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Die Kunst-Halle — 6.1900/​1901

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Nummer 7
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Jessen, Jarno: Berliner Kunstsalons
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https://doi.org/10.11588/diglit.65263#0124

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rennbar. Line Bronze-Vase giebt sich in den syrupartig
fließenden Formen der unverfälschtesten „Moderne"; zwei
Statuetten, „Wahrheit" und „Natur", reproduziren in steif
nüchterner Realistik dasselbe dürftige Modell. Dagegen ist *
ein Mädchen aus der Puszta, lebensgroße Büste in Marmor
und Bronze, von weicher Anmuth und zierlicher Schönheit.
Mehrere kleine Bronzen von L. Lauer, darunter auch die
bekannte Gruppe „Durst", bieten außer dieser kaum Be-
merkenswerthes. Zwei Bronze-Profil-Reliefs des Kaisers
und der Kaiserin Friedrich von Reinhold Begas (älteren
Datums) zeigen ungewöhnlich glatte Arbeit, dafür aber
auch eine kaum geistreich zu nennende Auffassung. G. A.
Bormanns „sterbende Sphinx" ist eine an geeigneter Stelle
(ähnlich wie im Vorgarten) vielleicht nicht unwirksame
dekorative Schöpfung nicht gerade reizvollen, aber tüchtigen
Charakters. —
Der Besuch des Salons von Bruno und Paul
Lassirer giebt uus im Wesentlichen nur Anlaß von zwei
Lichtpunkten zu sprechen.
Den ersten bildet Karl Strathmann-München. Ls war
bisher etwas schwierig, sich klar zu machen, was ein augen-
scheinlich so talentvoller und viel könnender Künstler sich
bei seiner Produktion wohl eigentlich denken mochte. Das
wird hier — bis zu einem gewissen Punkte wenigstens —
klar. Man erkennt, daß er sich in der Regel im Dar-
stellungsmittel vergreift. Lr ist gar kein übel veranlagter
Ornamentist (man sehe seinen ornamental behandelten
„Fisch"!), und er ist vor allen Dingen ein beinahe genial
zu nennender Humorist und Karikaturenzeichner.' Sind
auch „der Herr Graf" und „In Abwesenheit der Herr-
schaften" Chargen der allerverwegensten Art, so sind sie
doch auch von einer Schärfe der Beobachtung und von
einer Kraft der Gestaltung in Uebertreibungen, wie sie
nicht oft gefunden wird. Die Idee, einen „Feftzug" im
wesentlichen nur als Kavalier-Perspektive auf eine Anzahl
frisch gebügelter Zylinderhüte darzustellen, kann nicht glück-
licher in zwerchfellerschütternder Nnverdrossenheit ausgeführt
werden; und dürfte man die genügende Unbefangenheit
voraussetzen, um die „Dorfmusikanten im Schneegestöber"
(in Mel, ziemlich groß!) für eine bewußte Persiflage ge
wifser Wunderlichkeiten in der allerneueften Malerei nehmen
zu dürfen, so könnte das Vergnügen an der Leistung ein
ganz uneingeschränktes sein. Auch das „Bauernrennen" —
auf Schweinen! — strotzt von drastischer Komik. Ueber
andere Leistungen ist es freilich auch wieder recht schwer
Hinwegzukommen. Lin wunderlicher Heiliger und ein
psychologisches Problem von einiger Unheimlichkeit bleibt
der Künstler somit durchaus.
Den zweiten, positiveren Lichtpunkt bilden zwei Bilder
von Hans Thoma-Karlsruhe: „Rheinfall" und „die Edel-
tanne". Line gewisse hölzerne Härte theilen die Bilder
mit allen früheren des Meisters, und nicht weniger als in
diesen bleiben die großen Farbenflecke erstaunlich unmodulirt
und von Stoffbezeichnung entfernt. Aber es liegt ein
grimmiger künstlerischer Lrnst in diesem ganzen Wesen, und
die allgemeine künstlerische, speziell malerische Wirkung ist so
packend wie nur in den besten seiner früheren Arbeiten.
Die große Sonder-Ausstellung des Weimarer Freiherrn
von Gleichen-Rußwurm enthält nur in einigen Radirungen
der Verständigung Zugängliches, 'sonst — meines unmaß-
geblichen Trachtens wenigstens — durchaus Mrzulängliches.
Line hübsche Vorrede zu der Sache bildet die gute farbige
Büste des Künstlers von Max Kruse-Lietzenburg. —

Ium Schluffe sei auch noch des Salons Za es lein
gedacht, in dem bei ziemlich schnellem .wechsel in der
Regel mancherlei Anziehendes gefunden wird, vorangestellt
sei eine beispiellos kühne Bismarck-Zeichnung Lenbachs aus
dem Jahre t8gq> Line „Luna" von Gabriel Mar, Brust-
bild, ist ein charakteristisches Werk. Adolf Menzel wird
durch eine fabelhafte Zeichnung einer Parkpartie repräsentirt.
Von Ferdinand Schauß findet sich eine ansprechende Kopf-
studie eines Knaben und ein kleiner weiblicher Akt „im
Freien", liegend, vom Rücken gesehen, der ein sehr weit
zurück liegendes Werk des Meisters (jetzt in Wien! in die
Erinnerung ruft. Oswald Achenbach schildert so malerisch
und kraftvoll wie je die Läzilia Metella bei Rom mit
ihrer Umgebung. Franz Defregger erscheint mit einer
liebenswürdigen und meisterlichen Studie zu „Auf der
Alm". Von M. Nyl ist ein großes Bild mit vorzüglich
gemalten Theerofen vorhanden. Sodann verdienen drei
ausgezeichnete kleine Brider spanischer Meister Erwähnung:
Moreno Larbonero-Madrid zeigt uns glückliche Eltern, die
sich an den Tanzkapriolen ihres kleinen halbnackten Jungen
ergötzen. Einen figurenreichen Halt anscheinend von Pferde-
händlern schildert in ganz kleinen Figürchen in der be-
kannten zierlichen Detaillirung und durchsichtigen Helligkeit
I. Agrasot. Eine belebte spanische Volksszene ähnlichen
Charakters, nur noch überlegen durch reiche Individualisirung,
rührt von B. Galofre-Barcelona her.
Aucb die Plastik ist nicht ganz nnvertreten. Außer
einer bekannten Tänzerin von Franz Stuck in Bronze findet
sich eine etwas glatte, aber doch lebensvolle jugendlich männ-
liche Büste von G. Maltese-Ischia und von demselben eine
kleine Gruppe von neapolitanischen Knaben, deren einer
dem anderen einen auch sonst in der Kunst gelegentlich
dargestellten nicht zu appetitlichen Liebesdienst leistet.
Bruno Meyer.
2. Die Eröffnung des Salons Wertheim.
Der mit einer gewissen Berechtigung mißtrauisch aus
genommene Kunstsalon werthei m hat vorläufig
kritische Anfechtungen durch geschmackvolle Ausstattung und
ein gutes Mittelniveau seiner Darbietungen entwaffnet.
Die Verwechselung von Kunstprodukten mit Marktwaaren
lag beängstigend nahe, wo Lechters „Königin Mode" als
Schutzgöttin prangt, schien den Olympiern keine Stätte
geboten. Dennoch kennzeichnet der Eingang von der stillen
Voßstraße, wie der bezahlte Eintritt den Kunstsalon als
vornehmere Abtheilung des riesigen Kaufaauses, auch ist
auf den Einladungen und Katalogen vorsichtig die Bezeich
nung waarenhaus unterdrückt. Die Herren Loofchen und
Frenzel, denen die künstlerische Leitung des neuen Salons
anvertraut ist, haben in seiner Innenausstattung eine ein-
heitliche moosgrüne Grundfarbe bevorzugt. Nur einiges
frifcbes Grün und weiße Azaleenbäume bringen eine leb
haftere, doch unauffällige Nüanze in das ernste Gepräge
des Ganzen. Ls ist hier eine Anzahl Berliner Künstler
mit Bildern vertreten. Von den Veranstaltern zeigt sich
Frenzel mit einigen prächtigen Thierstncken in herz-
erfreuenden Landschaftsrahmen in gewohnter Trefflichkeit.
Looschen, der selbst Geschmack und Geist hat, beweist,
wie häufig er durch fremde Brillen blickt und wie Kn-
qleiches er leistet. B rächt, der mit Recht beliebte Künstler,
muß den Vorwurf hinnehmen, daß seine Landschaftsbilder
trotz aller Lobpreisungen neuerdings eine Abwärtsentwick-
lung anzudeuten scheinen. Seine poetische Naturauffassung
 
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