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Die Kunst-Halle — 6.1900/​1901

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Nummer 15
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K., M.: Revue der Ausstellungen: vorläufiger Bericht
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https://doi.org/10.11588/diglit.65263#0272

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236

4- Die Aunst-Halle

Nr. l>3

Thierplastikers Georges Gardet, eines Schülers von
Frmniet, ferner jenes umfassende Relief von Charpentier,
von dem man irrthiimlich annahm, daß es für das neue
Dresdener Rathhans bestimmt fei, dann Carliers „Pilot"
am Steuerbord, einige Marmor - Arbeiten von A. Rodin,
dem sich Werke u. a. der realistischen Belgier Meunier
und Dubois anschließen. Anter den heimischen Kräften
fei Mar Klinger mit zwei eigenartig behandelten Marmor-
porträts von Liszt und der russischen Schriftstellerin
Abatajeff hervorgehoben, und neben diesen stilisirten Bild-
nissen einige scharf individualisirte Büsten von Karl Seffner,
dessen interessantestes Stück, der Kopf des Johann Sebastian
Bach, über dem Schädel des alten Komponisten geformt
wurde.
Zu beiden Seiten der Skulpturenhalle öffnen sich die
Räume der Flügel des Gebäudes, und zwar ist der eine
Flügel für das recht gut vertretene Ausland, der andere
für die deutschen Kunstorte, beginnend mit den beiden
Dresdener Künstlergruppen, bestimmt. Im Ganzen sieht
man ca. 700 Gemälde, denen sich endlich eine ziemlich be-
trächtliche Schwarz - Weißkunst-Abtheilung anschließt. Als
eine besondere Schaustellung darf die internationale Bildniß-
sammlung bezeichnet werden, die einen sehr lehrreichen
Ueberblick gewährt. Auch an mehreren Sonderausstellungen
namhafter Künstler fehlt es diesmal ebensowenig wie
an einer bevorzugten Zulassung der mannigfaltigen Pro-
duktion des modernen Kunstgewerbes. Unsere Linzelberichte
werden die wichtigen Besonderheiten der diesmaligen Dres-
dener Ausstellung in eine schärfere Beleuchtung rücken.
Der kürzlich eröffnete frühere Marsfeld-Salon, für
den die Looists rmtiormls cles dsuarx - art,8 die Räume
des großen Knnstpalastes der jüngsten Weltausstellung
erhielt, bringt nicht allzuviel rein künstlerische Ueber-
raschungen. Berands neue religiöse Darstellung „Christi
Geißelung" paßt der Tendenz nach in die Reihe der
übrigen Bibelschildernngen dieses Meisters; Besnard, Ca-
rolus Duran der eminte Porträtist, Cottet, Lucien Simon
u. a. sind gut vertreten. Gegner und Freunde Rodins
sorgen eifrig dafür, daß die Marmorausführung der Statue
des nackt en Victor pugo, über dessen Modell in Gips vor
einiger Zeit auch in unserer Zeitschrift ausführlich die
Rede war, zu einen: „cüon" des Salons emporgeschraubt
wird.
Die Frühjahrs-Ausstellung im Künstlerhause in
Budapest trägt in diesem Jahre durch 24 fremde Gäste
internationalen Charakter. Aus München kam, nach
dem „R.P.I.", Lenbach mit nicht weniger als 20 Schöpfungen,
sowie der Landschafter Charles palmis mit zehn Bildern,
Pans Bartels mit zwei Aquarellen und Btto perschel mit
einem großen, figurenreichen Triptychon, das mit alt-
münchener Mitteln und etwas modern symbolistischer Bei-
gabe den Lmpfang der Königin Elisabeth im Paradiese
darstellen will. Aus Italien sandte inan ca. vierzig Merke
Segantinis, ferner eine große Kollektion von Dali' Bca
Bianca und eine Büste von der pand des geistreichen
Paolo Trubetzkoi. Alles übrige Ausländische kau: mit Aus-
nahme von einigen Parisern und einen: Brüsseler Bilde
— das ganz im Stile und in den Asphaltfarben der
Pilotyschule gehaltene Porträt eines ungarischen Magnaten
von Permann Richir — aus England. Es befinden sich

darunter einige berühmte Meister, wie Alfred Last, polinan
pnnt, pudert perkomer, John Lavery, John L. Millais,
L. A. walton, G. F. Watts (Philipp Burne Jones ist
nicht zu verwechseln mit dem großen englischen Prära-
phaeliten Eduard Burne - Jones) und Andere mit sehr
hervorragenden Bildern.
So gewählt aber auch diese Reihenfolge ist, unsere
heimischen Künstler fallen doch nicht ab. Sieht man etwa
von Lenbach und Segantini ab, so bietet eii: Großtheil
der ungarischen Bilder durchaus würdige Gesellschaft den
ausländischen Kunstwerken, trotzdem neben Szinnyei-Merse,
porovitz, Lotz u. A. auch von der jüngeren Generation
bedeutende Kräfte fehlen. Diejenigen unserer hervor-
ragenden Künstler, die kamen, sind aber gut gekommen.
Mednyänßki, Mannheimer, pällya, Katona, Ferenczy,
Grünwald, Philipp Lüßlö, Benczur, Rixpl-Ronai, Mihalikund
viele Andere zeigen sich von der besten, manche sogar von
interessanter, neuer Seite. Auch Munkücsy ist mit einigen
werthvollen Arbeiten vertreten.
Die Skulpturen - Abtheilung ist auch diesmal wieder
ziemlich ärmlich. Line Riesenstatue von Strobl, mehrere
reizende Kleinplastiken von Teles, ein feines Flach-Relief
von padl, drei Werke der Engländer John M. Goscombe
und L. Bnslow - Ford, dann noch etwa zwanzig heimische
Arbeiten, das ist Alles. Ebenso gering an Zahl ist die
Architektur-Abtheilung, an der besonders die umgearbeiteten
Pläne des Museums der schönen Künste von Schickedanz
und perzog interessiren.
Auch die „Internationale" in Venedig wird ii:
der laufenden Saison unsere Aufmerksamkeit fesseln. Zum
vierten Male hat sie die Künstlerschaften der Kunstländer
willkommen geheißen; ihre Dauer währt vom 22. April
bis 3t- Bktober. Sicherlich ist es nicht das heimische
Publikum, welches den großen Aufwand, wie ihn ein
künstlerisches Unternehmen solcher Art erfordert, recht-
fertigen kann. Man spekulirt vielmehr auf das überaus
dankbare'Fremdenpublikum, welches die Lagunenstadt fast
zu allen Zeiten reichlich bevölkert. Die „M. Allgem. Ztg."
schreibt: „Das internationale Publikum sowohl als die
internationale Künstlerschaft behandelte die italienische
Kunstproduktion der Gegenwart anfänglich noch etwas von
oben herab. Die große Ausstellung des Jahres t-887
brachte eben unter Kunstwerken allerersten Ranges — wir
erinnern nur an die drei großen und leider auch letzten
Werke Favrettos und an die unübertroffene Pastoralserie
Michettis, wie an die damals vorerst mehr verblüffenden,
als anerkannten Bilder Segantinis — Vieles, das nur
als virtuos gemalte Marktwaare vor einer strengen Kritik
bestehen konnte. Allerdings eine von der Menge bewunderte
„Routine - waare", allein große Gedanken suchte man
vergebens. Seither hat sich hier Vieles geändert. Die
italienische palbinsel steht heute an „Gedankenmalern"
nicht mehr hinter den anderen Kulturvölkern zurück und
besitzt obendrein solche, die mit des „Gedankens Blässe"
— was keineswegs zu verschmähen ist — koloristische
Virtuosität verbinden: Previati, Morelli, Laurenti, Da
Molin, Segantini, Michetti, Feruzzi, um nur die popu-
lärsten zu erwähnen. Schon die I. Internationale Kunst-
Ausstellung vor sechs Jahren hat Zeugniß abgelegt von
den Riesenfortschritten, die die italienische Künstlerschaft
seit den: Wiedererwachen ihres künstlerischen Gewissens
 
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