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Die Kunst-Halle — 6.1900/​1901

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Nummer 14
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Zur Museumsfrage
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Roderich, Paul: Düsseldorfer Kunstbrief
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https://doi.org/10.11588/diglit.65263#0251

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Nr.

4- Die Aunst-Halle

2s7

Forschungen meines Freundes Schliemann, die schließlich
dazu geführt haben — anfangs lächelte man darüber -
daß man allgemein die Ueberreste der homerischen Helden
in Mykene suchte. Heutzutage hat man sich überzeugt, daß
nicht dieser (Ort allein in Betracht kommt, sondern jene
aroße Kulturperiode sich über sämmtliche Mittelmeerländer
erstreckte und sich noch tief nach Aegypten hinein verfolgen
läßt, wer hat früher etwas von mykenischer Kultur ge-
wußt? Ich erinnere noch einmal an die überraschenden
Thatsachen, die sich in Beziehung auf das Münzwesen her-
ausgestellt haben. Heutzutage machen wir ja wieder neue
6M0N.68 im Münzwesen; aber sonst ist'eine zusammen-
hängende Reihe in den Münzen vorhanden, die sich bis in
das alte Assyrien zurückverfolgen läßt. Diese Betrachtungen
wollte ich hier einmal anregen, um den Gedanken etwas
näher zu bringen, daß diese Kulturentwickelungen sich nicht
dadurch abschneiden lassen, daß man nur die vollkommenste
Kultur nimmt oder die höchste Blüthe irgend einer Periode
heransgreift. wir brauchen die kleinen Zwischenstationen,
an denen man sieht, wie der menschliche Geist sich allmälig
herausgearbeitet hat und wie der fertige ouncm oder die
fertige Mode zu Stande gekommen ist. Ich halte es des-
halb für sehr wünschenswerth, daß zwischen den jetzigen
Abteilungen des Museums eine gewisse Verbindung her-
gestellt wird. Line solche Möglichkeit liegt sehr nahe, wenn
man sich die Aufgabe stellt, unsere eigene nationale Ent-
wickelung, also die speziell deutsche, in Verbindung zu
bringen mit der allgemeinen Entwickelung. Dazu gehört
dann freilich auch, daß man dem deutschen Alterthum eine
etwas größere Aufmerksamkeit zuwendel. wenn man z. B.
die Forderung nach einein deuischen Erachtenmuseum mit
der Bemerkung abthut, ein Erachtenmuseum ist doch nichts
weiter, als ein Museum früherer Moden, dann muß man
auch die ganze ägyptische Kunst verwerfen, die auch nichts
weiter ist, als eine Sammlung von Moden und onnouvs
ägyptischer Kultur. Andererseits halte ich es aber nicht
für nothig, daß inan nun für jede Periode endlose Spezimina
anhäuft zu Riesenquantitäten von Material, die ungefähr
immer dasselbe wiedergeben, wenn man von jeder afrika
irischen Lanzenform gleich 20—'»o Exemplare da hat, dann
kommt man allmälig zu einer Art von Lanzenzeughaus;
ganze Wagenladungen solcher Dinge brauchen wir nicht,
und aus der Thatsache, daß solche vielfach angehäuft
werden, resultiren zum großen Theil die Klagen über
Mangel an Raum in den Museen. Man sollte eine andere
Disposition machen, ein anderes System einführen, aber
dabei festhalten, daß das, was man hat, ein vollständiges
Bild der Entwickelung des menschlichen Geistes nach ge-
wissen Richtungen hin geben muß, und daß durch die ver
bindung ermöglicht wird, eine Auslese zu halten, wobei
sehr viel entfernt werden kann. Bei den neuen Forderungen
der Regierung im Ertraordinarium werden wir darauf
zurückkommen. Ich werde dabei noch einmal darüber
sprechen, hier in der Nähe eine Einrichtung zu treffen,
wodurch die llebergänge mehr festgesteüt werden und wo-
durch einerseits die deutsch-nationale Entwickelung und die
ältere Entwickelung in anderen, größeren Richtungen in
eine wirklich organische Verbindung gebracht werden, so
daß das Volk sich da hineinleben kann."
X

Güsseltlopfei-

as Düsseldorfer Ansstellungswesen konzentrirt sich
immer mehr auf die gelegentlichen Vereinsaus-
stellungen, denn was die konkurrenzlose „permanente" von
Schulte bietet, ist selten sehr aufregender Natur und dürfte
namentlich in Berlin schon immer einige Monate früher
bekannt geworden sein. Augenblicklich erregen einiges Auf-
sehen die Studien und Bilder von Karl Vinnen, bei
denen man aber auch gut thut, sich nicht verblüffen zu
lassen. Es ist doch eine recht rohe und, wenn man sie bei
Lichte besieht, auch ziemlich billige Kunst, die sich in diesen
lebensgroßen Baumstämmen, schwarzblauen Lüften und
dunkelbraunen Haidebäden ausspricht und man braucht diesen
ja an und für sich durchaus lobenswertsten Farben gegen-
über nicht gleich den seligen Böcklin zu zitiren, der doch
nebenbei auch sonst noch allerlei wußte und konnte, wovon
die Studien von Karl Vinnen auch gar keine Ahnung
zeigen. Dies macht ein einigermaßen begabter Kulissen-
maler auch, und Manches besser. Die Porträts des Berliners
Heilemann sind gut und tüchtig, aber man mag so etwas
hier nicht. „Das ist zu extravagant." Man liebt hier in
der Kunst im Allgemeinen beim Porträt, und namentlich
beim Damenporträt im Besonderen, das Ruhige, Biedere,
Gesittete und Zurückhaltende. Solche tollen, lustigen Damen-
porträts giebts hier einfach nicht, wenn es an den Damen
vielleicht gar nicht einmal so fehlen würde. Ls ist ganz
merkwürdig, wie selbst kräftige junge Talente nach den
allerersten originellen Anläufen auf diesem Gebiet schleunigst
in die alte Schablone fallen und nicht mehr herauszubringeu
sind. Freilich, Geld verdienen ist auch eine schöne Sache.
Seit Mitte März ungefähr ist auch die X. Iahresaus-
ftellung der „Freien Vereinigung" eröffnet. Hier hat sich
Manches geändert. Dio Freie Vereinigung entstand vor
genau io Jahren und bildete damals die „Sezession", der
Alles angehörte, was eben den alten Schlendrian nicht
mehr mitmachen wollte, ausgenommen natürlich die akade-
mischen Künstler, die schon damals über den wassern
schwebten und ganz neuerdings, wie es scheint, um dem
bedauerlichen Mangel an Künstlervereinen (es giebt erst
vier!) abzuhelfen, auch einen Verein gründen wollen. In-
zwischen find aber ans der Freien Vereinigung der Lukas-
klub und der „Verein der 99" ausgeschieden. Letzterer-
heißt nicht etwa so, weil er 99 Mitglieder hat, es sind in
Wirklichkeit höchstens 9 oder die symbolische Zahl zz,
sondern weil er im Jahre des Heils 1899 gegründet wurde.
Die Freie Vereinigung, oder die Genossenschaft II, wie sie
auch wohl genannt wird, ist jetzt also nunmehr ein Verein,
wie so mancher andere, und diesen Charakter zeigt auch
die Ausstellung. Zahlreiche Porträts, die besten von
Schneider-Didam, sehr wenig große Figurenbilder (eine
tüchtige Arbeit ist die „Arbeitspause" von Stern) und
sehr viele Landschaftsskizzen, Studienköpfe, Stimmungs-
studien, das ist so etwa der Inhalt, von Namen wären
etwa zu nennen die alten Mitglieder der Freien Vereinigung
G. von Bochmann, Lins, von Wiele, Zinkeisen,
Mühlig mit zum Theil guten Sachen, die aber ängstlich
vermeiden, etwas Neues zu bringen, Schnitzler, der in
der That einmal in ganz anderen Motiven sich mit Glück
versucht, dann die beiden jungen Maler Alfred und Otto
Sohn-Rethel mit eigenartigen, wenn auch etwas klein-
 
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