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Die Kunst-Halle — 6.1900/​1901

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Nummer 4
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Rücklin, R.: Die Emailkunst auf der Pariser Weltausstellung
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Nr. H

Die Kunst-Halle

53

fach mit einander verschmolzen worden. Aber künst-
lerisch hat sich im Allgemeinen noch wenig Neues und
Eigenes zeigen wollen; die weißgrundige Malerei ist
meist zu flau und süß, — die auf dunklem Grunde
und mit Metallschimmer leicht zu schwer und zu über-
sättigt in der Farbe. Dabei ist vor Allem das Be-
streben nach möglichst zierlicher Detaillirung in klein-
stem Maßstabe der Grund, daß die dekorative Wirkung
„vermalt" und das Ganze kleinlich und ängstlich im
Aussehen wird. — An eine moderne Emailarbeit muß
die Anforderung gestellt werden, daß die Darstellung
vereinfacht und die Farbenwirkung vertieft, — daß
der Farbenauftrag fließend, von welliger Breite sei,
und daß der Mißbrauch, der setzt mit dem Glatt-
schleifen der Oberfläche getrieben wird, auf das noth-
wendige Maß beschränkt werde, — und daß endlich
der schweren, goldtönigen Farbenstimmung der
Renaissancevorbilder gegenüber unserer lichteren,
kühleren Farbempfindung sein gutes Recht werde. —
Unter den französischen Lmailkünstlern, welche
ihre Arbeiten in der kunstgewerblicben Abtheilung
ihres Landes auf der Esplanade des Invalides zur
Schau gestellt haben, fällt vor Allen Hirtz durch
persönlich-selbstständige, durchaus modern empfundene
und originelle Arbeitsweise auf. Die tiefe, ruhige
Farbengluth seiner Arbeiten, ihre weiche, schwimmende,
dem durchsichtig-glasigen Material vortrefflich an-
gepaßten Modellirung, seine brillante Technik mit dem
herausflimmernden, metallischen Schimmer der Unter-
lage bezw. Folie verrathen den mit seinem Material
aufs Innigste verwachsenen Künstler. Die Zeichnung
ist sicher und weich und seine Darstellungen von einer
ungesuchten, packenden Symbolik. Da ist eine ganze
Reihe von Frauenköpfen, auf kleine quadratische
Plättchen gemalt, welche den „Glanz der Edelsteine"
versinnbildlichen; ein ganz vorzüglicher Vorwurf für
eine Ausführung in Email, dem Hirtz auch vollkommen
gerecht geworden ist. Wie der „Opal", aus viel-
farbig schimmernden Wasserfluthen auftauchend, den
Beschauer so räthselhaft anblickt, wie der „Rubin"
mit seinem tiefen Inkarnat unter rothglühendem Reb-
laub sich halb versteckt, das ist alles ganz vortrefflich
erdacht und durchgebildet. Und so ist jeder der sonst
noch symbolisch dargestellten Edelsteine, der Smaragd,
der Saphir u. s. w. treffend und glücklich veranschaulicht.
Eine größere Darstellung ist nach Levi Dhurmers
Entwurf ausgeführt; die erwähnten Frauenköpfe
zeigen ebenfalls eine starke Verwandtschaft mit
Dhurmers Art.
Weniger modern, aber mit äußerst vornehm
wirkenden, gediegenen Leistungen tritt Grandhomme
auf. Seine Ausstellung besteht hauptsächlich aus
Porträts von tadelloser Durchbildung, worunter
namentlich eines von Roty, dem berühmten französischen
Medailleur, auffällt. Die Fleischtöne sind kühl, an
Limoges erinnernd, die Modellirung sehr ruhig,
plastisch und weich. Der Hintergrund ist wundervoll
behandelt, tieftonig, spielend, von milchig-opalisirenden
Flocken durchsetzt. Grandhomme neigt in Darstellung
und Farbenstimmung ersichtlich zur Renaissance; er
liebt das tiefe, durchsichtige Emailroth, er liebt
Renaissancekostüme, wie denn zu seinen schönsten,
ausgereiftesten Leistungen das mit ausgestellte Brust-
bild eines jungen Mannes in Renaissancetracht gehört.
Dem selbstständigen Werth seiner künstlerischen
Leistungen, die durchaus auf demBoden eines modernen
Kunstempfindens erwachsen sind, kann das keinen
Abbruch thun.
Die kunstgewerbliche Verwendung des Emails

pflegt FeuillLtre, dessen Ausstellung in dieser Be-
ziehung eine höchst erquickliche und erfreuliche Leistung
darstellt. Seine Spezialität scheinen Arbeiten in Email
ä jour zu sein, wobei der Körper des Gegenstandes
aus Filigrandraht, also durchbrochen, hergestellt wird,
und die Zwischenräume mit durchsichtigem Email ge-
schlossen werden. Die farbig leuchtende Wirkung
solcher Arbeiten ist außerordentlich und der deutsche
Ausdruck: „Fensteremail" dafür sehr bezeichnend; denn
es ist wirklich etwas von der Dekorationswirkung der
farbigen Fensterverglasung darin. — Das kürzliche
Tellini-Jubiläum weckt die Erinnerung an die
phantastische Beschreibung, welche der große Künstler-
Goldschmied von der technischen Ausführung solcher
Arbeiten gegeben hat; er hat damit seinen modernen
Jüngern die Wiederaufsindung derselben mehr als
nöthig erschwert, denn in der That, die Herstellung
von Fensteremail ist technisch eine verhältnißmäßig
einfache Sache. Doch dies nur nebenbei.
Bei solchen Arbeiten muß natürlich die in kräftigen
Drahtzügen ausgeführte Zeichnung eine besonders
große Rolle spielen. Bei FeuillLtre ist nun gerade
die Zeichnung höchst originell, von einem Neichthum
und einer Phantastik, welche an orientalische Kunst-
leistungen erinnert. Ein glücklicher Griff erscheint es
mir, daß der Künstler mit Vorliebe dem Wasser ent-
lehnte Motive verwendet hat. Es stimmt das gut
zu dem schwimmenden Lichte, in welchem die Dar-
stellungen sich dem Auge des Beschauers darbieten.
So hat eine zierliche Kassette als Kompositionsthema:
„Die Wunder des Meeres", das bei einer großen,
von getriebenen Seepferdchen getragenen Zierschale
nochmals variirt erscheint. Die Farbenstimmung ist
der Hauptsache nach grünblau, mit milchig opalisirenden
Tönen bereichert. In der schwungvollen Zeichnung
der Fischchimären wird man manchmal unwillkürlich
an unfern deutschen Meister Seder erinnert.
Außerdem stellt der Künstler noch Ziergesäße, in
Silber getrieben und emaillirt, aus; die plastische
Durchführung derselben befriedigt nicht immer; da-
gegen ist die Behandlung der Lmaillirung meisterhaft.
Es ist eine kühl opalisirende, silberig-helle, schimmernde
Farbenstimmung in diesen Arbeiten zum Ausdruck
gebracht, die in bestem Sinne modern genannt zu
werden verdient. Daß eine leichte Neigung zum
Gistigwerden sich manchmal bemerkbar macht, soll
nicht verschwiegen werden. Vorzüglich gelungen ist
eine dreiseitige Vase, mit einem Silberdistelmotiv
dekorirt, und ein rundliches Väschen mit Kastanien-
blättern. Auch landschaftliche, tieftonige Darstellungen
auf Gefäßen sind einige vorhanden.
Aehnliche Arbeiten stellt Thesmar aus, der eben-
falls die Email L jour-Technik mit Vorliebe zu pflegen
scheint. Seine Ornamentik ist abgewogen, maßvoll,
überlegt, vielleicht da und dort etwas nüchtern. Seine
Farbengebung ist frisch und harmonisch, wenn auch
nicht gerade sehr fein — kurz, das Ganze macht einen
sehr guten, aber eigentlich keiner: künstlerisch-originellen
Eindruck.
Die Ziergefäße treten bei de Mandre in den
Hintergrund: er verlegt den Hauptschwerpunkt
seiner Thätigkeit auf die Malerei in Email. Seine
Auffassung stellt etwa eine Vermittelung dar zwischen
der alten, vornehmen Limogestechnik und der modernen,
vielfarbigen Behandlung. Die Bilder de Mandres,
— meistens Figurenstücke — fallen auf durch ihren
für Email ziemlich beträchtlichen Maßstab und die
flotte, breite, kecke Malweise, die nichts verrathen von
der sonst in diesem Material so verbreiteten ängstlichen
 
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