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Die Kunst-Halle — 6.1900/​1901

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Nummer 3
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Neues zur Kunstgeschichte
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https://doi.org/10.11588/diglit.65263#0048

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36

4- Die Kunst-Halle

Nr. 3

mal der Gold- und Silbersachen, des von den antiken
Bewohnern zurückgebliebenen Haus- und Tafel-
geräthes.
Erst unwahre f897 wurde, wie sich die „Lrkf.Ztg."
vom20. Oktober berichten läßt, die Negierung auf die er-
folgreichen Ausgrabungen in BoscoNeale aufmerksam.
Die Schatzgräber des Herrn de Hrisco hatten einen
Lund gemacht, der fo werthvoll war, daß er sich nicht
unter der Hand verkaufen ließ. Ls handelt sich um
das seither berühmt gewordene Tafelgeschirr einer
römischen Hatrizierfamilie. Liebhaber für diese Hracht-
werke altrömischen Kunstfleißes fehlten nicht, aber da
der Naufpreis auf 500000 Lire festgesetzt war, so
wollten die Kauflustigen begreiflicher Weise sicher
gehen und sandten Sachverständige nach Bosco Neale.
Dadurch wurde die Sache ruchbar. Die Negierung
machte Herrn de Hrisco darauf aufmerksam, daß er
auf Grund des Ediktes Hacca seine alträmischen
Schätze nicht ins Ausland verkaufen dürfe. Signor
de Hrisco bestritt die Anwendbarkeit des Ediktes
Hacca auf kunstgewerbliche Gegenstände. Ls kam zu
einem höchst interessanten Hrozeß, und inzwischen ver-
schwand das silberne Tafelzeug aus Bosco Neale,
um einige Zeit später im Louvre-Museum zu Haris
wieder aufzutauchen.
Die Ausgrabungen wurden natürlich fortgesetzt
und haben, wie man jetzt erfährt, schon im ver-
gangenen Jahre zur Aufdeckung einer neuen Villa
geführt. Der Lund wurde so geheim gehalten, daß
man auch heute noch nicht in Erfahrung bringen
kann, was denn wohl in der Villa an beweglicher
Habe entdeckt worden ist. Herr de Hrisco behauptet,
die Villa sei vollkommen leer gewesen, geplündert,
ausgeräumt und als Beweis führt er die Neugierigen
und die Steuerbeamten durch sämmtliche Räume des
Hauses, aus denen allerdings Alles verschwunden ist,
was nicht niet- und nagelfest war. Die Lrage bleibt
nur, wann die Villa so fein säuberlich ausgeräumt
worden, ob zu den Zeiten des trefflichen Kaisers
Titus (?9—8f n. Thr.) oder unter der Negierung
Umbertos I. I878—jHOO n. Ehr.). Aber das ist
schließlich eine Lrage, die Herr de Hrisco mit dem
italienischen Liskus ausmachen muß. Uns interessirt
hier vor allen Dingen, daß die 2^s Zimmer der
altrömischen Villa mit trefflich erhaltenen Wand-
gemälden geschmückt sind, die unter der Hand zu
verkaufen ein Ding der Unmöglichkeit war. Um sich
über den Werth der Wandgemälde ins Klare zu
kommen, lud Herr de Hrisco den Hrofessor Reinhard
Kekule v. Stradonitz, den Direktor der Abtheilung
der antiken Skulpturen im königlichen Nluseum zu
Berlin, nach Bosco Reale ein. Da ließen sich denn
die 70 antiken Wandmalereien nicht länger ver-
heimlichen. Sie stammen, wie es scheint, aus den
letzten Jahrzehnten vor Thristi Geburt. Zn der
Mehrzahl sind es Dekorationen, Blumen und Lrüchte.
Nur drei besitzen außer archäologischem auch Kunst-
Werth: eine Lautenspielerin, ein erzählender Gladiator
und eine junge, lauschende Lrau. Die Larben sind
lebhaft, Roth und Gelb herrschen vor. Ihrem ganzen
Gepräge nach unterscheiden sich die Gemälde von
Bosco Reale wenig von den bekannten pomxejanischen
Wandmalereien, nur sind die Liguren meist über-
lebensgroß gehalten, was in Hompeji nicht vor-
kommt. Herr de Hrisco hat nun den Kummer, wahr-
zunehmen, daß auf diese Gemälde das Edikt Hacca
ganz unzweifelhaft anwendbar ist und daß die Re-
gierung den Transport der Bilder nach dem Aus-
lande zu verhindern suchen wird. Seine einzige Hoff-

nung geht dahin, daß der deutsche Kaiser die Bilder
kaufe. Er hat sich deshalb mit seinem Neffen, dem
Rechtsanwalt Michele Massa, nach Berlin begeben,
um dort Stimmung für die Wandgemälde von Bosco
Reale zu machen. Als Hreis der Bilder sind einst-
weilen 2,8 Millionen Mark festgesetzt.
* *
Ein entdeckter „Dürer".
Es handelt sich vielmehr um ein im National-
museum zu Lissabon längst als ein „Dürer" bekanntes
und bezeichnetes Gemälde: Der Hl. Hieronymus
in seiner Zelle. Eine alte Erfahrung ist es ja, daß
die scharfsinnigsten Leute — und die Kunstforscher
rechnen sich zweifellos zu ihnen — häufig über die
entlegensten und gleichgiltigsten Dinge keine Ruhe
finden können, während sie Einfaches und selbst
Wichtiges leicht vergessen. So ging es bisher den
eifrigsten Dürerleuten von Metier: sie kannten wohl
eine Anzahl Handzeichnungen des großen Nürnbergers,
die nur zu einer nachdenklich studirenden Greifen-
gestalt, einem Hl. Hieronymus bei der Bibelüber-
setzung, den Dürer wiederholt gezeichnet und gestochen
hatte, gehören konnten; sie kannten ferner jene Stelle
im Tagebuch der niederländischen Reise des Meisters,
welche lautet: „Ich habe einen Hieronymus fleißig in
Oelfarben gemalt und dem Roderigo von Hortugal
geschenkt." Trotzdem kam keiner der weisen Herren
auf die naheliegende, ja selbstverständliche Idee, nach
diesem Bilde, das man, weil es ohne Lrage bequemer
so war, als „verschollen" bezeichnete, in Hortugal und
an der dortigen Hauptstätte alter Kunstwerke, im
Nationalmuseum der schönen Künste zu Lissabon, zu
suchen. Hier hing, wie gesagt, schon seit langer Zeit
der sinnende heilige Greis, den Dürer, seiner eigenen
Angabe zn Lolge, nach einem 93jährigen Antwerpener-
Modell gezeichnet, in idyllischer Beschaulichkeit, und
die hochlöbliche Direktion jener Sammlung war in-
different genug, diese interessante Thatsache der Kunst-
wissenschaft vorzuenthalten.
Besagte „Entdeckung" wurde nun gemacht, als
der Regensburger Hrofessor Anton Weber neuerdings
Studier: halber in Hortugals Hauptstadt weilte und
auch das Lissaboner Museum besuchte. Er berichtete
ausführlich über das Werk in einer Fachzeitschrift
und bemerkt über die koloristische Wirkung: „Das
Bild macht freilich im Ganzen keinen voll be-
friedigenden Eindruck, weil aus demselben keine
Larbenharmonie hervorleuchtet." Dieses harte Urtheil
überrascht vielleicht auch diejenigen unserer Leser,
welche wissen, daß Meister Albrecht in erster Linie
Graphiker war, daß er in der Malerei, die ihm noch
dazu wegen der damals so komplizirten Technik
materiell nicht lohnend genug erschien, selbst keine
volle Befriedigung, nicht den höchsten künstlerischen
Ausdruck, der ihm vorschwebte, finden konnte. Sie
überrascht nämlich deshalb, weil man andererseits
weiß, daß Dürer als Maler durch das Schaffen der
niederländischen Koloristen, z. B. des Ouentin Matsys
und des Mabuse, in ähnlicher Weise koloristisch an-
geregt wurde, wie ehedem durch die alten Koloristen
Venedigs. Die Ursache des minder gelungenen
farbigen Ausdrucks in dem Lissaboner Gemälde er-
kennt nun Hrof. Weber, vielleicht mit Recht, in einer-
körperlichen Indisposition, die dem alternden Meister
bei der Entstehung des „Hieronymus" hinderlich ge-
worden ist.
*
 
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