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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 8.1892-1893

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Vincenti, Carl Ferdinand von: Die XXII. Jahres-Ausstellung im Wiener Künstlerhause, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.11054#0297

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Die XXII. IahreF-AuMellung im Wiener Aünfttcrhause.

Von Pari v. vincenti.

Der Kaiser hat sie am 28. März ei öffnet. Lustig
wehen ihre rotweißcn Flaggen. Tie Ausstellung ist weder
sensationell, noch sezessionell, noch pfadfinderisch, geht
weder kritisch auf die Nerven, noch stellt sie übermäßige
Anforderungen an die Begeisterungsfähigkcit, aber sie
trägt manch anmutigen und beredten Zug und bietet bei
viel Gutem über den Durchschnitt hinaus eine Reihe aus-
gezeichneter Bilder und Plastiken, so daß wir uns durch
diese Ausstellung ganz gerne auf die wiederholt ver-
schobene „internationale", die nunmehr für das nächste
Jahr bestimmt angckündigt worden, vertrösten lassen.
Freilich werden auch unsere Jahresausflellungen, die dem
Wesen nach einheimische Kunst zu Schau und Markt
bringen sollen, seit einem Jahrzehnt, in welchem der Tod
so schmerzliche Lücken in unseren Künstlerbestand gerissen,
immer internationaler. Pettenkofen, Makart, Canon,
Schindler, Leopold Müller haben wir nicht mehr, um so

dankbarer sind wir den ausgezeichneten Gästen, welche für
jene Unvergeßlichen cintreten. Schließlich kommt ja die
durch reicheres Schauen erhöhte Kauflust, das erweiterte
Bedürfniß nach Kunstbesitz doch wieder der Wiener und
einheimischen Kunst zu statten. Wie allemal, sind auch
Heuer die Münchener unserem Rufe am bereitwilligsten
mit einem Beitrag von etwa 120 Ölbildern — von den
Spezialitäten abgesehen — gefolgt, während Düsseldorf
zu den 832 der Ausstellung vierzig Nummern beigesteuert
hat. Diesen zunächst kommen Berlin, beziehungsweise
Charlottenburg und Karlsruhe; Dresden und Weimar
sind wenig vertreten, hingegen gereichen eine Anzahl
Pariser, italienischer und spanischer Nummern dem Aus-
stellungsbilde zur Ehre. Ungarn endlich, daß auch in
der Kunst gerne seine Unabhängigkeit betont, tritt dies-
mal vornehmlich mit Benczur und Horovitz auf den Plan.

Wie heute im Reiche der Kunst die Sachen stehen,
sieht man sich bei jeder Bilderschau zuerst
nach dem „Kampfbilde" um. Das diesmalige
kommt aus Charlottenburg: Ludwig Dett-
manns „Heilige Nacht", ein Triptychon,
vor welchem man, obwohl es in einem
Nebensaale untergebracht ist, beständig Gruppen
von verblüfften oder scheinbar vertieften,
meist aber rat- und hilflosen Menschen-
kindern vorüberwechseln sehen kann, denen man
es ansieht, daß sie nicht wissen, was sie aus
dem Bilde machen, ob sie es bewundern oder
belächeln sollen. Nur einige Wenige warten
auf den Abfluß der kopfschüttelnden Menge,
um sich still in das merkwürdige Gemälde
hineinzuleben und seinen poetischen Gehalt
auf sich wirken zu lassen.

Nicht Jedwedem erschließt sich der Sinn
des Bildes sofort. Es gehört schon einige Ver-
trautheit mit der malenden Moderne und ihrer
bisweilen formauslösenden Tonsprache dazu, um
hinter die Sache zu kommen. Das wundersam
symbolische Himmelslicht, das die mystisch
blaue Nacht des Mittelbildes durchhellt,
leuchtet auch in unser Verständnis hinein:
Das Licht entquillt einer ärmlichen Hütte am
Saume des Horizonts, der meffianischen Ge-
burtsstötte; schwebende Engelscharen verkünden
einzelnen Menschengrnppen am Wege das
weltfrohe Ereignis; auf dem Schmalflügel
rechts entsteigt den Tiefen ein in Nebelschleiern
verdämmernder Gekreuzigter, dessen heiligen
Wunden Blut und Feuer entträufelt, das der
Welt wie geschmolzenes Metall auf der Stirne
brennen soll; links vorn die schillernde,
ringelnde Schlange und jenseits selige Lilicn-
felder — das Ganze also ein andeutend ge-
maltes Tonstück in drei Sätzen: Bethlehem,
Golgatha, Paradies — Jesu-Geburt, Kreuzes-
opfer, Verheißung. Die malerische Ausdrucks-
weise Dettmanns geht noch über Uhde hinaus,
sie giebt lediglich zu erraten. Wer das von der
Moderne» verlangte Auge und den wahren

Hosemitc-Thal in Lalrsornien. von Albert Bierstadt.
 
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