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Die Kunst-Halle — 6.1900/​1901

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Nummer 2
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Gustav, Leopold: Das neue Bayerische Nationalmuseum
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https://doi.org/10.11588/diglit.65263#0032

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22

Die Aunst-Halle -S

Nr. 2

werden zu lassen. Ls ist geradezu wunderbar, wie der
Künstler sich den verschiedenen Stilformen anzupassen ver-
stand und wie er alte Fragmente zu verwenden und weiter-
zubilden wußte. Dies gilt vor Allein von den q-8 Parterre-
sälen. Doch auch in den Räumen des ersten Stockes, in
welchen die Fachsammlungen ausgestellt sind, denen man
ihrer Art nach ihren systematisch-wissenschaftlichen Charakter
lassen mußte, hat Seidl ganz famose Räume geschaffen.
Das ziemlich schlichte Aeußere des Museums, das sich
in Wahrheit als ein Gebäudekomplex präsentirt, wirkt trotz
des Wechsels in den Bauformen innerhalb Renaissance und
Zopfstil dennoch harmonisch. Außerdem spielt hier der
Linklang der das Gebäude umgebender: gärtnerischen An-
lagen mit den vielen pöfchen eine Rolle. Bei dem Durch-
schreiten der Sammlungsräume hat das Auge immer Ge-
legenheit, sich durch einen Blick aufs Grüne zu erfrischen.
Das Doxpelportal des Museums ist von Pruska plastisch
ansgeschmückt worden. Unter einer von Putten und der
Königskrone umrahmten Widmungstafel erhebt sich die
Statue Maximilians II., der bekleidet mit Krönungsornat
ohne Diadem, in der Rechten das Schwert, in der anderen
pand das Modell des alten Museums trägt. Die Decke
des Vestibüls ist nach bayerischen Motiven aus den:
t?. Jahrhundert ausgeführt. Den: Besucher ist es durch
die Anlage vorgeschrieben, seinen Gang bei den prähistorischen
Alterthümern zu beginnen, in einem völlig schmucklosen
Raume. Der nächste giebt einen Begriff des altrömischcn
Wohnhauses; er umschließt die Kunstdenkmäler der römischen
Provinzen Raetia und Noricum. Zn der Aufstellung des
großen Mosaikbodens von Westerhofen erweist sich schon
Seidls überlegene Znnenkunft. Der Boden ist in eine
Nische gelegt, welche uns von einem antiken Raum mehr
wie einen bloßen Begriff giebt. wir gelangen in einen
kreisförmigen Raum mit Ringgewölbe und einer Mittel-
säule, die einer solchen in dem ehemaligen St. Georgsstift
zu Augsburg nachgebildet ist. Dieser Saal für romanische
Kleinkunst wird auch dem Laien die Kongruenz zwischen
den: Bau des Saales und den ausgestellten Werken an-
schaulich vor die Augen führen. Ls ist in dieser Skizze
nicht möglich, die achtundvierzig Säle des Erdgeschosses
sämmtlich zu beschreiben. Aber es fordert in den kom-
menden gothischen Räumen noch stärker die Bewunderung
heraus, wie der Architekt es verstanden hat, wohnliche
Räume zu schaffen. Die Einrichtung derselben, beziehungs-
weise die künstlerische Aufstellung der Kunstwerke ist das
Werk des Lhrenkonservators, des Akademiexrofessors Rudolf
Seitz. Seidl und er haben hier wirklich in kongenialer
weise zusammengearbeitet. Das Auge ist freilich bald von
der Fülle und Schönheit überwältigt und erst bei genauerem
Studium erblickt man Vieles, das die Künstler benutzt und
weitergebildet; z. B. Deckentäfelungen, welche für die
Größe der Räume nicht ausreichten und geradezu muster-
haft nachgebildet wurden.
Ls folgen Säle, die romanische Bautheile und Bild-
werke, dann solche, die uns die frühesten Werke der Malerei
(um tövo) vorführen. Zch hebe besonders das gothische
Kreuzgewölbe des Saales VIII hervor, um dann gleich zu
dem Kirchenraum mit Seitenkapellen überzugehen. Pier
sind Motive des Domkreuzganges zu Augsburg verwendet
worden. Einige Stufen hinab, schreiten wir dann später
in die große Waffenhalle. Der gothisch gewölbte Raum
ist eine Nachbildung des ehemaligen Dollingersaales in

Regensburg. Alte polzbildwerke diene:: zum Schmuck der
wände. Der Anblick dieser Rüstkammer macht einen
eminent malerischen Eindruck.
Die Sammlungen des Ueberganges von der Kunst des
Mittelalters zur Renaissance befinden sich in einem Raume,
dessen polzdecke aus dem großen Saale des Dachauer
Schlosses kommt. Sie ist t56-x-;567 von dem Münchener
Schreiner wißreuter hergestellt; wir sehen auf ihr die holz-
geschnitzten Wappen von Mailand, Norwegen, Oesterreich
und Schweden. Zn dem hauptsächlich Fayencen fassenden
sogen, ita lienisch en Saale ist der aus dem Mantuanischen
stammende, üppig bemalte Plafond zu erwähnen. Zm Saale
Otto peinrichs — Portal und Plafond stammen aus den:
Donauwörthschen Fuggerschloß — herrschen die Erzeugnisse
der Teppichweberei vor; wunderbar in seiner prachtvoll
durchgebildeten Architektur ist das Stübchen aus dem-
selben Schlosse. Maximilian (FsZi-;65t) förderte und übte
selbst die Kunst des Llfenbeinschnitzens, so daß diese das
Kriterium seines Saales abgiebt. Durch Ferdinand Maria
dringt üppige Prunkliebe in die bayerische Kunst. Die vier
Zahreszeiten an den wänden sind nach p. Landid ver-
fertigt; die Decke des einen Saales stammt aus einem jetzt
abgetragenen Theile der Münchener „Residenz", eine andere,
die Vergötterung des Aeneas darstellend, ist des Rubens-
schülers Zanssens Werk. Bei Mar Emanuel, dem Befreier
Belgrads, herrscht der Geschmack Ludwigs des vierzehnten,
wie wir auf dem großen, die ganze eine wand ein-
nehmenden Bilde sehen können, suchte der Kurfürst auch
in seinem Aeußeren sein französisches Vorbild nachzuahmen.
Das Gemälde stammt von seinem Pofmaler Vivien.
Der weiß-goldene Saal Karl Alberts (des nachmaligen
Kaisers Karl VIl.) ist im Geschmacke Couvilliäs gehalten.
Seine Paupttheile stammen aus den: ehemaligen gräflich
von der wahlschen Palais in München. Die Deckenmotive
haben in der neuen Residenz in Bayreuth ihre Urbilder.
Die Gemälde des Kurfürsten und seiner Gemahlin sind
nach in Privatbesitz befindlichen Originalen sehr feinsinnig
von Papperitz nachgeschaffen. Zn: weiß-grünen Saale
seines Nachfolgers Max Zosephs III. sehen wir, statt des
seitherigen Prunkes, die größte in den Formen des Rokokos
mögliche Einfachheit. Dieser Kurfürst ist der Gründer der
Akademie der Wissenschaften. Die Porträts ihrer Gründungs-
mitglieder schmücken den Raum, in welchem sich viele
wissenschaftliche und Musik-Znstrumente befinden. Zm Saale
Karl Theddors mischt sich Rokoko mit dem Stil Lud-
wigs XVI. Ls folgt das Zimmer, das Bayerns erstem
Könige gewidmet ist. Pier herrscht ein frostiges Empire.
Die weiß- und blau-gehaltene Decke ist nach Kl enzes
Motiven gestaltet. Auch Motive dieses Künstlers, aber ganz
im streng antikisirenden Charakter, zeigt der Plafond in:
Saale Ludwig I. und Max II. Der Fries ist nach kor-
nelianischen Motiven ausgeführt. Zwischen zwei Säulen
in einer Nische steht die Büste des ersten Ludwig. Das
Bild König Max' ist von Schachinger (nach Bernhard)
gemalt.
Nun zum letzten Saale, demjenigen Ludwigs II.! Er
klingt wie derjenige Max Emanuels wieder an den roi
solsil an. Die Motive rühren direkt aus dem Versailler
Schlosse her. Das Prachtbett stamm aus dem Linderhof.
F. v. pilotys Bildniß des jugendlichen Königs schmückt die
wand. Richard Wagners Partitur der Oper „Das Liebes-
 
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