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Die Kunst-Halle — 6.1900/​1901

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Nummer 11
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Herain, Jan; Kamper, Jaroslav: Das Lusthaus der Königin Anna in Prag
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s66 <—-4- Die Aun st-Halle

König der Bildhauer Paolo della Stella nach Prag be-
rufen, der hier am 25. Mai (538 mit (3 Gehilfen aus
Genua ankam Bald überwarf sich aber Stella mit Spatio
und das gegenseitige Verhältniß gestaltete sich zu einem
so unerquicklichen, daß Spatio bereits im November desselben
Jahres Prag verließ und sich nach Wien begab, wo er
beim Bau der Stadtbefestigungen und sonstigen königlichen
Bauten die Leitung übernahm. Er starb (553 in Wiener-
Neustadt.
Nach Spatio übernahm die Leitung des Baues des
königlichen Lusthauses über Stellas Empfehlung sein Ge-
hilfe Juan Maria de Sxeciecasa. An dem Bau arbeiteten
neben italienischen auch böhmische Steinmetzer, und wurde
derselbe auf Landeskosten (aus der königlichen Kammer)
geführt; doch im Jahre (539 begannen die Bauarbeiten
wegen Mangels an Geldmitteln zu stocken. Km dieselbe
Zeit wurde gegen die italienischen Steinmetzer die Anklage
erhoben, daß sie sich punde halten, die im Pirschgraben
die Rebhühner abfangen und nicht nur an wild, sondern
auch an Bäumen und seltenen Sträuchern bedeutenden
Schaden verursachen. In einem am 2. Mai (5-(0 in Wien
datirten Schreiben droht der König den Steinmetzern mit
der Entlassung und verschiedenen Strafen an, falls sie
auch fernerhin ihre punde in den königlichen Garten
führen sollten. Unter Einem wurde auch der niederöster-
reichische Gberbaumeister Johann Tschert nach Prag ent-
sendet, um hier den Bau des Lusthauses zu beaufsichtigen.
Line weitere Unterbrechung erlitt der Bau, als Paolo
della Stella im Vereine mit dem zweiten nach Prag ent-
sandten königlichen Baumeister, Pans Tirol, vorn König
Ferdinand dem Ersten mit dem Wiederaufbau des einge-
äscherten Theiles der Königsburg und des St. veitsdomes
betraut wurde, die bekanntlich der verhängnißvollen Feuers-
brunst vom 2. Juni (5-(( Zum Mpfer sielen, die den
größten Theil der Kleinseite und des pradschins verheert
hatte. Bis zum Jahre (5^ ruhte der Bau, dann wurden
die Arbeiten unter der Leitung von Paolo della Stella
und Juan de Sxeciecasa wieder ausgenommen, aber zwei
Jahre später trat wegen Geldmangels eine neuerliche
Stockung ein. In den ersten Tagen des (Oktobers (552
verschied Stella eines plötzlichen Todes und Bonifaz wol-
muth wurde sein Nachfolger. Doch wegen knapper Geld-
mittel konnte der Bau nur langsam fortgesetzt und im
Jahre (555 mußte er wegen des türkischen Krieges ganz
eingestellt werden. Um dieselbe Zeit — am 27. Juni (555 —
erfolgte die Grundsteinlegung zu einem anderen Lusthause,
dem vom Sohne Ferdinands des Ersten, dem Erzherzoge
Ferdinand, gegründeten „Stern" auf dem Weißen Berge,
und der Bau desselben wurde Juan Maria de Sxeciecasa
übertragen, der zu diesem Behufe aus Ungarn, wo er seit
dem Jahre (553 bei einigen Staatsbanken die Leitung
inne hatte, berufen wurde. Im Jahre (556 wurde unter
wolmuth der Bau der Wölbungen des Lusthauses der
Königin Anna beendet und ein Jahr später führte der
Zimmermannsmeister Johann peidler aus Iglau nach
Spatios ursprünglichem Entwurf das Dach auf, das zum
Theile noch im selben Jahre mit Kupfer gedeckt wurde.
Am 9. November (585 fand im königlichen Garten
vor dem Lusthause ein glänzendes Fest im Beisein des
Kaisers, seiner Söhne und fremder Fürstlichkeiten statt,
und es scheint, daß damals der Bau schon vollendet war,
obzwar zur inneren Ausschmückung des Lusthauses noch

Manches fehlte. Ueber Befehl des Kaisers, gegeben am
(. Juni (56(, ließ wolmuth das Dach mit Oelfarbe,
roth-weiß nach Art der Felder auf dem Schachbrett ge-
streift, anstreichen, auf beide Schmalseiten des Daches wurde
der böhmische Löwe aufgemalt und auf dem Dachfirst
auf beiden Seiten vergoldete Knäufe mit dem Kaiseradler
angebracht. In einem am 23. Februar (563 gegebenen
Schreiben befahl der Kaiser dem Erzherzog Ferdinand
als Landesverweser des Königreiches Böhmen, dafür Sorge
zu tragen, daß der hölzerne Fußboden der oberen Gallerte
durch einen solchen von Marmor ersetzt, der Bau der
wälschen Kammer vollendet und das Regenwasser von
der Gallerte durch kupferne Röhren mit Wasserspeiern
abgeführt werde, um die Wölbungen und das Mauerwerk
zu schützen. Am 5 November desselben Jahres meldete
bereits wolmuth dem Kaiser, daß der marmorne Fußboden
gelegt, das Dach roth und weiß gestreift und mit dem
böhmischen Löwen geschmückt sei und daß Meister Lampion
demnächst mit dem Bau der Kamine beginnen werde.
Nachträglich stellte es sich heraus, daß der Marmor-Fuß-
boden der oberen Gallerte zu schwer sei, und so wurde
derselbe wieder durch einen solchen aus Lärchenholz ersetzt*).
wenn wir von dieser Veränderung absehen, so können
wir das Jahr (56H als den Zeitpunkt der Vollendung
auch des inneren Schmuckes, namentlich jenes im ersten
Stockwerke, erachten. Unter Maximilian dem Zweiten,
Rudolph dem Zweiten, Mathias und zuletzt unter Friedrich
von der Pfalz ((620), wo der pof auf dem pradschin
residirte, fanden im Lusthause zahlreiche Feste statt, aber
als dann das Poflager nach Wien übersiedelte, wurde es
hier öde und die gesammte innere Einrichtung verschwand
von hier, so daß man nicht einmal sagen kann, wo sich
einst die wälschen Kamine befanden. Bald nach dem
Regierungsantritt Josephs des Zweiten wurde das Lust-
haus im Jahre (780 in ein Artillerielaboratorium umge-
wandelt, und erst im Jahre (839, als Kaiser Ferdinand
nach seiner Krönung zum König von Böhmen das Lusthaus
besuchte, ließ er es über Fürsprache des Gberstburggrafen
Lhotek räumen. Aus den in die Einfassung der oberen
Gallerie und in die Lhambranen eingeritzten Namen und
Jahreszahlen ersieht man am besten, wie das Militär hier
gewirthschaftet hat. Unter dem Burggrafen Lhotek ver-
fiel man auf die Idee einer neuen Ausschmückung des
Lusthauses, und für diese Idee wurde der „Kunstverein"
gewonnen, der binnen einiger Jahre für den malerischen
Schmuck des oberen Saales 50000 fl. widmete. Im Jahre
(84(5 wurde im ersten Stockwerke unter Leitung des Pro-
fessors der Architektur an der Malerakademie Bernard
Gruber eine in künstlerischer Beziehung bedeutungslose
Treppe aufgeführt und einige Jahre später begann man
den Saal des ersten Stockwerkes mit vierzehn, denkwürdige
Szenen aus der böhmischen Geschichte darstellenden Wand-
gemälden auszuschmücken. Die Wahl der Szenen, die
malerisch dargestellt werden sollten, traf Franz palacky,
doch wurde sein Vorschlag zu Ungunsten des Ganzen zum
Theil abgeändert. Die Lartons zu sammtlichen Gemälden
entwarf der damalige Direktor der Prager Malerakademie,
Lhristian Ruben, und die Gemälde selbst führten im Laufe

*) (Quellen: „Jahrbuch der kunsthistorischen Sainm-,
lungen des allerhöchsten Kaiserhauses", V. bis XVl. Theil
Dokumente aus den Statthalterei-Archiven in Prag und
Wien, ferner Josef Svätek: sture ?ruü^" p. (260—(5H.
 
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