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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 8.1892-1893

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Pecht, Friedrich: Josef Wenglein
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https://doi.org/10.11588/diglit.11054#0230

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z78 Josef wenglein.

damals zuerst seine große Schule eröffnet hatte. Wenglein bezeichnet die Zeit, die er in derselben, beständig mit
so genialen Naturen, wie Schöuleber und Baisch, wetteifernd zubrachte, als die glücklichste seines Lebens. Es
begreift sich das umsomehr, als jene Periode von 1860—70 unstreitig die produktivste, an jungen, glänzenden
Talenten reichste der Münchner Kunst war, wo in der Pilotyschen Schule nacheinander Lenbach, Makart, Max,
Defregger und zuletzt Diez austauchten, Namberg seine Schule gründete, Böcklin die ersten Vorderen pflückte,
und neben Schleich Lier in der Landschaft eine ganz neue Richtung einschlug, welche dann das Kleeblatt
Schönleber, Baisch und Wenglein zur vollen Höhe zu bringen sich erst anschickte. Aber während Schönleber
als genialer Illustrator ganz Deutschland vom Pregel bis zum Bodensee abgraste und dann balst den
venetianischen Lagunen zauberische Bilder abgewann, während Baisch, sich immer mehr der Tiermalerei wid-
mend, auf die fetten holländischen Triften und an den Strand von Scheveniugen geriet, so blieb unser Weng-
lein hartnäckig zu Hause, ging höchstens die Jsarnfer hinauf bis Lenggries oder durchstreifte die weiten Hoch-
moore längs des Gebirges, und die herr-
lichen Wälder der Würm und Amper ent-
lang oder die einsam schönen Ufer des
Siem- und Chiemsees. Tenn ihn reizte
vor allem die unbelauschte Natur, die ernste,
ja schwermütige Größe derselben. Deshalb
stellte er sie denn auch bald mit beson-
derem Glück im Spätherbst dar, wenn der
erste Schnee im Gebirge fällt, oder im
frühesten Frühjahr, wenn der Föhnsturm
den Schnee wieder schmilzt. Das charakte-
ristische seines bald vollständig ausgebil-
deten Stiles blieb ein von aller Senti-
mentalität weltweit entfernter, aber oft
mächtig packender männlicher Ernst, der
sich indes sehr gründlich durch den Reich-
tum seiner Palette von dem ob feinen
oder trübseligen, aber doch alles beherrschen-
den Grau vieler anderer, besonders der
Niederländer und Franzosen, wie z. B.
Corot unterscheidet. Denn gerade als Ko-
lorist entfaltete Wenglein bald noch mehr
Eigenart denn selbst als Zeichner und fand
Töne auf seiner Palette, die vor ihm nie-
mand gewagt. Er hält hier jetzt ungefähr
die Mitte zwischen der an Rubens gebil-
deten reichen Färbung Schleichs sen. und
der auffallend einfachen, ja oft dürftigen
seines Lehrers Lier. Nächst seinem Onkel,
dem Major Paul Friede!, hatte aber noch
besonderen Anteil an Weugleius Entwicke-
lung ein zweiter Onkel, der Oberförster in
Isen, Oberbayern, war, und unserm jungen
Maler von früher Jugend an Gelegenheit gab, dort im Försterhaus seine Ferien zu verbringen und so neben
der Isar noch den Wald zu seinem Hauptstudium zu machen, wo er dann Baum- und Pflanzenwuchs mit be-
sonderer Liebe studierte. Diese Wald- und Jagdszenen bildeten auch von jeher eine besondere Seite der
Thätigkeit unsres Meisters, wie wir sie ganz charakteristisch in einem dem englischen Garten bei München
entnommenen Winterbilde (siehe oben), dann in einer Anzahl von köstlichen Blättern ans seinen Skizzen-
büchern in unserm Heft vertreten finden, wo man erstaunt, mit welch' geringen Mitteln er sofort ein fertiges
Bild uns vorzaubert. Aufsehen auch im Ausland machte unser Maler indes zuerst mit einigen großen Bildern,
wo er die Isar bald in ihrem zwischen steilabfallenden Waldbergen eingepreßten Lauf, wie auf unserm Bild
mit dem St. Georgstein (siehe unsre Bilderbeilage), bald in weiter Ebene sich zwischen weißen Kiesflächen mit
ihren grünen Wellen den Weg bahnend, darstellte, wie sie unser oberhalb Tölz aufgenommenes Bild zeigt,
das im Kölner Museum seinen Platz gefunden (siehe S. 183). Wie denn allmälig fast alle deutschen Galerien
Werke unsres Meisters aufzuweisen haben, die durch ihre energische Eigenart, die Weite des dargestellten Raumes,
den charaktervollen Ernst der Stimmung sofort die Aufmerksamkeit zu fesseln pflegen. Man sieht da gewöhnlich
 
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