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Die Kunst-Halle — 6.1900/​1901

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Nummer 20
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Nachklänge der Pariser Weltausstellung 1900
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https://doi.org/10.11588/diglit.65263#0356

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Die Aun st-Halle

Nr. 20

3s0

persönliche Stil des Herrn von Werner wird kenntlich,
aggressiv und etwas süffisant. Und er putzt Lleute
herunter, die nicht alles, was geschehen ist, vortreff-
lich gefunden haben. Und das ist vor Allem ein
„feinfühliger Galleriedirektor", oen er zitirt. Das
ist nun aber von eigener Bewandtniß, denn es wird
von einem Beamten der im Auftrage verfaßte „ver-
trauliche" Bericht eines anderen Beamten desselben
Ressorts zitirt. Sollte sich der „Vorwärts" so etwas
erlauben, so dürfte sich gerade Herr v. Werner sehr
verwundern, wenn er die Staatsanwaltschaft nicht in
Thätigkeit treten sähe. Ls giebt indessen Künstler,
die genau so denken wie „feinfühlige" Gallerie-
direktoren." Nämlich Max Klinger, der schon früher,
z. B. bei Beurtheilung der Dresdener Bildhauerfrage
die wohl nicht unlohnende Tendenz verrieth, den
Herrn Museumsdirektor, der doch sozusagen an der
Spitze der heutigen Kunftkonsumenten steht, gegen die
Berufsgenossen kräftig in Schutz zu nehmen.
Wir sind weit davon entfernt, den Künstler
Klinger das entgelten zu lassen, was der Mensch
und Publizist zu thun oder zu sündigen beliebt. Wir
gehören freilich auch nicht zu jenen maßlosen Hym-
nologen von heute, die gar nicht anders können, als
mit dem ausgezeichneten Leipziger Graphiker und
Bildhauer stets zugleich die Seelen der Michelangelo
und Dürer zu zitiren. Was freilich nur an die Ge-
pflogenheit früherer Jahrhunderte erinnert, jeden
namhaften Bildhauer einen zweiten Praxiteles, jeden
Maler von Rang und Verdienst einen neuen Apelles
zu heißen. Derartige Vergleiche ruhmrediger Zeit-
genossen sind nicht allzu ernst zu nehmen und geben
der Nachwelt oft Gelegenheit den Wechsel des Ur-
theils und des ästhetischen Geschmacks zu belächeln.
Andererseits stellt sich diese Nachwelt überaus milde
zu den persönlichen und nichtkünstlerischen Handlungen
der Meister, wie die Lebensgeschichten eines perugino,
Veit Stoß, Taravaggio, Rembrandt u. A. beweisen,
in deren Gesellschaft sich selbst ein Klinger geehrt
fühlen darf. Lassen wir daher schon jetzt die Nach-
sicht walten, die der frische Lindruck eines kläglichen
Streiches zunächst freilich unmöglich gemacht hat.
Warum aber bei dem Neudruck des lange genug
vorbereiteten Berichts des Hauptvorstands gerade
jene Stelle fortgelassen wurde, die am Schluffe der
Klingerschen Kritik denunzirt wurde, können wir
ebensowenig billigen. Nichts wirkt in.solchen Fällen
fataler, als was sich wie scheue Furcht ausnimmt.
Daß der Hauptvorstand ein gutes Recht hat, selbst
nachträglich in einem offiziellen Bericht auch seine
zum Theil fruchtlosen Bemühungen zu betonen und
dies gegenüber den Angriffen der Gegner, die ins
Blaue hinein urtheilten, muß unbedingt zugegeben
werden. Man erhob z. B. laut und öffentlich den
Vorwurf, daß A. Böcklin bei uns nicht mit einem
„Böcklinsaal" vertreten war, obwohl man wissen
konnte, daß dieser Künstler nicht deutscher Reichs-

angehöriger, sondern Schweizer Staatsbürger
war und also — laut Programm — bei uns über-
haupt nicht ausstellen durfte, weiter, so heißt es in
dem Berichte, rügten verschiedene Blätter, daß W.
Leibl nur mit einem handgroßen, unbedeutenden
Bilde, W. Trübner mit einem „Mann in Rüstung",
welcher als Selbstporträt des Künstlers bezeichnet
war, und Hans Thoma nur mit einem „minder-
werthigen Selbstporträt" vertreten gewesen sei. „Wer
hat die genannten Künstler denn aber verhindert,
andere Werke, als die mit ihrer Zustimmung aus-
gestellten, auszuwählen? Dem Hauptvorstande liegt
u. a. ein Schreiben von H. Thoma vor, in welchem
er ausdrücklich sein Selbstporträt statt einer zuerst ange-
meldeten „Landschaft" ausgestellt zu sehen wünschte.
Dem Hauptvorstande war früher seitens der vorbe-
reitenden Kommission des Lokalvereins Frankfurt a. M.
ein Schreiben zugegangen, in welchem von W.
Trübner, dem Vorsitzenden, der Wunsch ausgesprochen
wurde, daß von H. Thoma nicht nur seine seit s889
geschaffenen Arbeiten, sondern sein gesammtes
Lebenswerk in Paris ausgestellt werden möchte."
Ls scheint, daß auch Klinger von vornherein auf
derartiges gerechnet hatte, da er sich später jeder
„Krämervertheilung" gegenüber, die durch die äußerste
räumliche Beschränkung der deutschen Abtheilung
leider geboten war, völlig ablehnend verhielt. Ver-
muthlich dachte so auch L. von Hofmann, der
gleichfalls fehlte. Die Berliner Zeitung, die deshalb
so indignirt that, schien es gar nicht zu wissen, daß
es gerade ihr eigener Besitzer war, der es s. Zt. ab-
lehnte, ein Bild des genannten Malers der Aus-
stellung zu leihen.
Zeder, der nur flüchtig den Katalog der deutschen
Abtheilung und die Liste der prämiirten überblickt,
merkt sofort, daß die Mitglieder der Sezessionen in
der denkbar loyalsten Weise behandelt worden sind.
Der amtliche Bericht schreibt, daß die gerade darum
erfolgten Angriffe gegen den Berliner Hauptvorstand
schon deshalb deplazirt seien, weil seine Thätigkeit
nichts mit der Auswahl der Kunstwerke "zu schaffen
hatte. Diese war vielmehr Sache der einzelnen
Lokalkomitss und der örtlichen Zurys, welchen überall
auch Vertreter der Sezessionen angehörten. Deren
beste Namen waren in der That in großer Zahl in
Paris zu finden. Und auf alle diese unanfechtbaren
Feststellungen bemerkt Max Klinger mit, seinem
grotesken Mangel an Logik: Die sezessionistischen Be-
strebungen dürften kein kräftigeres Argument für ihre
Sache finden können als diesen Bericht und „die
Leute, die seit 20 Jahren die schlechten Massenaus-
stellungen, die „Kunstställe", arrangirt haben, die
eine „Sezession" nothwendig machten, wenn wirklich
künstlerische Ziele mit Ausstellungen verfolgt werden
sollten, wollten durchaus das Heft und den Butter-
topf in den Händen behalten". Dabei wird zuge-
standen, daß für die gesammte Malerei nur sHO
 
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