Künfflet? und modetmeü Kunffbandet
Hu(cbt?iffcn aus dcm Kun(fbandct
III.*)
Victor Hartberg:
Vollwertige Werke der bildenden Kunst zu schaffen
ist sicher sehr schwierig, aber sie heute an den Mann
zu bringen, ist es bestimmt ebenfalls. Geradc der Han-
del mit Werken lebender Künstler ist immer noch in
einer Krisis, weil der ehemals wohlhabende Mittel-
stand, den es z. Zt. in Deutschland kaum gibt, als Käufer
fast vollständig aussclieidet.
Umsomehr braucht nach unserem Ermessen dcr
Ktinstler, der in den seltensten Fällen auch Kaufmann
genug ist, den Kunsthändler, und es herrscht ja übcr
diese Frage in den Zuschriften an den „Kunstwanderer“
auch eine erfreuliche Einmütigkeit.
Mehrere Künstler aber stellen eine zwar begreif-
liclie aber scliwer erfüllbarc Forderung an den Kunst-
handel, und das ist der Selbsterwerb von Werken leben-
der Künstlcr von Seiteu des Kunsthändlers.
Sicher wäre das der idealste und erstrebenswerte
Zustand, abcr die Zeit ist noch nicht reif dafür und
würde unweigerlich noch weitere Opfer in den Reihen
des Kunsthandels fordern.
Das bedauerlichste Moment im ganzen Kunsthandel
ist leider, daß die meisten Käufer nicht aus Liebe zum
Werke erwerben, sondern in jedem Kauf eine Kapitals-
anlage sehen und „sicher gehen“ wollen. So werden,
besonders in dcr modcrnen Kunst „Signaturen gckauft“
und nicht „Bilder erworben“. Französische Bilder be-
sonders werden gleichwertigen und mauchrnal aucli
besseren deutschen vorgezogen, nur weil die Mode-
strömung der Masseti nach dem Fremden zieht. Der
Händler würde also mit seinen Bildern, die dem Ge-
schmack der Zeit entsprechen, sitzen bleiben, bis eine
spätere Zeit viclleicht nichts meltr von ihnen wissen
will. Gewiß kaun es aucli anders kommen, und die
Zukunft die Werke noch höher werten als unsere
üegenwart. Aber der Einzelfall hat zur allgemeinen
Regel leider nicht den notwendigen Ausgleich.
Wenn so das materielle Intcrcsse beim Kunsthänd-
Icr itn Vordergruude steht und stehen muß, gibt es doch
noch Kunsthändler in Berlin, die sich in idealer Weise
um die Förderung junger dcutschcr d'alentc mühen und
schon zufrieden sind, wenn manche iltrer Ausstellungen
Anerkennung und sogar auch Käufer finden, die dem
Künstler und dctn Händler, jedem auf seine Weise, doclt
in engem Zusammenschluß, die Möglichkeit bieten, dcr
Kunst der Gegenwart dienen zu können.
*) Siehe „Der Kunstwandercr“ 1./2. Januar- u. 1./2. Februar-
hcft 1928.
Alfred Flechtheim:
Ich möclite als Händler, der sicli iu der I lauptsache
mit den Werken lebender, insbesondere deutschcr
Künstler beschäftigt, Ihnen sagen, daß, soweit ich es
beurteilen kann, es mit dem Verkauf von Hervorbrin-
gungen lebender deutscher Künstler doclt nicht so
schlecht bestellt sein muß, da eine große Reihe dieser,
die das Vertrauen zu mir haben, sich durcli tnicli vcr-
treten zu lassen, von der Umwandlung ihrer Hervor-
bringungen in Geld mehr oder minder gut leben.
Ich nenne nur Max Beckmann, Rudolf Belling,
Ernesto de Fiori, George Grosz, Carl Hofer, Rudolf
Levy, Heinrich Nauen und Renee Sintenis.
Mit allen diesen Künstlern verbindet inich außer
dem kommerziellen, ein persönliches freundschaftliches
Verhältnis und ich kann beurteilen, daß sie stets sauber
und anständig gekleidet sind, und, als ihr öfterer Gast,
weiß ich, daß man bei ihnen gut und reichlich zu essen
bekommt. Zu einem Auto liat es allerdings bis jetzt
nur Frau Sintenis gebracht.
Was will man mehr?
Das einzige Unglück ist, daß es in Deutschland
nicht noch viel mehr Kunsthändler gibt wie ich, daß in
der prominenten Bcllevue-, Viktoria- und Tiergarten-
straße nur mit alten Meistern, französischen Impressio-
nisten, chinesischen Grabfiguren und signierten
Kommoden gehandelt wird.
Wenn alle diese Firmen außer mit diesen Dingen
sich auch nocli mit dcn Werken lebender deutscher
Künstler beschätfigen wollten, würden wir in Deutscli-
land genau dieselbe Bewegung bekommen wie in Paris,
wo bei den großen Händlern der Rue de la Boetie und
des Faubourg St. Honore, neben Bildern von Daumier
und Corot nicht nur Werke von Matisse und Picasso,
sondern auch solche der Jiingsten, kaum 20 bis 30jältri-
gen, hängen.
Es wird zuviel Propaganda für alte Kunst gemacht.
Ueber jedes altc Bild, das ins Ausland verkauft wird,
entsteht ein Geheul in der Presse, über jedc Versteige-
rung selbst minderwertiger alter Holländer erscheinen
große Berichte. (?!)
Der Kaiser-Friedrich-Museums-Verein machte cine
große Ausstellung von alten Meistcrn aus Privatbcsitz.
Warum wird nicht cinmal n e u e Kunst aus Berliner
Privatbesitz ausgestellt?
lch neiine neue Kunst nicht tnehr das 19. Jahrhun-
dert, sondern die Zeit, die mit Munch, Hodler, Nolde,
Matisse und Picasso einsetzt. Eine solcltc Ausstellung
würde der Kunst der Lebenden sehr viele Freunde ge-
winnen, dcnn es wird siclt herumsprechen, daß es auch
c h i c k ist, einen Kolbe zu besitzen oder einett Klee.
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Hu(cbt?iffcn aus dcm Kun(fbandct
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Victor Hartberg:
Vollwertige Werke der bildenden Kunst zu schaffen
ist sicher sehr schwierig, aber sie heute an den Mann
zu bringen, ist es bestimmt ebenfalls. Geradc der Han-
del mit Werken lebender Künstler ist immer noch in
einer Krisis, weil der ehemals wohlhabende Mittel-
stand, den es z. Zt. in Deutschland kaum gibt, als Käufer
fast vollständig aussclieidet.
Umsomehr braucht nach unserem Ermessen dcr
Ktinstler, der in den seltensten Fällen auch Kaufmann
genug ist, den Kunsthändler, und es herrscht ja übcr
diese Frage in den Zuschriften an den „Kunstwanderer“
auch eine erfreuliche Einmütigkeit.
Mehrere Künstler aber stellen eine zwar begreif-
liclie aber scliwer erfüllbarc Forderung an den Kunst-
handel, und das ist der Selbsterwerb von Werken leben-
der Künstlcr von Seiteu des Kunsthändlers.
Sicher wäre das der idealste und erstrebenswerte
Zustand, abcr die Zeit ist noch nicht reif dafür und
würde unweigerlich noch weitere Opfer in den Reihen
des Kunsthandels fordern.
Das bedauerlichste Moment im ganzen Kunsthandel
ist leider, daß die meisten Käufer nicht aus Liebe zum
Werke erwerben, sondern in jedem Kauf eine Kapitals-
anlage sehen und „sicher gehen“ wollen. So werden,
besonders in dcr modcrnen Kunst „Signaturen gckauft“
und nicht „Bilder erworben“. Französische Bilder be-
sonders werden gleichwertigen und mauchrnal aucli
besseren deutschen vorgezogen, nur weil die Mode-
strömung der Masseti nach dem Fremden zieht. Der
Händler würde also mit seinen Bildern, die dem Ge-
schmack der Zeit entsprechen, sitzen bleiben, bis eine
spätere Zeit viclleicht nichts meltr von ihnen wissen
will. Gewiß kaun es aucli anders kommen, und die
Zukunft die Werke noch höher werten als unsere
üegenwart. Aber der Einzelfall hat zur allgemeinen
Regel leider nicht den notwendigen Ausgleich.
Wenn so das materielle Intcrcsse beim Kunsthänd-
Icr itn Vordergruude steht und stehen muß, gibt es doch
noch Kunsthändler in Berlin, die sich in idealer Weise
um die Förderung junger dcutschcr d'alentc mühen und
schon zufrieden sind, wenn manche iltrer Ausstellungen
Anerkennung und sogar auch Käufer finden, die dem
Künstler und dctn Händler, jedem auf seine Weise, doclt
in engem Zusammenschluß, die Möglichkeit bieten, dcr
Kunst der Gegenwart dienen zu können.
*) Siehe „Der Kunstwandercr“ 1./2. Januar- u. 1./2. Februar-
hcft 1928.
Alfred Flechtheim:
Ich möclite als Händler, der sicli iu der I lauptsache
mit den Werken lebender, insbesondere deutschcr
Künstler beschäftigt, Ihnen sagen, daß, soweit ich es
beurteilen kann, es mit dem Verkauf von Hervorbrin-
gungen lebender deutscher Künstler doclt nicht so
schlecht bestellt sein muß, da eine große Reihe dieser,
die das Vertrauen zu mir haben, sich durcli tnicli vcr-
treten zu lassen, von der Umwandlung ihrer Hervor-
bringungen in Geld mehr oder minder gut leben.
Ich nenne nur Max Beckmann, Rudolf Belling,
Ernesto de Fiori, George Grosz, Carl Hofer, Rudolf
Levy, Heinrich Nauen und Renee Sintenis.
Mit allen diesen Künstlern verbindet inich außer
dem kommerziellen, ein persönliches freundschaftliches
Verhältnis und ich kann beurteilen, daß sie stets sauber
und anständig gekleidet sind, und, als ihr öfterer Gast,
weiß ich, daß man bei ihnen gut und reichlich zu essen
bekommt. Zu einem Auto liat es allerdings bis jetzt
nur Frau Sintenis gebracht.
Was will man mehr?
Das einzige Unglück ist, daß es in Deutschland
nicht noch viel mehr Kunsthändler gibt wie ich, daß in
der prominenten Bcllevue-, Viktoria- und Tiergarten-
straße nur mit alten Meistern, französischen Impressio-
nisten, chinesischen Grabfiguren und signierten
Kommoden gehandelt wird.
Wenn alle diese Firmen außer mit diesen Dingen
sich auch nocli mit dcn Werken lebender deutscher
Künstler beschätfigen wollten, würden wir in Deutscli-
land genau dieselbe Bewegung bekommen wie in Paris,
wo bei den großen Händlern der Rue de la Boetie und
des Faubourg St. Honore, neben Bildern von Daumier
und Corot nicht nur Werke von Matisse und Picasso,
sondern auch solche der Jiingsten, kaum 20 bis 30jältri-
gen, hängen.
Es wird zuviel Propaganda für alte Kunst gemacht.
Ueber jedes altc Bild, das ins Ausland verkauft wird,
entsteht ein Geheul in der Presse, über jedc Versteige-
rung selbst minderwertiger alter Holländer erscheinen
große Berichte. (?!)
Der Kaiser-Friedrich-Museums-Verein machte cine
große Ausstellung von alten Meistcrn aus Privatbcsitz.
Warum wird nicht cinmal n e u e Kunst aus Berliner
Privatbesitz ausgestellt?
lch neiine neue Kunst nicht tnehr das 19. Jahrhun-
dert, sondern die Zeit, die mit Munch, Hodler, Nolde,
Matisse und Picasso einsetzt. Eine solcltc Ausstellung
würde der Kunst der Lebenden sehr viele Freunde ge-
winnen, dcnn es wird siclt herumsprechen, daß es auch
c h i c k ist, einen Kolbe zu besitzen oder einett Klee.
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