Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 8.1892-1893

DOI Artikel:
Pecht, Friedrich: Rundschau
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.11054#0157

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Rundschau. Vom Herausgeber



Dekorative Skizze, von Lugen Klinisch

Darstellung des weiblichen Geschlechts zuwandte,
wo ihm dessen natürliche Anmut, Naivität und
Schalkhaftigkeit ganz vorzugsweise gelang. So
versetzt er uns auf gar vielen und gerade seinen
beliebtesten Bildern, doch in eine Art idealer
Welt, die über das Bauernleben einen poetischen
Glanz breitet, wie er eigentlich nur bei Deutschen
nnd Schweizern zu finden ist, in den fran-
zösischen Darstellungen des Bauernstandes aber
fast nie, denn wo Breton
oder selbst Daguan Bouveret
dergleichen versuchen, geben
sie immer Städterinnen. —
Am wahrsten und schönsten
zugleich giebt deshalb immer noch
Defregger den Bauern wieder, weil
dieser Stand sein Ideal ist und bleibt,
und weil der beständig im Kampfe mit
der Natur liegende Bauer seiner Heimat
dem dortigen Städter in allen männ-
lichen Tugenden wirklich weit überlegen
ist. Defregger am nächsten kommen in
München Math. Schmidt, der selber auf
dem Lande geboren war, dann Leibl
und Hugo Kauffmann, die sich aufs
Land verpflanzten. Grützner ist doch
mehr Städter- als eigentlicher Bauern-
maler. — Mit diesen Meistern hat aber
die Bauernmalerei offenbar schon darum
in Deutschland ihren Höhepunkt erreicht,
weil die politische Entwicklung den
Bauernstand seither in fortwährendem
Rückgang zeigt. Wenig geeignet, seine
Rechte im politischen Kampfe zu ver-
teidigen, ward er gerade durch den Par-
lamentarismus zum vorzugsweisen Last-
tier gemacht, ward ein Gegenstand all-
gemeiner Ausbeutung. Seine ökonomische
Stellung ward durch die infolge der
ungeheuren Erleichterung der Trans-
portmittel eingetretene überlegene Kon-
kurrenz der Getreide exportierenden
Länder Amerika, Indien, Rußland,
Ungarn vollends aufs tiefste erschüttert,
so daß reiche Bauern bald zum voll-
ständigen Mythus geworden sind. Denn
gleichzeitig trat jener mächtige Zug der
Bevölkerung

——^ vom Lande in

> die Stadt ein,
welcher den
Bauern auch
noch der Arbeitskräfte vollständig zu
berauben droht. An seine Stelle ist
darum auch in der Kunst, dank dem
Uberhandnehmen der Sozialdemokratie,
jenes städtische Proletariat getreten,
welches man jetzt immer das „Volk" zu
Kennen beliebt. Seiner Schilderung hat
sich dann auch der moderne Naturalis-
mus in unsrer Kunst ganz vorzugsweise
bemächtigt, ja er ist recht eigentlich die
charakteristische Blüte derselben geworden.
 
Annotationen