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Die Kunst-Halle — 6.1900/​1901

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Nummer 6
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Jessen, Jarno: Berliner Kunstsalons
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https://doi.org/10.11588/diglit.65263#0106

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88

4- Die Nun st-Halle -4

Nr. 6

zärtelten Frauensxezies gerecht. Dennoch leidet der Fleisch-
ton unter einer bläulichen Nuance, und der Stoffcharakter
verschwindet unter glatter Malerei. Neben diese Spenden,
die den verschiedenen Richtungen des modernen Salon-
geschmacks genug zu thun streben, zeigen sich die grund-
tüchtigen, vornehmen Arbeiten des Holländers Antoon
van Welie als auf den Spuren älterer Vorbilder
wandelnd. Lin Meisterstück individueller Schärfe ist das
Porträt „Eugen d'Alberts". In diesen Angen spiegelt
sich die besondere Persönlichkeit, während der stimmungs-
volle Landschaftshintergrund wie eine symphonische Be-
gleitung anklingt. Ebenso vorzüglich ist das Porträt der
„Frau H.", deren klares, gütiges Antlitz in der Um-
rahmung des Silberhaares die natürlichen Mängel ihrer
Gestalt vergessen läßt. Wie vortrefflich sind hier Gesicht
und Hände wiedergegeben, wie vornehm der gesammte
Farbenakkord des Bildes. Welle bestätigt der: günstigen
Eindruck, den frühere Arbeiten hinterließen. W. L. Bruck-
man, einer der neuaufgehenden Sterne des Londoner
Kunstlebens, erscheint in seiner „Königin der Eitelkeit"
gesucht und fahl trotz hervorragender zeichnerischer Qualität.
Sein „Idyll" ist trotz zarter Valeurs unklar und erinnert
stark an das im Motiv überraschend ähnliche, nur bei
weitem höher stehende Werk piglheins.
Die Gruppe der in Venedig schaffenden Künstler zeigt
sich meist als Stimmungslandschaster, denen die Luft- und
Lichtpoesien ihrer Lagunenstadt unerschöpfliche Stoffe liefern.
Sie stehen bei den hier ausgestellten Arbeiten sämmtlich
nickt auf der Höhe ihrer Leistungen. Meister G. Eiardi
bevorzugt den Tag und die sonnendurchschimmerte Athmo-
sphäre, die die einzigen Architekturen Venedigs wie
Gebilde einer Fatamorgana auftauchen läßt. Der ziehende,
gleitende Strich, den er auf dem Bilde „Poesia venetiana"
für sein Wasser anwendet, scheint weniger zur Darstellung
der Wolken geeignet. Sein Sohn Beppo Eiardi liebt
den Dämmer, das geheimnißvolle Mondlicht auf den grau-
schimmernden Bauten der Wasserstadt. Aehnliche Elegien
malt Bezzi in feinen Lichtstudien. Fragiacomo ist melancho-
lisch wie Laurenti. Er liest diese Stimmungen vom Antlitz
der Natur, während Laurenti Menschengesichter zur Aus-
sprache seiner Seele bedarf. Fragiacomo ist Lyriker,
Laurenti mehr Dramatiker, Fragiacomo ist schlicht und
innig, Laurenti voll grüblerischer Phantasie. In Fragia-
comos „Heimkehr vom Fischfang" liegt ruhevolle Abend-
stimmung über dem baumbestandenen Ufer und dem Wasser.
Sein „Frühling" ist in fahlen, lichten Farben gehalten.
Die frühere, glattere Malweise des Künstlers ist dem
neuerdings von ihm beliebten patzigen Farbenauftrag ent-
schieden vorzuziehen. Laurenti wollte in seinem „Hirten-
leben" ein Stück Naturxoesie, das seinen intensivsten
Ausdruck in dem tiefen, erwartungsvollen Blick der Hirtin
findet. In seinen bedeutungsvolleren Leistungen wird der
interessante Künstler dem Berliner Publikum erst später
gezeigt werden. Seinen ganz persönlichen Stil des Fühlens
hat sich der seltsame Böcklinschwärmer Marius de Maria
oder Marius Pictor bewahrt. Er schwelgt in grün-
lichen, merkwürdig gespenstisch aufgehellten Naturbildern.
Jedes seiner Werke ist ein neues Bekenntniß aus einer
Romantikerseele, die in echt romantischer Art einen Hang
nach dem Gruseligen verräth. Dennoch bemüht sich Marius
Pictor um technische Gründlichkeit und erzielt in seinem
„Stillen Abend" etwas wie Salvator Rosas Abenteuerlich-

keit. Seine Gesammterscheinung hinterläßt die Empfindung
von etwas Angekränkeltem, ob auch Einzelnes packt wie
eine balladeske Schöpfung Edgar Allen Poes, oder wie die
Musi? Saint - Saöns. Farbenleuchteud und formenschön,
ein wahres Augenlabsal, ist eine italienische Straßenszene
des leider verstorbenen Meisters Favretto.
Der Berliner Landschafter Müller-Kurzwelly be-
weist in einer größeren Kollektion seine unermüdliche
Schaffenslust im Dienste der schönen Natur. Unbekümmert
um moderne Dogmen malt er Ausschnitte aus allen
Jahres- und Tageszeiten, aus dem Wald- und Wasser-
reich mit des Poeten feinem Gefühl und des Routiniers
Geschick. Eine liebenswürdige Poetenseele zeigt Ieanna
Bauck aufs Neue in ihrem „Winterabend". Ueber
schmutzigen Schnee und entblätterte Aeste weiß sie ein
versöhnendes Abendsonnenroth zu gießen, den warmen
Hauch eines optimistischen Künstlerherzens. Ebenso ist ihr
sedriger „Herbststrauß", eine Symphonie in Grau mit
einigen tiefer gestimmten Begleittönen, eine vornehme
Schöpfung. Eine Sammlung graziöser Vallgrenscher
Bronzen zeigt aufs Neue des Künstlers Streben, puppen-
haften, weiblichen Figürchen moderne Hypergefühle an-
zudichten. Kuno von Uechtritz giebt in feinen
polychromen Porträtköpfen charakteristische Nationaltyxen.—
Fritz Gurlitt hat eine kleine, aber sehr gewählte
Weihnachts - Ausstellung bereitet. Hier kommt der Fein-
schmecker auf seine Kosten. Eine Reihe liebenswürdiger
und schönheitsfroher Schöpfungen von Sperl zaubert
Sommerlust in unsere winterlichen Tage, wir sehen den
würdigen Freund Leibls sein geliebtes Aibling in immer
anderen Ausschnitten nachgestalten. Bald ist es nur ein
weißgrau schimmerndes Bauernhaus mit einem herrlich
gemalten Laubbaum vor seiner Thür, bald ein Stückchen
sternblumenübersäter Matte, oder Leibls Garten mit seinen
Rosenbüschen und Vbstbäumen, was ihm den Pinsel in
die Hand zwingt. Immer schafft die gleiche Liebe eines
echten Naturfreundes an diesen kleinen Tafeln. Eine
„Gärtnerei" in ihrer reichen Bauerntracht wird unter
Sperls Händen zu einem Knausfchen Genrebilde. Er
verfeinert allerdings jeden Vorwurf, aber das Fluidum
einer edlen Künftlerseele strömt so fühlbar, daß Sperl
zu den echten Freudespendern im Künstlerbereich zählt.
Meister Thoma ist in drei Werken zu sehen. Sein
„Frühlingsmärchen" mit den anmuthigen Pulten und der
aumuthigen Flora ist voll zarter und neckischer Reize.
Hans Mlde steht im Porträt auf seiner Höhe und
erfreut in diesem Gebiet besonders in Lithographien. Dah-
er ein berufener Darsteller Klaus Groths ist, hatte er
bereits bewiesen. Seine Liebe zu dem Dichter sollte ihn
davor bewahren, ein so unerquickliches Bild wie den Poeten
auf dem Todtenbett zur Schau zu stellen. Auf der Land-
schaft „Im Schnee" zeigst er feine Neigung zur Farbigkeit,
er begeht jedoch eine starke Verirrung in der gemauerten
Art der Schneedarstellung. Wie fein behandelt Asmussen
den weißen Duft der Winterlandschaft in feinem frei-
zügigen Pastellbilde. Der vortreffliche Jacques Dierks
weiß seine Armeleutemalerei in so vornehmen Valeurs zu
halten, daß er immer künstlerisch wirkt. Ein Hochgenuß
ist das Studium der „Madonna" des Antwerpener L. van
Hove, der mit dieser kleinen Perle auf den Spuren
altflandrischer Meister wandelt. In drei Werken ist
Schennis' romantischer Klassizismus vertreten. Verwandte
 
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