Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 8.1892-1893

DOI Artikel:
Donner von Richter, Otto: Von alten und neuen Porträts in London, [2]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.11054#0192

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
von alten und neuen Porträts in London

N8

auch gewünscht haben, „daß man dabei
etwas denken sollt". Das hat er einem
nun ziemlich schwer gemacht. Mein Ge-
danke dabei war der, daß dieser Schädel,
der die ganze Breite der Bank und der
Tischplatte mit allem Apparat auf dem-
selben einnimmt, gewissermaßen zeigen
sollte, welche Fülle des Wissens und der
Kunstfertigkeiten indem menschlichen Schädel
enthalten sein könne, was alles aus ihm
seinen Ursprung nehme? Daß ich damit
das Richtige getroffen hätte, will ich nicht
behaupten, denn andre haben es durchaus
anders zu erklären gesucht und dies nötigt
uns zu eingehenderer Beschäftigung mit
den dargestellten Persönlichkeiten, um wo-
möglich der Lösung des Rätsels näher zu
kommen.

Ohne deren wirkliche oder voraus-
gesetzte Namen zu kennen, mußte ich mir
bei Betrachtung des Bildes alsbald sagen,
daß wir in dem brillanten Edelmann
einen Freund und Förderer der Wissen-
schaften und der Künste erkennen müssen,
daß er in dem Gelehrten den rechten
Mann gefunden hatte, der ihn in bequemer
Weise in diese Dinge einführte, und daß
er es ihm an keinem dazu nötigen, noch
so kostspieligen Apparate fehlen ließ. Daß
der Edelmann sich durch übermäßiges Stu-
dieren nicht sehr angestrengt hat, dafür
spricht seine ganze äußere Erscheinung;
das volle, kräftige, heitere nnd schöne
Gesicht umrahmt braunes Haar und
brauner Vollbart; der frischen Gesichts-
farbe sieht man an, daß ihm des Ge-
Vrüggrr Ratshrrren bri Isn van Eyck. von A. de vriendt. dankens Blässe nicht angekränkelt ist; auch
Wandgemälde im Ratbause zu Brügge. ist seine Haltung keine eingesunkene, gebückte.

Im Gegenteil, herausfordernd wölbt sich
uns die breite Brust unter mächtigen Schultern entgegen, elegant ruht die rechte Hand auf der Dolchscheide nnd die
zurücklehnende Haltung erregt den Wunsch in uns, diesen Mann einmal in der Rüstung zu Pferd in den kraftvollen
Schranken der Turnierbahn halten zu sehen; es müßte ein prächtiger Anblick sein. Von größter Prachtliebe
legt seine Kleidung Zeugnis ab. Ein flaches, schwarzes Samthütchen sitzt schräg auf seinem Kopf, ein schwarz-
samtner Oberrock, bis etwas unter die Knie reichend, ganz mit weißem Pelz gefüttert, welcher sich über die
Schultern als breiter, weißer Kragen umlegt, der auf den bis zum Ellbogen reichenden, stark gepufften und
geschlitzten Oberärmeln ruht, giebt der ganzen Figur noch mehr Fülle und Breite. Unter den Puffen bis zum
Handgelenk tritt der rote Atlasärmel des Wamses hervor, welcher auf der Brust, unter dem Ausschnitte des
bis an die Knie reichenden schwarzen Leibrockes, sichtbar wird. Schwarze Strümpfe und breite Schuhe vollenden
diese reiche ritterliche Tracht, deren Eleganz noch durch eine starke goldene Brustkette erhöht wird, von welcher
als Kleinod eine Medaille mit dem Relief des Erzengels Michael herabhängt; eine schmale grünseidene Schärpe
um die Taille und zwei zu der Dolchschnur gehörende große Quasten aus Gold und blauseidenen Fäden steigern
noch die Pracht der ganzen Erscheinung. Auf der Dolchscheide lesen wir sehr deutlich: ^-st. 8uas 29 (seines
Alters 29 Jahre).

Wie verschieden dagegen der an der rechten Seite des Tisches stehende blasse, abgemagerte, etwas vor-
gebückt dastehende Mann uns anschaut! Ein schärferer Gegensatz ist kaum zu denken. Sein Aller wird auf dem
neben seinem rechten Ellenbogen, mit welchem er sich auf den Tisch stützt, liegenden kleinen Buche als 25 Jahre
(^.st. 8uas 25) angegeben. Doch sieht er ungleich älter aus, als der Edelmann. Er ist der echte, wirkliche
 
Annotationen