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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 8.1892-1893

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Pecht, Friedrich: Vom Münchener Kunstverein
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https://doi.org/10.11588/diglit.11054#0197

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152

Vom Münchener Kunstdercin.

vom He

^teit dem Schlüsse unsrer internationalen Ausstellung

entfaltet der Kunstverein eine Thätigkeit, die um-
somehr geeignet ist, die Augen auf sich zu ziehen, als
sie eigentlich ganz unbeabsichtigt und naturwüchsig gerade
diese Form angenommen hat, die vor seiner Vergrößerung
vor zwei Jahren überhaupt nicht möglich gewesen wäre.
Jetzt aber spiegelt sie das spezifische Münchener Kunst-
schaffen viel charakteristischer wider, als dies die zur
größeren Hälfte aus fremden Bildern bestehende Aus-
stellung vermag, die überdies keine Studien, sondern nur
fertige Kunstwerke und deren in der Regel nur drei von
einem Künstler aufnimmt. Ganz im Gegensatz zu ihrer
strengen Auswahl und Hoffähigkeit aller Kunstwerke,
bringt der Kunstverein nicht nur fortwährend Bilder von
Meistern, welche wie z. B. Max u. a. die Ausstellung
fast nie beschicken, weil sie sich da nicht den Platz und
das Licht, sowie ihre Umgebung selber aussuchen können,
überdies die freie Disposition über ihre Werke auf ein
halbes Jahr aus der Hand geben müssen, während das
alles ihnen hier vollkommen anheimgegeben ist. Vor
allem aber wird es hier den Künstlern ermöglicht, Se-
paratausstellungen ihrer Werke, besonders aber auch in
Verbindung mit ihren Studien zu veranstalten und da-
durch dem Beschauer ein ungleich vollständigeres'Bild
ihres Wollens und Könnens, ihrer Entwickelung und
gesamten künstlerischen Persönlichkeit zu geben, als dies
bisher möglich gewesen. Da lernte man denn seither
eine ganze Anzahl Künstler erst kennen, deren reiche
Begabung man früher oft kaum geahnt hatte, wo man
immer nur ein zwei Bilder von ihnen in irgend einem
Winkel halb versteckt zu sehen bekommen hatte. So^ hat
z. B. eben jetzt eine Anzahl Freunde des Landschafters
Paul Weber zur Feier seines 70. Geburtstages mit einer
Sammlung von nicht weniger als 120 Bildern und
Studien dieses Meisters den ganzen großen Hauptsaal
des Kunstvereins gefüllt, und es wird wohl kaum irgend
einer unter den Tausenden von Besuchern des Kunstvereins
gewesen sein, der sich nicht hätte gestehen müssen, daß
ihm nunmehr die Bedeutung dieses, doch schon seit zwanzig
Jahren in München lebenden, aber entsprechend seiner
anspruchslosen und allem öffentlichen Hervortreten abge-
neigten Natur nur höchst selten ein Bildchen ansstellenden
Künstlers aufgegangen sei. In Darmstadt 1823 geboren,
war er erst Schüler des trefflichen Zeichners Lukas dort
gewesen, dann am Städelschen Institut in Frankfurt von
Becker und Lessing, hierauf in München von Rottmann
beeinflußt worden. Im Gefolge des Prinzen Luitpold
hatte er dann den Orient bereist. Wenige Jahre später
war er (1848) nach Nordamerika ausgewandert und hatte,
dort den größten Beifall findend, in Philadelphia seinen
eigenen Hausstand begründet und sich ein Vermögen ver-
dient.

Nachdem er nach und nach die halbe Union
durchwandert, sah er nun, nach zehn Jahren Europa
wieder besuchend, auch noch England, Frankreich, die
Niederlande und Italien, überall reiche Ausbeute sammelnd,

i u s g e b e r.

bis ihn zuletzt die Heimat und das geliebte München
wieder festhielt. Wir andern alle hatten die besonders
durch ihre schöne rhythmische Komposition und tiefe Natur-
empfindung fesselnden Bilder des Künstlers wohl schon
lange gekannt, aber dieses ungeheuer reiche Leben, dessen
Frucht sie waren, doch nicht geahnt, bis es uns vergönnt
ward, jetzt im Kunstverein die Zeugen desselben kennen
zu lernen. Da ist uns allen die Bedeutung des Meisters
erst klar geworden, was bei seinen einzelnen, meist der
Münchener Nachbarschaft entnommenen Bildchen, nicht
möglich war. Hier aber sah man erst, wie der Weit-
gereiste die Poesie des deutschen Waldes tiefer empfunden
hatte, als vielleicht alle unsre heutigen Naturalisten.
Denn während diese auf ihren ja fortwährend massenhaft
ausgestellten Studien und Bildern fast immer nur ein
in Form und Linien wie Detail abstoßendes und nur
durch die Stimmung fesselndes kleines Stück Natur geben,
gestaltet Paul Weber selbst seine Studien zu einem
harmonischen Ganzen, einem Gedicht, sodaß es geradezu
eine Wonne ist, unter diesen gemalten Wäldern und
Feldern herumzuschweifen, welche uns die Heimat doppelt
schön erscheinen lassen, da sich die Anspruchlosigkeit wie
der Schönheitssinn des Meisters hier ebenso deutlich als
wohlthuend aussprechen. Dergleichen Genüsse haben wir
aber in diesem Winter schon so viele und hoch über-
raschende gehabt, daß man sich nur wundern muß, wes-
halb nicht auch andre Kunststädte sich solche Lokale an-
schaffen, wie unser Kunstverein jetzt dadurch recht eigent-
lich zum Mittelpunkt unsres Kunstlebens geworden ist.
Speziell in Berlin ist es geradezu unbegreiflich, daß
man sich noch immer kein solches Institut im Mittel-
punkt der Stadt geschaffen, während Wien doch wenigstens
in seinem Künstlerhaus etwas ähnliches besitzt. —

Gerade jene genaue Verbindung der Nation mit
ihren Künstlern, wie sie durch solche permanente Aus-
stellungen in den Kunstvereinen vermittelt wird, ist aber
die erste Bedingung eines gesunden Kunstlebens. Das
zeitweise Begaffen unermeßlicher Mengen von fremden,
englischen, französischen und italienischen oder wohl gar
japanesischen Kunstwerken, die nur zu oft in gar keinem
lebendigen Zusammenhang mit dem Beschauer mehr stehen,
andre Sitten und Anschauungen, eine ganz andre Natur
zur Voraussetzung haben, kurz die so viel gepriesene
„kosmopolitische Kunst" der großen Ausstellungen kann
diese intime in keiner Weise ersetzen. Sie drückt im
Gegenteil die Bilder auf den Rang der Teppiche oder
Tapeten herab, wo uns nur noch die Farbflecke ergötzen,
das Herz aber vollkommen leer bleibt. Ein deutscher
Künstler kann uns fremde Länder und Völker allerdings
schildern und wir werden ihn verstehen, den Fremden
verstehen wir aber immer nur halb. — Auf unserm
Kunstverein sieht man überdies gegenwärtig auch beständig
den Kampf der beiden großen Parteien, in die unsre
Künstlerschaft zerfällt, durch Bilder geführt, wo er sehr
viel interessanter anmntet als in dem endlosen Ge-
trätsch der Zeitungen.
 
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