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Die Kunst-Halle — 6.1900/​1901

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Nummer 23
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Imhof, Franz: Berliner Ausstellungen: die Große Kunstausstellung 1901 (III)
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https://doi.org/10.11588/diglit.65263#0415

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Nr. 23

—-4- Die Kunst-Halle -s-

363

kerliner Ausstellungen.
Die Große Kunstausstellung t90t (HI).
die gern als nüchtern prosaisch ansge-
gebens Kapitale, die Heimat des in der Litte-
ratur oft gegeißelten Berliners, dessen Witz
auf den Betroffenen ätzend wie Lange wirkt, ist nicht mehr
der Vorort des platten Realismus in der Kunst, am
wenigsten auf den: Gebiete der Landschaftsmalerei.
Man betrachte in der Moabiter Ausstellung die Arbeiten
von L. Bracht und seiner älteren und jüngeren Schüler
(soweit sic ihre erlangte Selbstständigkeit nicht zum Ileber-
tritt zur „Sezession" benutzt haben): H. Basedow, Achten-
hagen, Kayser-Lichberg, H. Licht, Mesteritz, Elsert u. s. w.
Die Losung, das Farbenleben der Landschaft zu steigern,
nicht so sehr die Ratur im gewöhnlichen Spiegel zu zeigen,
als vielmehr die durch sie in uns erzeugten seelischen
Reflexe, also das poetisch gestimmte Naturbild zu geben —
ist sicherlich nicht in diesem Kreise zuerst entstanden. Sie
ist alt, wie jede Wahrheit und jede Schönheit alt ist, und
bleibt demnach auch ewig neu. wie hätte man sonst wohl
von den Worpswedern neuerdings so viel Aufhebens
machen können? Und da nun das Poetischen des Land-
schafters wieder „modern" geworden, kommt eben Alles
herzugestürzt oder herangehnmpelt, um sich, je nach Ge-
schmack, aufs Dichten in Farben zu verlegen. Und wenn
es trotzdem bei Manchen mit den Farben nicht nach Wunsch
geht, versucht man keck mit anderen Mitteln Stimmungen
zu schaffen. Also, Poesie um jeden Preis, Berbstpoesien
mit gelben, goldenen, braunen, lila, rothen Blättern,
Stimmung um jeden Preis, selbst durch den Bildrahmen.
Jedenfalls hat der Idealismus „aus der ganzen Linie"
gesiegt. Und unsere älteren Stilisten Albert Bertel und
Pans Meyer mögen sich dabei wohl ins Fäustchen lachen.
Die Schlechtesten sind es aber wahrlich nicht, die un-
entwegt beim Realismus geblieben sind: hier die Werner
Schuch, E. Henseler, Müller-Kurzwelly, Paul Flicke! u. A.
Aber diese Gruppe rexräsentirt, wie gesagt, nicht mehr die
Landschastsausfassung in Berlin. Sollte die Ausnahme
fremder, verschiedenartiger Elemente so verändernd in an-
gedeuteter weise gewirkt haben? Sollten von jener Seite
etwa auch die Beziehungen zum heimatlichen Boden gelöst
worden sein? Diese Befürchtung wird sofort hinfällig,
wenn man sieht, daß, mit Ausnahme von E. Henseler,
dem zumal zeichnerisch begabten eminenten Schilderer mär-
kischer Getreidefelder, wiesen und Gärten, es umgekehrt
die Realisten sind, die bei der Auswahl ihrer Motive sich
in keiner Hinsicht gebunden fühlen und selbst oft in die
Ferne schweifen. Müller-Kurzwelly hat seine ausgestellte
Kollektion in Dänemark, Schweden, Norwegen und auf
Kapri geschaffen, Werner Schuch richtete sem landschaft-
liches Interesse vorwiegend auf die Bretagne, Karl Ludwig
blieb der Alpenwelt Graubündens und Tirols treu, Flickel,
der Meister des Waldinterieurs, fand im Ilsethal seine
köstlich frischen Idylle.
Auf der künstlerischen Gegenseite ist man in der That
viel heimatlicher gesinnt. Dabei denke ich noch garnicht
an eine zweite Gruppe Berliner Landschafter, die aus einer
Mittellinie sich bewegen, welche aber nicht unbedingt der
goldene Schnitt zu sein braucht; weil ihnen das schlichte
Bild der Natur nicht genügt, suchen sie komplizirtere Licht-,

Farben- und Formenverhältnisse zu geben. Franz Bom-
bach macht uns z. B. mit einer melancholischen mondbe-
leuchteten Winterszenerie in violetter Tönung bekannt.
Ernst Körner wirst goldgelbe Sonnenstrahlen aus ein Wart-
burgidyll. H. Schnees winzige Naturausschnitte unter
Glas wirken lyrisch und nett, vor Anderen sind hier
aber Konrad Lessing und F. Hoffmann-Fallersleben zu
nennen, die große, anspruchsvolle Kollektionen ins Gefecht
führen. Ich kann mir nicht denken, daß diese überwiegend
sehr kräftig, etwas hart gemalten Schilderungen der ver-
schiedensten Gegenden Deutschlands, der Schweiz und Tirols
den naiven Kunstfreund so fesseln, wie den mit historischen
Erinnerungen bepackten Betrachter, der z. B. vor Hoff-
manns energisch gemalten Holsteinschen Hünengräbern,
seinen Elegien aus die Einsamkeit der Haide, seinen finsteren
Waldungen Gldenburgs und ähnlich sentimental ange-
hauchten Szenerien, die in einem Falle den gedanken-
schweren Titel „Der alte und der neue Glaube" erhielten,
zum wenigsten den erstaunlichen Fleiß dieses strebsamen
Künstlers aufrichtig bewundert.
Die beiden römischen Landschaften von Hans Meyer
und die mit Nymphen und Musen staffirten Pastelle von
Albert Hertel gehören der vornehmen Gattung jener Stil-
landschaften an, die gestern mit weit größerem Recht als
heute für antiquirt galten, wirkt ihnen gegenüber hier
die Dreizahl der Brachtschen Landschaften denn als etwas
lediglich Neues? Geht es nur mir so: daß mich das
„Forsthaus am See", das herrlichste, stimmungsvollste der
drei Stücke mit dem verkrüppelten Baumgreise im Vorder-
gründe an den pittoresken Landschaftsstil eines K. F.
Lessing, Blechen u. a. deutsche Romantiker erinnert? Zu
den Arbeiten voll Poesie und Stimmung rechne ich noch
den im Dunkelblau träumenden „Mummelsee" und „Ein
altes Nest" von H. Basedow, während die jüngeren
Lrachtschüler, voran Kayser-Eichberg, dieses Mal minder
glücklich abjchneiden; sie unterstreichen die koloristisch-deko-
rative Art ihres Lehrers und Vorbildes gar zu auffällig,
so daß man ihre Zugehörigkeit, wie den Lahmen an der
Krücke, schon aus große Distanz erkennt. Willi Elferts
„Wintermorgen" giebt die Natur noch am schlichtesten
wieder. Karl Wendeis , Septembertag am Monte Serva"
ist eine respektable Leistung. Aus Hans Hartigs Bilde
„Vderthal" mit seinem weichen, silbrigen Tone liegt der
Zauber echter Abendpoesie. —
Die Landschastsdarstellung in Düsseldorf hält sich
ganz an die sichtbare Wirklichkeit. And es sind hier genug
begabte Kräfte unter den „Junten" und „Alten" vor-
handen, um den allerwärts erstrebten Ausdruck der unge-
schminkten Natur künstlerisch anziehend und mannigfaltig
zu gestalten. Die treue Sympathie für die niederrheinischen
wiesen- und Weidegegenden, für die Nähe freundlicher
Dörfer und Gehöfte erscheint nicht nur charakteristisch für
diese Maler, sondern zugleich wichtig für ihre erklärliche
Verwandtschaft mit dem belgisch-holländischen Geschmack.
Ed. Spoerers niederrheinische Landschaft ist nicht ganz so
fein in der Durchbildung, wie sie andere Arbeiten dieses
zu früh verstorbenen Künstlers erkennen ließen. Hugo
Mühlig inalt den Mittag und den Nachmittag zur Zeit
der Ernte oder im Winter mit glücklicher Hingabe an seine
schlichten Stoffe. H. Heimes weiß eine breit angelegte
Küstenlandschaft mit Booten zu beleben und dis Dünen
bei Egmond a. Zee greifbar echt zu fixiren. Der geschmack
 
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