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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 8.1892-1893

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Barth, Hans: "Auch" eine Columbus-Ausstellung
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Weihnachtsbücherschau [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.11054#0098

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72

Auch" eine Lolumbus-Ausstellung. von vr. Hans Barth — weihnachtsbücherschau

enttäuschte, so schwer verhöhnte Columbus ein Jüngling
ist, während er kurz vorher beim Abschied von Pater
Talavera am Rande des Grabes zu stehen schien. Es ist
also die Geschichte vom Wunderbrunnen oder vom Zauber-
trank Fausts. Aber der Erfolg der Verjüngungsknr hält
nur kurz an — schon bei der nun folgenden Nr. 5, der
Apotheose (!!) schrumpft der jugendliche Heros sofort
wieder zum Greis zusammen. Die ganze Szene (von Fabj-
Altini) ist übrigens höchst fidel und bildet ein würdiges
Seitenstück zum Abschied am Kloster. Vor einer S. Elisa-
beth mit wahrer Duldermiene und schiefer Hüfte liegt ehr-
furchtsvoll ein.Columbus, nein doch, irgend ein alter

Idiot mit einer Doppelstirne und einem bis dato weder in
Arien noch in Palästina gesehenen Nasenungeheuer, auf
den Knien. Hinter dem Thron mit Krone und Szepter
und dem stupiden Gesicht eines vierzehnjährigen Lümmels,
steif wie ein Ladstock, Seine Majestät Ferdinand V. von
Spanien. Es fehlt nur der Reichsapfel und die mittel-
alterliche Ausgabe des Königs Nußknacker ist fertig. Und
diese Gruppe wird, wie schon bemerkt, das Sanktuarium
des ganzen Museums bilden! Arme Amerikaner! —
Und weiter geht cs in unsrer Via crucis. Eine lebendige
und leidlich gelungene Szene Giulianottis (Columbus
erblickt Land) bildet ein erfreuliches Intermezzo. Die Augen
des aufgesprungenen und mächtig ergriffenen Columbus
sind dankbar zum Himmel aufgeschlagen — ein junger
Matrose, eine stramme Jünglingsfigur, deutet jauchzend in
die Ferne. Nach einem höchst simplen und konventionellen
Columbus als „Triumphator" mit Standarte, Rüstung und
gezogenem Schwert — einem Ritter ganz ä In S, Georg,
bei dem wieder die... . Beine am besten gelungen sind
(natürlich von E. Ferrari), führen zwei weitere Jammer-
szenen zum Schluffe. In dem gefangen nach Spanien Zu-
rücktransportierten führt Maccagnani uns nichts weiter
als einen gänzlich würdelosen armen Sünder vor, mit
niedergeschlagenen Augen, Hängebauch und gefesselten Hän-
den. Und das soll der Mann gewesen sein, der seine
Seelengröße bis zum letzten Hauch bewahrt hat! Eine
höchst prosaische, um nicht zu sagen widerwärtige, dabei
unendlich geschmacklos aufgebaute Gruppe („dem im Todcs-
kampf liegenden Columbus läßt der Engel des Glaubens
die Vision des ewigen Lebens erblicken" rc.) wird die letzte
Nische der Ruhmeshalle in Chicago füllen. Sollten die
Aankees sich nach dem, was ihnen hier geboten wird, ein
Urteil über europäische Kunst im allgemeinen und über
italienische Kunst im besondern bilden, so wäre in der That
zu wünschen, das betr. Schiff mit dem ganzen Columbus-
Museum würde irgendwo nach einer wüsten Insel im Ozean
verschlagen, wo Menschenfresser und Caraibcn Hausen.
An denen wenigstens wäre nichts weiter zu verderben.

WeihnachtDücherschau

Vom Herausgeber
II')

enn man genötigt ist, alljährlich so viel rohe Fabrikware
von illustrierten Werken durch die Finger laufen zu lassen

— und nirgends entfaltet die Verlagsthätigkeit einen so unglaub-
lichen Mangel an Geschmack und Kunstverständnis als bei uns

— so kann einen dann ein Werk wie die vorliegende Publikation
„Vervielfältigende Kunst der Gegenwart" (Heft 22 - 25, Wien, Ge-
sellschaft für vervielfältigende Kunst), das unsrer Nation wirk-

») I..siehe Heft 4.

lich zur Ehre gereicht, allein wieder trösten. Denn da trifft man
besonders in der uns hier vorliegenden „Geschichte der Radierung"
eine so erquickliche Kenntnis der Sache und eine so glückliche
Auswahl der Blätter, daß man das Unternehmen allen Lieb-
habern, besonders aber denen, die sich erst unterrichten wollen,
nicht warm genug empfehlen kann. So wüßte ich nicht, wie man
Rui-dael besser mit der Radiernadel wiedergeben könnte, als es
hier bei „dem Gebüsch" durch Dausignl, geschieht, oder bei
Schoreels schönem Altarbild in der Kirche von Obervellach durch
Hecht. Auch Krügers Bildnis eines jungen Mannes nach
Dürer oder Hedouins Blatt nach Bouchers „Diana im Bade"
geben die betreffenden Originale mit derselben Meisterschaft der
Charakteristik wieder. Auch das meist Malerradierer enthaltende Heft
XXVI. erscheint durchweg verständig ausgewählt und enthält eine
Reihe vortrefflicher Blätter. Druck und Papier sind bei aller
notwendigen Oekonomie durchweg überaus anständig und so
kann man denn dieser Publikation nur den besten Erfolg wünschen.

„Hauffs Werke." Jllustr. Ausgabe. Stuttgart, Deutsche
Verlagsanstalt. 15.—40. Liefg. (ä 50 Pf.) Mit der kürzlich er-
schienenen 40. Lieferung hat das Werk seinen Abschluß gefunden,
dessen Anfang wir schon im vorigen Weihnachtsbericht besprochen.
Geändert hat sich die meist von Amling besorgte Illustrierung
auch nicht, man bedauert höchstens einmal den bekannten geist-
vollen Künstler etwas mehr als gewöhnlich durch die Holzschneider
mißhandelt zu sehen, oder ihn selber flüchtiger zu finden, als
gewöhnlich. — Immerhin kann man sich freuen, den so talent-
vollen Erzähler dem Publikum wieder ins Gedächtnis zurückge-
rufen zu sehen, der offenbar genau nach denselben Rezepten
arbeitete, nach denen auch heute noch von den Romanciers für
den Bedarf der Leihbibliotheken gesorgt wird.

Fritz Hoddick, „Weltliche Texte, Gedanken-Motive für
Rede und Schrift. Berlin, Haube L Spener. (Preis 6 Mark.)
Diese Sammlung von Gedanken unsrer größten Dichter und
Denker hat das vor vielen ihresgleichen voraus, daß sie die
Frucht einer ungeheueren Belesenheit in der alten und neueren
Litteratur aller Kulturvölker ist, sodaß man jeden Augenblick
darin auf neue und überraschende Gedanken stößt, die schon vor
hundert und mehr Jahren gedacht worden sind und doch ganz so
aussehen, als ob sie eigens für die heutige Situation gemacht
wären. So wenn Diderot schon in der Mitte des vorigen Jahr-
hunderts behauptet: „Malerei ist die Kunst, die Seele zu be-
wegen durch Vermittelung der Augen. Wenn der Maler bis zu
den Augen kommt, hat er nur den halben Weg zurückgelegt."
Ist das nicht wie bestellt für unsre Neuesten?

Unter den vielen Albums fußen und sauersüßen Gehalts,
die uns das nahende Weihnachtsfest auf den Tisch legt, ist jeden-
falls das „Oberländer-Album" (München, Braun L Schneider,
Preis 5 M.) das weitaus geistvollste, obwohl es jetzt schon zum
achtenmale die Welt erheitert. Dieser Künstler scheint wirklich das
Geheimnis ewiger Jugend gefunden zu haben, da man an seinen
Werken auch noch gar keine Ermattung wahrzunehmen vermag,
sie noch ebenso reich an unsterblichen Einsällen und köstlichen
Gestalten sind wie jemals früher. Oberländer ist eben das Muster
eines Karrikaturisten. Oder könnte man sich etwas Drolligeres
denken, als den beim Baden von einem Haifisch erfaßten Buch-
halter, der aus dem Rachen des Biests heraus noch seinen ent-
setzten Kollegen bittet, ihn morgen im Bureau zu entschuldigen?
Ist das nicht ein Ideal von Berufstreue? Oberländer unter-
scheidet sich aber nicht nur dadurch von allen seinen Kollegen von
der lustigen Weltanschauung, daß er fast allein ächte Zerrbilder
giebt, d. h. solche, welche bei Dingen und Menschen das charakte-
ristische Moment ins Ungeheuerliche übertreiben, sondern auch
daß er immer nur das Ungesunde und wirklich Abgeschmackte
oder Barocke mit seinem Spotte trifft, ebensowenig jemals schlüpfrig
oder gar schmutzig wird, also unsre sittlichen Begriffe nie verwirrt,
sondern immer° ein lachender Vertreter des gesunden Menschen-
verstandes bleibt, dessen Reichtum der Bildung ihm eben auch
ermöglicht, alle fünf Weltteile und alle Jahrhunderte auf ihren
Gehalt an Thorheit zu prüfen.

„So sind wir!" von Emanuel Spitzer und Benno
Rauche negger (Vcrlagsanstalt f. Kunst u. Wissenschaft, vorm.
Friedr. Bruckmann in München, Preis 15 M.). Spitzer ist der
Maler der eleganten Wiener Backfische, deren Leben und Treiben
in der Pension wie im Haus er mit unnachahmlicher Anmut
und Frische, wenn auch vielleicht etwas zu großer Ausführlichkeit
der Behandlung schildert. Dasür beobachtet er aber in der hier
mitgeteilten lustigen Bilderreihe diesen so vielversprechenden Teil
der menschlichen Gesellschaft mit einer Feinheit, daß man meint,
seine bald tollen und übermütigen, bald schmeichlerischen und
 
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