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Die Kunst-Halle — 6.1900/​1901

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Nummer 13
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Imhof, Franz: Berliner Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.65263#0236

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20§

Die Aunst-L)alle

Nr.

ungleicher Maler miteinander vereint. Wahrhaft proteische
Prozesse sind durchzumachen, um Jedem die rechte An-
passungsfähigkeit zu widmen.
Line arge Enttäuschung bereitet vorerst pudert von
perkomer. Der Universalismus seiner Schöpferkraft ver-
leitet ihn zu immer kühneren Experimenten Das Email-
porträt unseres Kaisers ist ein absoluter Mißgriff, eine,
trotz aller Mühseligkeit der Perstellung technisch und
dekorativ so verfehlte Leistung, daß jeder neue Ausstellungstag
als eine neue Bloßstellung des Künstlers erscheint. Auch
an seinen Porträts dokumentirt sich etwas von der hastigen
Mache des Modemalers. Er scheint seinen Gelfarben an
Weichheit und Zartheit abzuziehen, was er dem neuesten
Liebling seiner wandlungsfähigen Mule, dem Email, mit-
zugeben trachtet, wenn er uns diesmal nicht das meister-
hafte Bildniß „Doktor Williams" mitgebracht hätte, müßten
wir kopfschüttelnd von ihm gehen, wer eine Individualität
so schlicht und vornehm zu erfassen vermag und eine so
warme Farbenharmonie unter goldiger Dominante vollbringt,
wer auch stofflich so sorgfältig malt, beweist aufs Neue,
daß ihm sein Platz unter den Großen gebührt. Tonig
und stimmungsvoll wirkt er in seinen Malerradirungen,
deren schönes Naturempfinden sich uns mittheilt. Bei den
Leistungen Walter Lranes erstaunt uns ebenfalls die
Ungleichartigkeit des hier Gebotenen. Non kindischer Steif-
heit und Kraßheit zeigt er sich auf der naiven Allegorie
„Großbritannien als Port des Friedens". Er wandelt auf
den Bahnen des toskanischen Einquecentos in seinem „Raub
der Proserpina" und erreicht auf der zeichnerisch und kolo-
ristisch vornehmen Allegorie „Der Fremdling" den eigenen
Reiz englisch präraphaelitischer Gefühlsintensität, dem leider
auch die Geschraubtheit der Geste mitgegeben wurde. Linen
besonderen Genuß gewähren in dieser Bildersammlung die
Landschaften des Müncheners Gilbert vom Eanal. Er
liest die schwermuthvollen Stimmungen vom Antlitz einer
mehr anmuthigen, als großartigen Natur. Bewaldete
pügel, Flußlandschaften und Thalstille ziehen ihn in ihren
Bann, wenn die Dämmerung ruhevoll gebreitet liegt,
oder die Mondnacht ihren Frieden spendet, stimmt er in
tiefen milden Tönen seine Pinselhymnen auf der Leinwand
an, daß es den Beschauer umklingt wie musikalischer Wohl-
laut. Wohl hat er sich die technischen Fortschritte der
Gegenwart zu Nutze gemacht; aber seine Landschaften
wirken mehr im Sinne der romantischen Schöpfungen. Der
Dresdner Gotthardt Kuehl legt von seinem Fleiß und
seiner Vielseitigkeit genügende Zeugnisse ab. Ihn fesselt
ein Städtebild, eine Genreszene, wie ein Interieur, sobald
die Vorbedingungen der malerischen Reize, die sein Wohl-
gefallen wecken, erfüllt sind. So subtil und geschickt er sich
einerseits zeigt, ist er andererseits kraß und absonderlich.
Die „Augustabrücke in Dresden" bietet ihm in der abend-
lichen Beleuchtung des Pimmels und der Laternenlichter
mit dem Fernblick auf die Elbe, den zuckenden, flackernden
Schatten des Menschenverkehrs wie der Wasserreflexe ein
Stimmungsbild, das er in meisterhafter Behandlung der
Luft und der Perspektive festhält. von der modernen
Neigung, eine Farbe in ihren verschiedenen Nüanzirungen
nachzuschaffen, läßt er sich bei seiner Studie „Mädchen in
Blau" erfassen, während uns derartige vorwürfe im
Boudoir einer modischen Schönen natürlicher, obwohl immer
exzentrisch anmuthen, wirken sie bei einer Küchenfee zwischen
ihren Krügen und polzmobiliarien als schlimme Unnatur.
Mit malerischen Problemen wird hier ein seltsamer Miß-

brauch getrieben, ein ernster Künstler führt zu Gunsten
einer Moderichtung eine parlequinade auf. Karl Marr,
der vortreffliche Münchener, ist in dieser Ausstellung be-
sonders als Porträtmaler zu studiren. Er, dem die
schöpferische Phantasie des bedeutenden pistorien- und
Allegorienmalers verliehen wurde, liebt seinen Reichthum
auf die Darstellung des Einzelporträts zu konzentriren. Ls
ist interessant, hier der Wandlungsfähigkeit seiner Technik
nachzuspüren. Wie er das bekannte Bildniß seines Vaters
in absoluter Schlichtheit, markig gemalt und scharf
charakterisirt wiedergiebt, ist er bei dem Porträt eines
jungen Mädchens oder eines Kindes von der tonigen Duft-
heit und der dekorativen Grazie der Reynolds und Gains-
borough. Er paßt sich immer dem Typ seines Modells
unbedingt an; er steht den Porträtisten fern, die es meist
nicht unterlassen können, von des eignen Wesens Spur
eine Zuthat zu geben. In den Thierstücken peinrich
Zügels scheint moderne Technik nachgerade derartig im
Prinzip übertrieben, daß der Künstler sich zum Fanfaron
der Naturalisten und pleinairisten aufzuspielen beginnt.
Man mag die kolossale Plastik seiner Thierkörper anstaunen,
sie wirken wie bis zum Bersten angeschwollene Organismen,
die aus dem Rahmen zu fallen drohen. Pier glauben
wir eine gleiche Grenzüberschreitung erkenntlich, wie sie
die französiche Kritik neuerdings in der Menschendarstellung
Meister Bonnats rügt. Mögen sich die Naturalisten mühen
wie sie wollen, sie kommen ebensowenig ohne die formen-
zwingende Macht des Stils zu großen Schöpfungen, wie
jedes Künstlerthum, das etwas Bleibendes anstrebt Ebenso
ist das Freilicht nachgerade Zügel zum verhängniß ge-
worden. In der Leidenschaft, das ganze bewegliche,
sprühende Spiel der Sonnenstrahlen auf der Leinwand zu
zeigen, bringt er in manche seiner Bilder eine derartige
Unruhe und Unklarheit, daß auch das schärfste Auge die
Konkretheit der Formen nicht mehr festzustellen vermag.
So werden seine peerden und Baumgezweige zu einem
Pausen aufeinander gepackter Farbenstriche. Walter
Geffken zeigt in seinen Thier- und Menschenstudien oft
feine Arbeit. Er malt Volkstypen und Salondamen, Rea-
listisches und Mythologisches und liebedienert vorläufig
derart nach allen Seiten, daß die persönliche Note noch
nicht festzustellen ist. Frieda Menshausen ist in ihren
Pastellportraits geschmackvoll und überzeugt mit ihrer
Charakteristik. Das Portrait der weißhaarigen Dame in
silbergrauem Kleid gegen den orangefarbenen pintergrund
wirkt allzu gesucht und unkörperlich, wie auch bei ihrem
versuch einer modernen Dämmerlichtstudie die Natürlichkeit
der Physiognomie stark beeinträchtigt wird. Walter
Petersen ist ein feiner Porträtist graziöser Weiblichkeit.
Das Bildniß der pikanten, jungen Frau in weiß ist von
vornehmer Ausführung und voller Reiz der Individuali-
sirung, nur kommen die Fleischtöne etwas fahl heraus. In
einer Studie seiner entzückenden Gattin zeigt sich peinrich
von Angeli von großer Anmuth der Auffassung und
technischer Meisterschaft. Sein Porträt des Finanzministers
Miquel faßt die geistige Summe dieser Persönlichkeit
charakteristisch zusammen. Götter werden zu Götzen an-
gesichts von Besnards vielgepriesenem Rejane-Bildniß.
welcher Temperamentaufwand wird hier auf eine rosen-
rothe Damentoilette verschwendet, während die Trägerin
dieser kühnbewegten Stosswaffen zur Maske verzerrt erscheint.
Lin Theaterkoux vor den Koulifsen wird auf das Forum
der schönen Künste übertragen. Die reizende „Dame in
 
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