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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 8.1892-1893

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Heilbut, Emil: Kleine Ausstellungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.11054#0352

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von Herman Helferich.

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gehend, das Bedürfnis nach einem Vergessen
des Alltags durch die Schönheit, Grazie und
manchmal das Verschleierte seiner Farbe
vollständig befriedigt.

Die Burne-Jones-Ausstellung war nicht
weit davon. Aber welche Welt trennte diese
Ausstellungen voneinander! Ja, ich schmeichle
mir, eine gewisse Elastizität zu besitzen, wenn
ich mich einem Degas und doch einem Burne
Jones hingeben kann. Burne Jones, das
ist so wie eine Lady vor ihrem Instrumente
sitzend, das durch vernis Martin eine schöne
Farbe bekommen hat und dessen Formen
ebenso selten wie doch noch geschmackvoll
sind. Und die Lady singt — und ein
junger Mann aus Oxford, der die Ferien
bei dieser seiner Kousine znbringt, hat ein
altes tiefrotes Kostüm von Lewis in Old
Bondstreet angezogen, — welches nicht hin-
dert, daß er wunderhübsch aussieht, — und
er öffnet den Mund — um mitzusingcn.

Und alle Wohlgerüche von Atkinson sind in
dem ausgezeichnet eingerichteten Drawing-
room, und ein Italien, wie es leider nie-
mals war, und in welchem Rossettis So-
nette im Bücherschrank stehen — und ach,
welch reizender Bücherschrank — zeigt sich
in den wohlhabendsten Quartieren in Ken-
sington und Chelsea aufgestanden. Es ist
etwas köstliches um die Ruhe dieser Wohn-
sitze, die man a son aise, gleichsam alt-
italienisch, ausgestattet hat, und wenn Sie
nun an die schönen, weiten, ruhigen Gras-
plätze vor den Häusern denken, — an die
Wundervollen Blumen, mit zarten Formen
seltsam schöne Farben verbindend, — an
Bücher denken, die in diesen Häusern an-
gesehen werden, wo von der Kunst der
„Primitiven", die bereits so uns ent-
sprechende Künstler waren, geschmackvoll und
mit guten Holzschnitten geredet wird —
dann erhält der Stil in Burne Jones'

Bildern eine gewisse innere Wahrheit, ruht
wenigstens auf einer Basis angeschauter
Wirklichkeit, findet darum ein weites Ver-
ständnis und Anklang, färbt die Sitten,
macht die Kostüme geschmackvoller, die Men-
schen sanfter.

Die Bilder von Burne Jones widmen
sich einer bestimmten Sorte von Menschen,
schöne Menschen sind ihr einziger Gegen-
stand und zum größten Teile gehören dieselben der
Jugend an. Alle besitzen sie große Privatvermögen
und es haben unter ihnen auch die — seltener vor-
kommenden —- Vertreter des starken Geschlechts keine
Neigung, sich den Geschäften zu widmen. Alle scheinen
wie in blumigen Gärten zu leben, oder in Zimmern, die,
falls sie auch auf die Straße hinausliegen, doch mit
Stores und gemalten Fensterscheiben abgeschlossen sind
und einem überfarbigen Schein nur, statt der Deutlichkeit
der Dinge, aus der Außenwelt hereinzudringen gestatten.
In Gärten sitzen sie und träumen, oder im Zimmer sitzen
sie und lesen Legenden, oder sie sitzen zu zweien, zu

Die Heilige Jungfrau, von Th. Lybaert.

sshotographieoerlag von Zranz tzanfstaengl in München.

dreien, in selbst zahlreicher Gesellschaft — alle ohne eigent-
liche Individualität, aber vielmehr durch gleichseltsame,
aus gleichartigem Geschmack hervorgegangene Kleidung,
gleichen Ausdruck, gleiche Gefühle zusammengehörig. So
sehr man nun auch darauf schließen möchte, ihre Philo-
sophie sei, wie bei der Jugend es der Fall ist, wenn
nicht Ausnahmen vorliegen, eine auf Bälle und Mode,
eine auf das Heiterste nach außen gewendete, so ist das,
trotzdem diese Gesellschaft aus einander gleichgearteten
Naturen besteht, nicht wahrzunehmen, vielmehr haben alle
ein mehr sinnendes Wesen, und, wenn die Mädchen wohl
eine heitere Schönheit zeigen, sind sie von dem, was wir
 
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