerdem noch ein trefflichcs
Porträt ausstellt, verspricht bcdentendcs für die Zukimft.
Ju Mcidame Demont-Bretons Bilde „Das Brod"
schaut eine Fran mit ihren jungeii Kindern ihrem vor
dem Backvfen beschäftigten, bis auf den Gürtel entblößtcn
Manne zu. Auch zu diesem Bilde dürfte der Vvrtrag
des Nackten und des seltsameu Koloritch durch die Ofen-
glnt hervorgernfen, verlockt haben.
Jn dem Kampfe um daS Dasein wird die alte Welt
viclen zu klein. Dieses Verhältnis reflektiert in diesem
Jahre im Salon in verschiedenen Auswanderer-Bildern, von
dencn ich hier das Dawants mehr seiner Größe als des
packenden Jnteresses wegcn ncnne. Das stgnrenreiche Bild
sagt uns nichts. Es erzählt weder von dem Trennnngs-
schmerz von der Heimat, noch von den Hosfnungen, die
die Answanderer anf die neue Welt setzen; es ist nüchtern
und in der Farbe langweilig.
Es ist seltsam, wie den skeptischen französischcn Künfflcr
immer doch wieder das Thnn und Treiben dcr Geistlichkcit,
weniger in der Ausübung ihrer religiöscn Funltionen, als
in ihrem Kontakt mit der Welt, in der Manifestierung ihrer
 
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