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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 9./​10.1927/​28

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1./2. Septemberheft
DOI Artikel:
Martin, W.: Der neuaufgefundene Jan Vermeer van Delft
DOI Artikel:
Schwarz, Karl: Maria Slavona
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https://doi.org/10.11588/diglit.26239#0013

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linken Hand, zwei andere hängen vom Klöppelkissen
herunter. Vor der rechten Hand stecken mehrere
Stecknadeln im Kissen.

Das Mädchen mit seinen großen, etwas ungleichen,
rätselhaften Augen uud kleinem, raffiniert pointilliertem
Mund, ist ein echter Vermeerscher Frauen-Typus. Das
Bild ist an vielen Stellen mit punktierten Lichtern ver-
sehen und stammt ganz aus derselben Zeit wie das
Haager Mädchenbildnis im Mauritshuis. Der Klöppel-

tisch und das blaue Kissen sind dieselben wie auf dem
Louvre-Bild, der Perserteppich derselbe, welcher auf
der Dresdner Briefleserin vorkommt.

Das Bild, welches auf Leinwand gemalt ist, war
bis jetzt völlig unbekannt. Als Bereicherung des Ver-
meerschen Oeuvre ist diese Spitzenklöpplerin etwas
ebenso Interessantes wie Unerwartetes. Anfang
September ist das Bild an Duveen verkauft worden.

JYiatna Stauona

oon

Kavl Scbtoaüs

Tn der großen Berliner Kunstausstellung bilden dies-
mal 18 Gemälde einer Frau die einzige Sonder-
ausstellung. Es ist eine stille Ehrung zum 60. Geburts-
tag dieser bei uns zu wenig bekannten Künstlerin.
Ergänzt wird diese kleine Uebersicht aus ihrem reichen
Lebenswerk durch weitere 10 Bilder, die Amsler und
Ruthardt in einem Sonderkabinett zeigen.

Eine vornehme, fast scheu sich zuriickhaltende
Künstlerin von höchster Malkultur schüttet hier einen
köstlichen Reichtum größten Könnens aus. Die Früchte
40jährigen Schaffens, bereits zu Anfang durch eine
Arbeit von besonderem Talent gekrönt, reifen in selte-
ner Folgerichtigkeit zu immer reicherer Pracht. Rein-
heit der Gesinnung, die niemals ein Zuviel sagt, sich
niemals beirren läßt, nicht mit fremdem Pfunde wuchert
und keine Konzessionen kennt, spricht aus jedem Bild.
Eine Malerin, der die Farbe Selbstverständlichkeit ist,
der Kunst Glück und Beseeligung bedeutet, und die
deswegen niemals sucht, sich nirgends beschränkt,
sondern überall begeistert zur Palette greift und ihr
immer wieder die feinsten Klänge zu entlocken weiß.

Maria Slavona entstammt einer alten Lübecker
Familie. Die aristokratische Herkunft und Erziehung
gibt ihr den sicheren Instinkt, mit dem sie in den
Jugendjahren trotz aller sie umgebenden Kunstkämpfe
ihren Weg geht. Er führt sie zunächst zu Stauffer-Bern
nach Berlin, dann nach München, wo sie aber nur kurze
Zeit verweilt, um 1890 in Paris eine zweite Heimat
zu finden.

20 Jahre hat Maria Slavona dort gelebt und die
nachhaltigsten Eindrücke empfangen, ohne sich jemals
selbst untreu zu werden. Karl Scheffler hat in einem
Aufsatz in „Kunst und Künstler“ 1927 eine aufschluß-
reiche Analyse gegeben, wieso diese Künstlerin, die
bereits in ilirer Heimatstadt mit der neuen dänischen
Malerei in Berührung kam, gerade in dem Pariser
Impressionismus „ihren Farbensinn mit Frauengrazie
zu kultivieren“ und trotz ihres echt weiblichen Anpas-
sungsvermögens mit fast männlicher Energie sich be-
haupten konnte. Sie greift mit Begeisterung alle

Anregungen auf. llire Kunst erblüht zu immer stärkerer
Farbigkeit, sie gewinnt an Lebendigkeit und Freudig-
keit, verliert aber nichts von ihrer fast jungfräulichen
Zartheit. Niemals verfällt sie in leichtes Virtuosentum,
sondern behauptet ihren hohen künstlerischen Rang und
bildet cine seitene Kultur in sich, in der sic die deutsche
Meisterin trotz aller Verschmelzung mit französischem
Wesen bleibt.

Wenn man den „Garten auf dem Montmartre“ be-
trachtet, erkennt man, wie selir Maria Slavona in der
Pariser Atmosphäre aufgegangen ist. Wesens-
verwandtschaft mit Renoir, dem sie wohl am meisten
verdankt, ohne ihm jedocli schülerhaft zu folgen, und
mit Berthe Morizot, dcren Kolorit sie allerdings an
Lebendigkeit übertrifft, klingen hier an. Männer wie
Pissaro, Eugene Carriere, Theodor Duret und Gustave
Geffroy gehören zu dem täglichen Freundeskreis, mit
dem man lebt und gemeinsam schafft. Bernard Lazare
und Mirbeau sind die literarischen Vertrauten. Man
öffnet der Künstlerin, deren unerschrockenes Einsetzen
für Liebermann und van Gogh zu einer Zeit, da man
ihn noch kaum beachtet, ihre souveräne Sicherheit be-
staunen läßt, die Ausstellungen der Societe, deti Salon
d’Automne und der Independants. Dic besten Sammler,
wie Thomas, Blot und EYizeau und selbst der exklu-
sivste uuter ihnen, dessen Museum nur die Glanzstücke
des französischen Impressionismus gelten läßt, Henri
Rouart, erwerben ihre Werke. Sie wird von der Kritik
gefeiert und ist eine der wenigen in Frankreich bekann-
ten deutschen Künstlerinnen, die 1907 auch durcit einen
Ankauf des französischen Staates geehrt wird. Von
1901 an wird sie als Ausstellerin und Mitglied der Berli-
ner Secession und 1912 durch eine Ausstellung bei
Cassirer auch in Deutschland bekannt und ist jetzt auch
in verschiedenen Museen, wie Stockholm, Lübeck, Kiel,
Düsseldorf und Barmen vertreten. Trotzdem kennt
man sie bei uns nicht, wenn auch in früheren Jahren
manches Bild von ihr auf Ausstellungen auffiei.

Und diese Künstlerin, der bereits vor 30 Jahren
und bis auf den heutigen Tag die besten Kenner Frank-

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