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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 8.1892-1893

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Heilbut, Emil: Das Museum von Montpellier
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https://doi.org/10.11588/diglit.11054#0024

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Das Museum von Montpellier

der Stadt, nicht allzu viele Besuchende; und als ich
kam, war es, als sei seit Monaten ein Fremder in diesen
Räumen nicht aufgetreten. Man riß sich darum, mir
den Schirm abzunehmen, man öffnete die Fenster weit,
man stäubte gleichsam die Bilder geistig ab, um sie mir
so schön als möglich vorzuführen; der Doyen der Diener
wollte mein Cicerone sein; ich kenne nichts schrecklicheres
als das und wehrte mit der Miene des Bestürzten ab;
dann brachte er mir den Katalog; ich nahm ihn und
fragte, was er koste. „Auf der Rückseite steht 1 fr. 50 et.,
meinte er; doch wenn Sie nach Belieben mehr geben, so
wird das unter uns alle geteilt werden." Diese patri-
archalischen Zustände, fern davon, mir zu mißfallen,
gaben dem einsiedlerischen Aufenthalt in Räumen, die
so sehr den Besuch der Menschen verdient hätten, eher
eine Würze; selten wird man eine so anziehende Galerie
dem öffentlichen Besuche anheimgestellt und in so ruhigem
Zustande und in so guter Beleuchtung genießen. Die
Sammlung stammt nicht eigentlich aus dem Jahr, in
dem die französischen Provinzialmuseen durch Beschluß
der Regierung zu stände gekommen sind: damals hatte
man Montpelliers ganz vergessen. Es hat eine schöne
Rache genommen, es hat sich wesentlich aus privater
Kraft mit einer Galerie ausgestattet, die ihre Schwestern
in den meisten weit größeren französischen Städten hinter
sich läßt; zuvor aber hatte es doch, durch wiederholtes
Bitten, den von der Regierung verzögerten Beitrag von
Bildern zur Gründung einer Gemäldegalerie zu erlangen
gewußt. Nicht in diesen, etwa 30 Bildern, zumeist der
französischen Schule angehörend und wenig individuell,
liegt der Schwerpunkt dieser Anstalt aber, sondern in
dem, was opferwillige Bürger der Stadt, sei es durch
Schenkung ihrer Sammlungen oder durch Geldlegate,
oder durch die Vereinigung beider Elemente für sie ge-
than haben. Und hier ist es höchst erstaunlich zu sehen,
von welcher Geschmacksbildung diese Bürger waren, denn
das, was sie in der Blüte ihrer Lebenszeit gesammelt
hatten, um es der Stadt später zu vermachen, hat sich
als von unendlich höherem Kunstwert erwiesen, als die
gemeinüblichen Staatsankänfe in Frankreich und an andern
Orten ihn aufzeigen.

Fab re ist der Name des Hauptstifters; er hat auch
der Stadt Gelder zum Bau der Galerie vermacht, außer
seinen während seiner Professur an der Akademie von
Florenz zusammengebrachten Gemälden und Zeichnungen;
man hat hier das Beispiel, das nicht gar zu selten ist,
von mittelmäßigen Maler- — Fabre war ein Maler
—- und ganz vortrefflichen Kennertalenten. Mehrere
Bürger, deren jedem ein Teil Lobes zukommt, verdienten
dann noch hervorgehoben zu werden; neben Velledan,
der seine Sammlung von alten Holländern schenkte,
vor allem auch Bruyas; er war ein reicher Bewohner
der Stadt und zum Konservator der Sammlung ernannt
worden; seine Sammlung bestand fast nur aus zeit-
genössischen Werken. So waren alte Meister, durch Fabre
und Velledan, moderne Franzosen durch Bruyas ver-
treten, letztere aber so, daß nicht so sehr die Werke derer,
die das „Institut" am meisten rühmte, vertreten waren,
als jene, an die wir jetzt fast allein denken, wenn von
modernen Franzosen in Sammlungen die Rede ist; er
hat Millet und Delacroix gekauft, Rousseau und Courbet;
er hat Bilder gekauft, deren Maler das Geheimnis schönen
Tones besaßen; mit feinstem Kunstverständnis hat er

diese Meister schon damals erkannt, als sie nicht diese
Haufen Geldes kosteten, ohne die es heute nicht möglich
wird, sie in Händen zu bekommen.

Bruyas sammelte von Delacroix, Millet, Rousseau,
Courbet Werke; die Besuche der Sammlung Fabre hatten
bei ihm die Liebe zur Malerei entwickelt. Später fand
er bei einer Reise nach Rom seinen Landsmann aus
Montpellier, Cabanel, welcher damals 22 Jahre zählte,
und die vortrefflichen Unterweisungen dieses freilich akade-
mischen, doch technisch sichern Führers waren die ersten,
die er als Sammler erhielt. Doch als er später Paris
besuchte, konnte er nicht dem romantischen Zuge mehr
widerstehen, er lernte Delacroix kennen, der sogar von
ihm — eine große Seltenheit bei Delacroix, von dem
es nur, glaube ich, 15 Porträts giebt — ein Bildnis
gemalt hat.

1853 indessen trat die Schule auf, welche an die
Stelle der Romantiker, ohne mit ihr in einen scharfen
Gegensatz zu treten, kommen sollte: Courbet, der den Zeit-
genossen ultranaturalistisch, den Späteren aber wie
ein Nachfolger der italienischen Naturalisten etwa, also
wie ein manierierter Maler der verdüsterten Natur vor-
kommt, wurde ein Held des Tages, und die Spuren dieser
Wirkung sind natürlich, in der Sammlung eines Mannes,
der eben jetzt, von Sammeleifer erfüllt, in Paris seine
Ankäufe machte. Bruyas kaufte die „Baigneuses" von
Courbet, und charakteristisch ist, wie mir scheint, sehr,
daß Courbet selber ganz erstaunt über den Verkauf dieses
Bildes gewesen ist. Es ist heute keineswegs mehr ein
herausforderndes; auch nicht mehr ein sehr merkwürdiges
Bild; man sieht in einer dunkelgewordenen und nicht
sehr von Natureindrücken erfüllten Baumlandschaft zwei
Frauen, von denen die eine, die den Rücken wendet,
in halber Lebensgröße, ihrerzeit Aufsehen gemacht hatte.

Wie ein später Enkel dieses Meisters, flacher, aber
auch weniger aufdringlich, gebildeter, weniger eigen ist
Louis Beroud, der dem Museum ein ausgezeichnet
gemaltes Bild des Treibens und Wogens der zahlreichen
Besucher im Salon carrs des Louvre gegeben hat.
Im Hintergrund Veroneses Bild, im Vordergrund die
Besucher des Saales — das Thema ist gegeben und
ach wie oft! mehr oder weniger theatralisch dargestellt
worden. Beroud ist es gelungen, den Gedanken an
ein Posieren und sich Spreizen der Personen nicht auf-
kommen zu lassen, und er ist, auf komische Wirkungen
in seinem Bilde Verzicht leistend, zu einer beachtens-
wert erscheinenden Ruhe des Eindrucks gelangt; die
Sicherheit seines Vortrages giebt den Gegenstand mit
einer gewissen Selbstverständlichkeit wieder und ach! noch
einmal muß ich aufstöhnen, wie weit unterscheidet er sich
hierdurch von manchen Meistern in Deutschland, die das-
selbe Thema behandelt haben. Ein gutes Porträt eines
alten Mannes ist von H. Scheffer, dem Bruder Ary
Scheffers. Eine Alte mit gefalteten Händen ist eine
tüchtige Arbeit von Matet. Emile Levys Urteil des
Paris erscheint sehr äußerlich.

Unter den Alten sind Ostade, Teniers Vero-
nese, Terborg (dieser sehr leuchtend, etwas hart) vor-
trefflich vertreten; Greuze mit zahlreichen Bildern, her-
vorragend in einer sich zu uns drehenden Figur eines
jungen Mädchens. Ganz vortrefflich ist Wouwerman
hier in einem Bilde, das von einer gewissen Großartig-
keit (für Wouwerman) ist; die Landschaft ist schöner als
 
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