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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 8.1892-1893

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Koehler, Robert: Die Entwicklung der Schönen Künste in den Vereinigten Staaten von Nord-Amerika, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.11054#0295

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Die Entwicklung der schönen Mnste in den vereinigten Staaten von Nord-Amerika.

aus derselben hervorgegangenen Schöpfungen nicht redliche Achtung empfänden. Am schätzbarsten darunter
bleiben die Werke der Pioniere der Landschaftsmalerei: Coles, Doughtys und Durands. Die bedeutendsten
ihrer Schüler und unmittelbaren Nachfolger waren Frederik E. Church, Albert Bierstadt und John F. Kensett,
von denen die ersteren beiden sich namentlich von der wilden Gebirgslandschaft des Westens, letzterer mehr von
den lieblichen Gestaden der Gebirgsseen des Ostens angezogen fühlten. Der leider zu früh verstorbene Thomas
Cole, der erste wahrhaft bedeutende Landschaftsmaler des jungen Freistaates, war eine ideal angelegte Natur.
Sein Genie offenbarte sich in einer Reihe groß erfaßter Landschaftskompositionen, aus denen uns, trotz aller
technischen Mängel und Unzulänglichkeiten eine hochbedeutende Kraft entgegentritt, ein gewaltiger Geist, dem
bei seinem rastlosen Schaffensdrange dennoch die Mittel zu einer geeigneten Ausdrucksweise nicht immer voll
zu Gebote stehen. Asher B. Durand, der, nachdem er bereits als Kupferstecher sich als Meister bewährt, zur
Porträtmalerei griff, um schließlich in seinem achtunddreißigsten Jahre definitiv zur Landschaftsmalerei über-
zugehen, zeigt in seinen Werken eine durchaus gesunde realistische Richtung, während Thomas Doughty sich
mehr in einem poetisch angehauchten zarten Ton gefiel.

Möge die Nachwelt über die Werke der Genannten und ihrer unmittelbaren Nachfolger urteilen wie
immer — ein Verdienst muß sie ihnen lassen: daß sie dem Volke die wunderbaren Schönheiten des Landes
vor Augen geführt, das allgemeine Interesse dafür erweckt und nicht den unbedeutendsten Teil dazu beigetragen,
das Verständnis für ästhetische Lehren zu verbreiten. Wenn manche von ihnen den Aufgaben, die sie sich
gestellt, nicht immer gewachsen waren, so liegt der Grund darin wohl in der Beschränktheit menschlichen Könnens
überhaupt. Selbst ein gewaltigeres Genie als bis dato unter unfern Landschaftern zu finden, vermöchte nicht
der brausenden, tobenden Gewalt des Niagarafalles, den trotzigen, gigantischen Formen des Felsengebirges, den
Riesenbäumen kalifornischer Thäler gerecht zu werden. Fast alle Versuche in dieser Richtung appellieren wohl
an unsre Bewunderung der Kühnheit des Unternehmens oder etwa der, namentlich von F. E. Church beliebten
photographisch treuen Ausführung des Vordergrundes, in welchem jeder Grashalm zn zählen, — aber sie
lassen unser künstlerisches Gefühl völlig
unbefriedigt. Für die Entwicklung der
Kunst in Amerika ist diese Epoche von
nicht zu unterschätzender Bedeutung, wenn
auch für die Vertreter derselben im Reiche
der Kunst der höchste Rang nicht bean-
sprucht werden dürfte. Daß wir aber unter
ihnen Künstlernaturen von unzweifelhafter
Echtheit, beseelt von einer hingebenden Liebe
und hohen Begeisterung für ihren Beruf
begegnen, wird uns klar, wenn wir den
Lebenslauf derselben betrachten und finden,
daß viele derselben einer lukrativen Be-
schäftigung entsagten, um sich idealen Be-
strebungen widmen zu können. Viele von
ihnen waren Kaufleute, Farmer, Graveure,
selbst Banquiers, und genossen ihren
frühesten Kunstunterricht erst, nachdem sie
schon ein Alter erreicht, in welchem der
europäische Kunstjünger bereits seine ersten
Erfolge hinter sich hat. Und welcher Art
dieser Unterricht war, läßt sich leicht denken;
es bestanden noch nirgends Schulen,

Museen oder Galerien; gelegentlich kam ein
reisender Porträtmaler in irgend eine
Gegend, wo der Zufall ihn ein Talent
entdecken ließ. Einem solchen Zufalle ver-
dankte z. B. Harding, ein Farmerssohn,
der, nachdem er sich als Stuhlmacher,

Gastwirt, Pedlar u. a. m. versucht, schließ-
lich mit Weib und Kind auf einem Floß nach
dem eben aufblühenden Pittsburgh gelangte,
wo er sich als Firmenschreiber etablierte,
seinen späteren Ruhm als Porträtmaler.

sPrisrilla. von Elisabeth Gardner.
 
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