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Die Kunst-Halle — 6.1900/​1901

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Wie das Münchener Künstlerhaus entstand
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Die Aunst-Halle

damals noch weltverlorenen Paradiesgarten (nach
welchen: Schauplatz lseyses Roman „Im Paradiese"
seinen Namen führt) zur Erbauung eines Künstler-
hauses zu schenken.
Zahllose andere Vorschläge, wie Sonnenstraße,
lserzogspitalstraße, Anlagen hinter der Glyptothek,
Praterinsel, Kadettenkorpsgebäude — die Liste ist
nichts weniger als erschöpfend - , sind ebenso für
die endgültige Gestaltung ohne Bedeutung geblieben.
Zndeß begann die Idee fruchtbar zu werden, sobald
sie sich dahin verdichtete: der künftige Bauplatz
müsse nicht bloß schön, sondern auch möglichst zentral
gelegen sein. Mer München kennt, der weiß: beide
Forderungen zugleich erfüllt nur eine Gegend der
Stadt. Sie liegt da, wo an Stelle der alten Be-
festigungen, der „Ramparts", der Maximilians- und
der Karlplatz entstanden sind, auf dem Wege von
den Hauptverkehrsadern zum Pinakothekenviertel,
nahe dem Glaspalast, da, wo das Auge hinüber-
schweift von den Dächern der inneren Stadt zu dem
Grün der botanischen Gärten und der Esfnerschen
Anlagen. Nahechiesem Umkreis erwarb die Münchener
Kunstgenossenschaft im Jahre (876 das Lsaus
Luitpoldstraße Nr. 3, wo sie ihre Bureaur, ein ver-
packungs- und versandlokal ro. einrichtete und auch
ihre Gesellige Vereinigung ein bseim fand . . .
Da entstand, zunächst außerhalb der Genossen-
schaft, ein weitausschauender plan, der, eine größere
Unterbrechung eingerechnet, volle sieben Jahre lang
mit Eifer und Nachdruck betrieben wurde. Zn den
Ureisen der Kunstfreunde hatte ihm Freiherr von
Lramer-Klett sein besonderes Znteresse zugewendet.
Zn: letzten Grunde aber weist dieses Unternehmen
zurück auf den Mann, ohne den, wie nut aller
Sicherheit behauptet werden darf, auch das fetzige
bsaus noch lange nicht und keinesfalls in dieser Aus-
und Durchführung vor uns stehen würde: auf
Franz von Lenbach. Zhn langweilte es, daß sich
die Kunstthätigkeit mehr und mehr auf das Malen
für Ausstellungen und den Privatbesitz beschränkte
und speziell in der Münchener Monumentalbaukunst
während der siebziger Zahre eine peinliche Pause
eintrat. Und als Effner die ehedem öde Sandwüste
des Marinnliansplatzes in herrliche Anlagen umschuf,
da war es eben Lenbach, der die unbestreitbar
richtige Wahrnehmung äußerte: diesen: parke fehle
ein lhaus, das ihn: erst den rechten Zweck und Lsalt
zu verleihen habe; um diesen: Mangel abzuhelfen,
schlug er vor, ii: das leicht gewellte Terrain ein
Schloß hineinzusetzen: das Künstler Haus.
Nun wandte man sich an die Stadt mit der
Bitte um unentgeltliche Ueberlassung des nordöstlichen
Endes des Maximiliansplatzes. Am 28. Februar
(87s) beschloß der Magistrat, dieses Gesuch der Vor-
prüfung durch einen aus Mitgliedern beider Kol-
legien zu bildenden Ausschuß zu unterbreiten. Die Ge-
meindebevollmächtigten lehnten es fedoch mit ^6

Nr. (

gegen (( Stimmen ab, diesem Beschlüsse beizutreten:
„wir können", hieß es in ihrer Nückäußerung, „un-
möglich unsere lhand dazu bieten, daß ein Theil
dieser Anlagen wieder zerstört werde". Als ob die
Ausführung des Projektes eine Zerstörung und
nicht viel mehr eine Lsebung und Belebung der An-
lagen bedeutet hätte!
Mittlerweile hatte sich aber schon im Zahre (880
die günstige Gelegenheit geboten, das lsimbselhaus
(Karlsplatz 30, fetzt „Deutsche Bank") zu einem
mäßigen Preise zu erwerben und für die Zwecke des,
Künstlerhauses umzubauen. Es war vor Allen
Lorenz Gedon, der sich für den plan begeisterte.
Der damals dreißigjährige Gabriel Seidl hatte einen
Weg angegeben und ein Projekt ausgearbeitet, wo-
durch die finanziellen Schwierigkeiten wesentlich ver-
ringert worden wären. Er wollte die Fronten des
lchmbselhauses durch Giebel erhöhen, den Lichthof
überbauen und den Mittelpunkt durch einen thurm-
artigen Aussatz betonen, eine Art Schwibbogen hin-
überführen zum „Englischen Kass", dessen Garten
sich nut einem Triumphbogen nach dem Platze zu
öffnen sollte. Die Eintheilung wäre die geworden,
daß im „Englischen Kass" die Gesellschastsräume
untergebracht worden wären und das umgestaltete
pimbselhaus mehr rentablen Zwecken gedient hätte.
Ls ist nichts daraus geworden. Aber der Seidlsche
Entwurf ist deshalb historisch bemerkenswert!;, weil
die Silhouette des damals gewollten Baues schon
völlig die Elemente enthält, aus welchen sich Giebel
und Dach des jetzigen Künstlerhauses zusammen-
setzen ...
Aus dem Platz beim „Leinselder", an der alten
Stadtmauer mit dem Stadtgraben, den ein Bach
durchfloß, in der von den: „Wasserthurm" überragte::
ehemaligen Lsosleinwandkammer, hatte sich die
Künstlergesellschaft „Allotria" häuslich niedergelassen.
Dahinter war in der Zwischenzeit die Synagoge
mächtig emporgediehen. Dem Ankömmling, der
durch die Llisenstraße kam, bot sich damals etwa
folgendes Bild: Ganz vorne der Wasserthurm, schräg
dahinter, ihn bedeutend überragend, der starke
Mittel- und die beiden Seitenthürme der Synagoge,
noch weiter rückwärts das Wilhelminum mit seinem
massigen Eckthurn: und dem niedrigen (an Stelle
seines in: Zahre (5s>0 eingestürzten Vorgängers er-
richteten) Glockenthurme der Michaelshoskirche, endlich
als Abschluß das Münchener Wahrzeichen, die
Frauenthürme. Kulissenartig baute sich das an-
ziehende Stadtbild auf — im Glanz der Nachmittags-
sonne ein zauberhafter, zu lserzen gehender Anblick.
Und ihn sollte man verlieren, wenn anders die
Stätte von der Front eines Künstlerhauses ein-
genommen wurde. Wer München liebte und für die
Schönheit architektonischer Gesammtbilder einen
offenen Sinn besaß, sah nut gemischten Gefühlen der
Zukunft dieses Stadttheiles entgegen.
 
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