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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 8.1892-1893

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Heilbut, Emil: Das Museum von Montpellier
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https://doi.org/10.11588/diglit.11054#0025

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von Herman Helferich


die Figuren in einem kleinen Genrebilde des lustigsten
von allen alten Malern, Jan Steen; Don, Wij-
nants, namentlich Cuyp sind sehr schön, eine Baum-
landschaft von van Goyen, ein Reynolds, — der
auf dem Kontinent so selten ist, — eine Landschaft von
Rubens (die nicht von Rubens zu sein scheint), ein
großer zweiter Steen, zahlreiche Teniers (unter ihnen das
Schloß von Teniers, ein außerordentlich reizendes, vor-
nehmeres Gesellschaftsstück) erwecken jene behagliche
Stimmung, die durch nichts gleich sehr wie durch eine
kleine Sammlung wirklich guter Bilder aus der nieder-
ländischen Schule sich erzeugt; ein größeres Porträt von
Maas, dem Schüler Rembrandts, ist nicht schön, ein
falscher Memling folgt, dann ein guter Metsu, dann ein
Meisterwerk von Knaus: erfreulich ist immer, Knaus
unter den alten Meistern zu treffen; er hält sich dort.
Man sehe nur diese Bauern des Vordergrundes, die sich
mit den Hühnern abgeben. Das Bild ist dunkel geworden,
und wirkt trotz dieser Gemeinsamkeit besonders neben
den Holländern. Es ist eine Arbeit, nach der man hin-
sieht, die noch unter guten Bildern auffällt und die man
in der Erinnerung, ohne es gewollt zu haben, behält,
weil sie so voll von Talent nicht nur, sondern auch von
besonderem Inhalt — kurz ein Knaus ist.

Unter den Zeichnungen der Alten machen manche
einen etwas verdächtigen Eindruck; zwischen ihnen auf-
gestellt, bringt die berühmte Statue des sitzenden Voltaire,
das Modell der nämlichen, die im Foyer der Come'die
franqaise steht, von dem großen Porträtisten Houdon
eine eindringliche, fast noch eindringlichere Wirkung als
das große Standbild, hervor. Vier nicht uninteressante
Kartons — man sieht da eine große Geschicklichkeit
und Geläufigkeit der Sprache — von Alex. Cabanel,
dem Sohne dieser Stadt; eine reizende Kohlenzeichnung
Millets, im Halbdunkel eine junge Person sitzend,
prachtvolle Marine-,Tier- und andre Skizzen Delacroix',
von Decamps und von Hu et Zeichnungen, ein kleines
besonders schönes Landschaftsaquarell Mille ts und eine
große Zeichnung von ihm, mit einigen Farbenaugaben,
die eine Bäuerin in einem Hofe kauernd darstellt, welche
ihre Hühner zusammentreibt, sind mir ganz besonders
im Gedächtnis geblieben.

Dann eine Reihe Barye'scher Tierbronzen, fünf
schwache Zeichnungen Rousseaus und eine große aus-
gezeichnete, die einen Sturmhimmel, braun in braun,
ganz meisterhaft wiedergiebt. Eine Corot'sche Zeichnung
ist minder bedeutend, giebt dem, der Corot kennt, weniger
den Anfang eines Bildes — so wie es eine Zeichnung
sollte — als sein Echo. Alle diese Zeichnungen, von
denen ein Teil wundervoll, fast alle aber in ihrer Art
interessant sind, stammen aus der Kollektion Bruyas,
von dem ich gesprochen habe, sowie eine Federzeichnung
von Rousseau, die vollkommen eines alten Meisters
würdig wäre, und ein Aquarell des Bildhauers Barye,
der manchmal auch gemalt hat, wie er denn durchaus
zur Genossenschaft Delacroix', Decamps' und Millets
gehört; sein Aquarell zeigt im Hintergründe Berge von
Nebelschleiern umwogt und vorn den auf Raub aus-
gehenden Löwen.

Ein wundervoller Pedro Campana ist da: von
diesem Meister müßte ein langes erzählt werden; sei

nur in Kürze an ihn erinnert. Er ist ein Niederländer,
der nach Spanien gegangen ist, dort deutsche Kunstart
mit ungeheurem Erfolge gepflegt und verbreitet hat;
das Bild in Montpellier ist eins seiner Hauptwerke
außerhalb der spanischen Länder.

So sehr auch die Sammlung den auszeichnenden
Charakter einer gewesenen Privatsammlung offenbart,
und infolgedessen fast ausschließlich interessante Werke hat,
ist sie vollständig vom Staate nicht verschont geblieben.
Von Got kann man einen Samariter bewundern, der
wie irgend ein „Schinken" aus dem „Salon" aussieht,
lediglich gemalt, um dem Besucher zu zeigen, daß man
malen gelernt hat, und nach wenigen Jahren, wenn eine
andere Art des Malens aufgekommen ist, vollkommen
unerträglich.

Cabanels Phädra möchte als Muster zu solchen
Schülerleistungen wohl gedient haben: sie ist aber un-
endlich besser, weil vollkommener gemalt, und auch per-
sönlicher empfunden. Einen guten Cabanel finde ich
nämlich immer noch besser als einen mittelmäßigen
„Hellmaler".... Von Tassaert sieht man einiges, von
Rousseau ein sehr schönes Gemälde mit Kühen unter
Bäumen, von Bonvin Verdienstliches, von Millet ein
schwaches Ölbild, ein Bild aus seiner ersten Periode,
jenes auffallenden Glanzes und auffallender Sattigkeit
aber entbehrend, die sein Kolorit damals anstrebte: eine
Bacchantin, die eine Satyrstatue bekränzt. Troyon ist
gut, wenn auch nicht auffallend vertreten, Delacroix ist
in algierischen Frauen in ihrem Interieur reizend, ent-
zückend, fabelhaft, viel schöner als im Louvre, Courbet
im allgemeinen ziemlich schauderhaft, Delacroix auch
mit einem schwachen Bilde: Arabern, die im Galoppieren
schießen, mit einer kleinen Skizze aber dann wieder
glänzend vertreten; diese gehört zu seinen schönsten Vor-
würfen, er hat sie einige Jahre später etwas anders aus-
geführt:. .. „Daniel, wie er in der Löwengrube vertrauend
aufblickt"; er ist ganz himmlisch spontan empfunden;
und die Löwen schleichen so um ihn herum, mit einer
solchen Lebendigkeit aufgefaßt und in einer solchen Be-
herrschung des Gesamttons gegeben, wie sie nur diesem
Meister möglich war. Ein Michelangelo von Delacroix
ist um so schwächer; ein merkwürdigerweise poussinartiger
Delacroix wenigstens sehenswert und interessant nicht
nur wegen ihrer Seltenheit ist die Studie nach einem
Modell von Delacroix, der berühmten „Aline", einer
sehr brünetten Person. Voll Leben ist sie und voll Schön-
heit im Ton. Wer Zutritt zu französischen und deutschen
Privatsammlungen nicht erhält, der sollte nach Montpellier
gehen; in einer unglaublich glänzenden Weise haben drei
Kinder Montpelliers, die Bürger Favre (mit italienischen
Bildern hauptsächlich, ein Raffael sogar darunter), Vel-
ledan namentlich mit Holländern (Teniers ist in
14 Bildern dabei, und immer gut) und Bruyas mit
der modernen Kunst ihre Vaterstadt beschenkt; während
ihres Lebens existierten sie nur für ihre Sammlungen
und mit ihrem Verscheiden sind sie ein solcher Anlaß
zur Dankbarkeit ihrer Stadt geworden, daß ihr An-
denken unvertilglich ist und alle Sammler, denen es
um die Kunst, wirklich um die Kunst zu thun ist, in
diesen drei Männern Muster ihrer Art anerkennen
werden.
 
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