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Die Kunst-Halle — 6.1900/​1901

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Nummer 6
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Zimmern, Florenz: Neue Florentiner Keramik
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https://doi.org/10.11588/diglit.65263#0102

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Die Aunst-Halle

Nr. 6

8H

Terrakotten von Signa. Den Besuchern von Florenz
ist die malerisch aus den Hügeln etwa eine Stunde
unterhalb der Stadt gelegene kleine Ortschaft Signa
wohlbekannt. Aus dem Terrain, das vorzügliche
Thonlager enthält, haben die Signori Bondi, reiche
Florentiner Bankiers, Landbesitz inne, und sie gründeten
daselbst, um der armen Bevölkerung Arbeit zu geben,
vor mehreren Jahren die genannte Industrie. Ver-
suchsweise und ganz im Kleinen wurde mit der Re-
produktion der besten Kunstwerke aus Italiens
Vergangenheit begonnen. Ls wurden mit vieler
Sorgfalt und ohne der Mühen und Kosten zu achten,
Modelle aus den Museen Italiens und anderer Länder-
beschafft, und dann von diesen Vasen, Fontänen,
Madonnen, Masken u. s. w. die denkbar genauesten
Nachbildungen erzielt; nicht nur der Form nach, sondern
auch im Farbenton der Originale, mochte deren
Material nun Bronze, Terrakotta oder Marmor
sein. Mittelst Farben und einer künstlichen Patina,
deren Herstellung das Geheiinniß der Fratelli Bondi
ist, wird das den alten Kunstwerken eigenthümliche
stumpfe Aussehen und was an sonstigen Merkmalen
der Zeit ihnen anhaftet, hinzugethan, wobei es natür-
lich nicht auf eine Täuschung des Publikums abge-
sehen ist. Die Preise für diese meisterhaften, künstle-
rischen Kopien sind so niedrig gestellt, daß deren Er-
werb selbst die bescheidensten Mittel nicht übersteigt.
Bald sahen sich denn die Gebrüder Bondi auch ge-
nöthigt, ihre Fabrik zu vergrößern und ihre Sammlung
von Modellen zu erweitern. Line Ausstellung ihrer
Erzeugnisse ist vor einiger Zeit im Erdgeschoß des
Bondischen Bankhauses eingerichtet worden. Das
Haus ist, beiläufig bemerkt, der alte Palazzo dei
Vechietti, an dessen Fassade noch Gian Bolognas bei
rühmte Bronze „Der Teufel" hängt, welche eigens
für dieses Haus geschaffen wurde, und von der die
fetzigen Besitzer eine treffliche Reproduktion geliefert
haben. Der Ausstellungsraum ist ein förmliches
Museum vor: Werken aus den schönsten Lpochen
italienischer -Kunst. Da sieht inan in dichter Reihe
die Madonnen eines Agostino di Duccio, die Reliefs
eines N. Pisano, die Hutten Donatellos, Lhristus-
kinder des Desiderio da Settignano, Statuen von
Verrocchio, Mino da Fiesoles marmorne Traum-
gebilde; dann antike römische Amphoren und Vasen,
etruskische Aschenuruen, Iuwelenkästchen aus der
Renaissance, solche nut reicher Verzierung aus dem
f6., andere in den mehr ernsten Formen des sch
Jahrhunderts; Haut- und Basreliefs von der
Lertosa di Pavia und florentinischen und vene-
tianischen Palastfassaden, grinsende Frauenköpfe und
Imitationen alter Elfenbeinschnitzereien und das Alles
in einer Wiedergabe, die bei jedem Stück die reinste
Korrektheit der Form mit genauer Beobachtung des
ihm durch die Zeit verliehenen Farbentons vereinigt,
wie anders berühren doch diese Terrakotten, als die
gewöhnlichen Kopien, diese kalten, lieblosen Abbilder,
die weder die ursprünglichen Farben der Modelle, noch
die mit der Zeit erworbenen aufweisen, und überdies,
wo sie nicht grade unsympathisch wirken, doch nur-
dürftige Hilfsmittel für unsere Vorstellung bieten. In
der That sind unter den hier vorhandenen Repro-
duktionen manche, die von dem geübtesten Auge mit
dem Original verwechselt werden könnten. Diese
Vollendung mag großenteils auf einem atavistischen
Grundzuge der Bevölkerung beruhen. Die Jahr-
hunderte künstlerischer Traditionen verleugnen sich nicht
ganz, sie erleichtern es den Arbeitern, die Pfade ihrer
Vorfahren zu wandeln. Geschicklichkeit und Kunst-
fertigkeit sind dem Italiener noch heute angeboren.

And nur der wirtschaftlichen Lage, politischen Unfreiheit
und dem Einfluß einer allgemeinen Geschmacksent-
artung ist der sonderbarerweise in den italienischen Kunst-
erzeugnissen bemerkbare Verfall zuzuschreiben. Indessen
ist fetzt eine, ob auch langsame, so doch hoffentlich
sichere Wendung zum Besseren hier eingetreten.
Anfänglich gingen die Bondischen Terrakotten nur
ins Ausland, Engländer und dann auch Amerikaner
kauften sie zuerst. Nun aber sind auch die Italiener
zur Lrkenntniß des werthes und zur praktischen
Verwendung dieser Kopien gelangt. Sie werden
häufig von Kunstschulen und gewerblichen Lehrinsti-
tuten angekauft, um die bisherigen farblosen Gips-
modelle zu ersetzen. Und nicht selten wird man bei
Ansicht moderner Florentiner Paläste durch Friese und
in den dazu gehörigen Gärten durch Fontänen über-
rascht, die an die herrlichste Blüthezeit italienischer
Kunst gemahnen. Es sind eben die Bondi'schen Re-
produktionen. Auch in den Kirchen sieht man Weih-
wasserbecken und Muttergottesbilder, die Schönheit
mit Billigkeit vereinen, anstatt der früher oft nur zur
Verunzierung der Kapellen dienenden Machwerke.
Das Unternehmen hat sich von der antiken Kunst
auch auf die moderne erstreckt. Die Künstler sind
schon dahinter gekommen, wie vortheilhaft es für sie
ist, sich dem gemeinen, aus den Händen der Herren
Bondi veredelt hervorgehenden Material zuzuwenden
und ihnen Modelle zum Neproduziren herzustellen. Zum
Beispiel eines der gesuchtesten Stücke der Sammlung,
ein Lavabo, ist von keinem Geringeren entworfen,
als Professor Hildebrand, dessen zweite Heimath be-
kanntlich Florenz, oder vielmehr die Abhänge von
Bellosguardo geworden. Das Modell stellt einen
Faunkopf dar, von dessen Hörnern Traubenbüschel
und Weinblätter herabhängen, und es trägt folgende
griechische Inschrift: üoms,. Dieses Lavabo
dürfte freilich kaum für eine Kirche paffen, desto vor-
züglicher aber in einem Garten oder Orangeriehaus
am Platze sein. Ls ist aber noch eines von dem-
selben Bildhauer da, das ganz im Renaissancestyl
gehalten, als eine Arbeit aus der besten Periode
italienischer Kunst passiren könnte.
Neben der Terrakotta ist noch anderes Material
gleicher weise zu einer künstlerischen Verwerthung
gelangt, welche eine Wiederbelebung der in Italien
nicht so glanzvoll betriebenen Majolika- und anderer
Töpferkunst verheißt. Unlängst haben die Herren
Lantagalli und Ginovi mit einer Verbesserung
der Formen, der Glasur und der Farben auf diesem
Gebiet begonnen und zwar, um die gewöhnlichsten
Hausgeräthe kunstsinnig zu gestalten. Besonders hat
Lantagalli für solche zum täglichen Gebrauch be-
stimmten Gegenstände mit Glück die phantastischen
Formen der Keramik der beiden vorigen Jahrhunderte
nachgeahmt. Leider ist nur die Glasur etwas zu dick
und dabei nicht so fest haftend, wie es z. B. für
Tischgeschirr, das täglichem waschen und oft unvor-
sichtigem Berühren unterworfen ist, nothwendig wäre.
Seine rein dekorativen Reproduktionen sind aber meist
vorzüglich gelungen — die maurischen Schüsseln,
Fayencen und Gubbio-Mafoliken, bei denen er ganz
den metallischen Lüster der Originale erzielt hat. Gut
sind auch seine Estrichfliesen, nur seine Della Robbia-
Imitationen sind — es giebt kein anderes Wort
dafür — scblecht. Das weiß ist zu kreidig, nicht trans-
parent, die blauen Töne sind kraß und ermangeln des
„skumLture", das einen Hauptreiz dieser Meisterstücke
bildet, zu grell sind auch die grünen und" gelben
parthien.
Daß aber eine Wiederbelebung auf diesem Gebiet
 
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