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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 2.1886-1887

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Pecht, Friedrich: Die Hirth'schen Publikationen
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Personal- und Ateliernachrichten - Denkmäler etc. - Ausstellungen, Sammlungen etc. - Vermischte Nachrichten - Kunst-Literatur und vervielfältigende Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.9417#0467

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S68

vermischte Nachrichten — Runstlitteratur und vervielfältigende Uunst

druck eines tiefen Seelenschmerzes. Die Aufgabe fiir die erstere
in Basreliefform auszufiihrende lautete: Theseus bringt dem m dem
heiligen Hain der Eumeniden zurückgezogen lebenden Odipus
seine Töchter Jsmene nnd Antigone zuriick. Die Schwierigkeit
bestand hier wesentlich im Arrangeinent innerhalb eines beschränkten
Raumes. Diese Schwierigkeit durch Heranziehuiig weiterer Figuren
zu vermehren, hat der eine der Konkurrenten verstanden, während
ein anderer mit deni Raume uicht fertig werden konnte, infolge
dessen sein Thejeus, ein ganz bedeutender Bursche, vollständig
aus dem Rahinen heraustrat. Das dlrrangement bei säintlichen
10 Konkurrenten war iin wesentlichen das folgende: Ldipus meist
sitzend oder halb erhoben dargestellt, streckt den beiden Töchtern,
vvn denen nieist die eine sich ihm zu Füßen gewvrfen und liebe-
voll die Knie des Vaters unischlmgt, während die andere noch
fliegenden Schritts herbeieilt, seine Ilrme entgegen. Jni Hinler-
grund sieht Theseus der Szene mehr oder minder teilnahmvoll
zu. Unangeiiehm fielen in den meisten Entwürfen die sllßen
Verrenkungen der Mädchen zu dem Zweck auf, an den Vater,
ohne sich gegenseitig ini Wege zu stehen, mit den Liebkosungen
heranzukoinmen. ?lm natürlichsten war die Haltung nvch in dem
Entwurf von Devergnes, doch glich die Antigone niehr einer
Maria. Jnteressant ist bei der Bewältigung solcher antiker Ent-
würle zu beobachten, wie der nioderne Geist den Künstlern ininier
wieder in den Nacken schlägt. Die Jsinene und Antigone des
Herrn Chavaillart sind vollständige Boulevarddamen, denen ein
Windstoß in die Kleider geraten.
Die Komniission, die bei Leibe aber nicht sür den Wert
der Arbeit ausschlaggebend ist, entjchied sich, glaube ich, für die
Arbeit Desvergnes.
Die Aufgabe fiir die Malerei lautete: Der aus Athen
verbaimle Themistokles sucht bei dem König der Molosser,
Admetes, dann bei dem König der Perser, Artaxerxes I.,
der ihm prächtige Gastfreundschaft gewährte, ein Ashl. Derselbe
wollte jedoch, daß er gegen. Griechenland kämpfte. llm nicht ge-
zwungen zu sein, ihm zu gehorchen, nahm Themistokles inmitten
der Seinigen Gist und trank den Becher nüt den Worten: „Das
ist das letzte Opfer, welches ich meineni Vaterlanoe bringe."
Ilm den Preis bewarben sich Künstler, die durch die Aus-
stellungen im Salon schvn eüien Nanien haben, wie Charpentier,
Simbaldi, Marieton, Danger. Alle Arbeiten überragte die
Dangers, der im Salon, wenn ich nicht irre, ein großes Aus-
wandererbild hatte, das nicht überaus glücklich war und iiament-
lich nicht die Kraft der Charktcrisierung verriet, die der Künstler
in seinem Themistokles entwickelt. Der Tüchtigkeit des Eiitwurfes
»vürde es auch keinen Eintrag gethan haben, wenn wir uns nicht
in einer blauen Grotte zu befinden glauben. Diese Farbenlhrik
wirkt dvch nur auf llngebildete. Das männliche Gesicht des m
ein weißes Gewand gehüllten Themistokles, dessen Hand rück-
wärts gestreckt rührend von eineni VerbaiiliungSgenosjen gedrückt
wird, während links eine Frau in unendlichen Schmerz versenkt
ist, strahlt den ganzen Schmerz, von seineni Vaterlande verbannt
zu sein, aber auch jene Hoheit wieder, die der Reflex des
Martyrerlums für eine Jdee. Alles ist einfach, natürlich, die Pose
aus ein Minimum reduziert, wahrend fast allen anderen Ent-
wüiien eine große theatralische Geziertheit eigen. Simbaldi hat
eine ganze Kraft auf die Modellierung des nackten Oberkörpers
einer der Frauen verwendet, die sich vor Schmerz auf die Erde
geworfen haben. Sein Themistvkles ist ausdruckslos. Seine
Gewandung die eines Zirkusspringers. Geradezu komisch wirkt
eine Figur, ein Exilsgenosse des Themistokles, der, uni seines
Schmerzes Herr zu werden, sich mit beiden Händen die Backen
heninterzieht und damit die Ilugen aufreißt. Solche elementare
Schmerz-Kundgebungen sind möglich, aber nicht malerisch. Ein
Maler Tollet hat ein ganz gutes, sehr gebildctes Bild mit einer
vortresflichen Architektur und einer mit dem Tode des ThemistokleS
sehr kontrastierenden zum Leben verlockenden üppigen orientalischen
Umgebling geliefert. Aber der Mann sieht alles violett. Ueber
dein ganzen Bilde ruht ein violetter Ton, der es unwahr macht.
Die Komposilion in dem Bilde eines auch bereits im Salon
gcnannten Malers Marieton ist unklar. Man weiß gar nicht,
iver Themistokles, ob der sitzende Greis, oder der vor der Opfer-
slanime ausrechtstehende Mann, der deni ersteren den Becher reicht.
Die anderen Bilder sind kaum erwähnenslvert. Natürlich hat die
Kommission, ivas keinem zweifelhaft sein konnte, dem Maler
Danger den Römerpreis zuerkannt.
** Berlin. Jm Gebäude der Jubiläuinsaiisstellung be-
finden sich noch eine Menge nicht abgeholter Gewinne von der vor-
jährigen Lotterie, die nunmehr für Rechnung der kgl. Jlkademie
verkaust werden. Die Hauptanzahl der nicht abgeholten Gewinne
Redigiert unter verantwortlichkcit der verlagsanstalt sür Runst u

besteht in Exemplaren des Holzschnittwerks von Menzel, das durch
die niassenhaste Verbreitung durch die Lotterie sür den Sanimler
wesentlich an Jnteresse verloren hat.
—r Berlin. Um den diesjährigen, für das Fach der
Ilrchitektur von der Berliner Kunstakademie ausgeschriebenen
großen Staatspreis, bestehend in einem Stipendium von
6000 M. zn einer zweijährigen Studienreise in das Ilusland,
besonders nach Jtalien nnd außerdem einer Reisekosten-Entschädig-
ung von 600 M., streiten gegenwärtig 4 zur Lösung der Haupt-
aufgabe zugelassene Bewerber. Zur Ausgabe ist gestellt der
Entwurf zu eineni Musenni der bildenden Künste für eine Pro-
vinzialstadt von etwa 50,000 Einwohnern. Die Ablieferung der
Entwürfe hat bis zum 8. Oktober d. I. zu gejchehen, während
die Zuerkennung des Preises in der 2. Hälfte des Novembers
erfolgen wird.
vm Max und Moritz haben mit ihren lnstigen Streichen
nun auch in Japan Einzug gehalten. Es gehöit diese Notiz
wohl um so mehr inunserKunstblatt, als Buschs dichterische
Muse bei der Übersetzung in die Sprache unserer schlitzäugigen
Nacheiferer freilich übel genug zugerichtet worden ist, seine köstlichen
Karrikaturen aber auch in dem japanischen Zuschnitt noch vor-
trefflich wirken und dem deutschen H u m o r im Jnselreiche schnell
die gleiche Bewunderiing erringen dürften, ivelche sich die deutsche
Arbeit dort so nachhaltig gesichert hat.
OI. Von der Direktion der Budapester Musik-Atademie
wurde kürzlich dem ungarischen Rational-Museum eine interessante
Liszt-Religuie übergeben: eine trene Miniatur-Kopie des Wiener
Beethoven-Denkmals von Kaspar Zumbusch, welche die Beethoven-
Denkinal-Kvmmission für Franz Liszt, der zur Zustandebringung
des Monumentes viel beigetragen hatte, seinerzeit in Bronze
gießen ließ. Die prächtig ausgeführte kleine Statue trägt nuf
dem Sockel die Jnschrift: „Dem verehrten Meister Franz Liszt
das dankbare Beethoven-Denkmal-Komitee."

Kunstlittrrstur und vervirlfältigrndr Runst
rO Wilhelm Lübke: Kunstwerke und Künstler.
Dritte Sammlung vermischter Aufsätze. Mit 69 Jllustrationen.
Breslau, S. Schottländer. M. 10, geb. M. 12. W. Lübke ist
der bekannteste und auch einer der verdientesten populären Kiinst-
historiker. Jm Zusammenfassen der Ergebnisse der Quellen-
forschungen anderer für das Verständnis des gebildeten Laien
besteht sein Hauptverdicnst. Der wissenschastlichen Forschung stets
mit verständnisvollem Eingeheii zufolgen, ist dasür erste Bedingung.
Auch im vorliegcnden Werk zeigt sich der Berfasser von dieser
Seite am vorteilhaftesten. Weniger da, >vo er ganz auf eigenen
Füßen steht. Es fehlt ihm die Freiheit und Schärfe des llrteils,
freilich auch die vornehme Wichtigthuerei, mit der jetzt so viele
Kunsthistoriker ihre geringfügigen Bemerknngen der Welt als
epochemachende Entdeckungen aufzudrängen suchen. Wo der Leser
den Verfasser auf seinen Forschungsreisen begleiten kann, sei es
nach Tirol oder zum Mausoleum des Mittelalters in Brou, oder
zur Villa Barbaro in Maser, da erscheint er ihm am liebens-
würdigsten: wie ein Mensch, der gern bereit ist, neue und bedeu-
tende Eindrücke in sich auszunehmen und sie den anderen zu über-
mitteln. Uud hierbei ist dem Verfasser sein schriftstellerisches Geschick
von großem Vorteil; zwar nie originell, weiß er doch immer ein-
fach und klar vorzutragen. Von den 25 Aufsätzen des sehr starken
Bandes hätten einige ohne großen Schaden für den Leser weg-
bleiben können. Solche, wie „Die reiche Kapelle in München" und
„Zwei deutsche Schlösser" haben nur den Wert litterarischer?lnzeigen.
ll. vi- Oe. Wilh. Schmidt. Die Jnkunabeln des Kupfer-
stichs im kgl. Kabinett zu München. Preis M. 10. Eine sehr
belehrend, weil bis zur täuschendsten Vollendung getriebene Nach-
ahmiing dieser 32 Jnkunabeln durch Phototypie. Dieselbe ist
fllr Kupferstichliebhaber und Forscher in diesen Dingen jedensalls
sehr interessant und zur besseren Orientierung geeignet, während
der begleitende Text diese letztere zu vervollständigen und den
Blüttern ihre Autoren zuzuweisen sucht. Jm allgemeinen wird
nian den Aufstellungen des Herausgebers wohl beipflichten müssen,
wenn auch hier der Konjektur ein weiter Spielraum bleibt.
DedakLionsfchtuß 13. Äuguk — Ausgabe: 27. August.
Inbalt des dreiundzwanzigüen Lcstes: gcri: gr. Pechi. Aus
Karlsruhe — (Äeorg Boß. Tie Berlincr Kunstausstelllmg — Fricdrich
Uhl. Dic Büste — Unsere Bilder — Die Hirth'jchen PubUkatlonen — Aus
Rom — Kunslnotizen rc. Aitderbeitagcn: Philipp H. Calderon, Die
Früchte und Blumen dcr Erde — August Holmberg, Jnterepantc Lektüre
— Oswald Achenbach, UoccL rii kapa — Wilhelm Diez. Verhör.
ld Wissenschaft vorin. Fr. Bruckmann (Oorstand: A. Bruckmann)
Vuchdrnckerei in München
 
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