sionistischen Ausstellungen ist lediglich diktiert von dem
Wunsche, sich nicht selbst desavouieren zu müssen, von
dem Bedauern, unter den moderncn Künstlern nieman-
den zu finden, der vom Impressionismus noch giinstig
beeinflußt ist. Die Ausstellung der Secession, die ich
nicht sah, über die ich aber auf Grund dessen, was in
jenen Kreisen in den l'etzten Jaliren geschafferi wurde
und was aus den Besprechungen herauszulesen ist,
beurteilen zu können glaube, nruß in der modernen
Rückkehr zur ehrlichen Kunstübung, mag man sie nun
impressionistisch oder neue Sachlichkeit nennen, voll-
kommen versagt iiaben. (?!) Daß ein Kritiker, der dort
bisher die Höhe 'seiner Kunstergötzung fand, davon ent-
täuscht ist, und daß er das nicht gern wahr haben will,
ist verständilich. Aber die Zeit wird über solche Klei-
nigkeiten genau so hinweggehen wie iiber die Künstler,
die nicht imstande sind, die Kunst der Zeit zu erfassen.
Die Kunst unserer Zeit ist gewiß nicht mehr der
Impressionismus. Aber es ist ebenso wenig dieses.un-
diszipiinierte form- und harmonielose Rasen auf der
Leinwand, das die letzten Jahre auszeichnete. Gewiß
hat diese nur zerstörende Form, die den Anspruch auf
den Namen Kunstschaffen machte, ihr Gutes gehabt.
Man ist heute nicht mehr imstande, die Kunsterzeugnisse
zu ertragen, die im Geleise des Impressionismus in den
ersten Lustren des 20. Jahrhunderts geschaffen wurden.
Diese Kunst, die hauptsächlich aus München kam, ist
obwohl sie meist gewiß ehrliche Arbeit war, heute nicht
mehr lebensfäbig, ganz zu schweigen von den Berliner
Parallelen, die am Lehrter Bahnhof, in der Akademie,
zu sehen waren. Von der guten alten Liebermann-
schen Secession ist noch einiges zeitgemäß, aber wir
haben gelernt, daß auch der Impressionismus akade-
misch werden, Kitsch werden konnte uud daß man
davon loskoinmen muß. Man wird auf dem Weg der
neuen Sachlichkeit fortzuschreiten haben. Aber sie
darf nicht, wie es jetzt schon wieder der Fall zu sein
scheint, zum Schlagwort werden. Die Gefahr besteht,
daß der kleine Moritz zuin Schutzheiligen der heutigen
Kunst erhoben wird. Das zeigt die unsimiige Hochach-
tung, die man vor dem Werk des Zöliners Rousseau hat,
der nie etwas konnte, wenn er aueh ein starkes Talent
für das Abzeichnen von dekorativen Erzeugnissen, vor
allem persischen Ursprungs, hatte. In der Verehrung
für ihn ist richtig das Empfinden für das dekorative
Moment. D i e Erkenntnis muß klar herausgearbeitet
werden, daß kein Bildwerk, Gemä'lde oder Skulptur,
einen Selbstzweck hat. Das Bild gehört an die Wand,
am besten auf die Wand, die Skulptur in den Raum, in
die landschaftliche Umgebung, als Fleck, als Masse,
riiclit aber, um Geschichten zu erzählen, und allein da-
durch zu wirken. Wie man sieht, schränke ich mich
gleich e'in. Ich wi'll nicht dem während der Blüte des
Impressionismus zum Ausdruck gelangten Abscheu
gegen die Literatur im Bildwerk die Stange halten. Auch
ein Kunstwerk darf, wenn es nicht etwa von vornherein
illustrierendenZweck hat, irgend etwas zu erzählen, aber
es muß trotzdem, nicht deswegen gut sein. Man muß
das Werk lieben und vergessen können, was es dar-
stellt. Wer weiß denn noch die Namen äller derer, die
Franz Hals mälte und wem sind sie, wenn er sie schließ-
lich hört, etwas anderes als leerer Klang. Und doch
bleiben seine Porträts menschlich, innerlich berührende
Dokumente, zugleich aber Schmuck der Wand.
Ich habe schon gesagt, daß ich nicht restios ablehne,
was in den letzten zehn Jahren vom sogenannten
Expressionismus geschaffen wurde. Ich erkenne an,
daß er vernichtete, aber ich sehe fast nichts, was wir
für den Wiederaufbau brauchen können, höchstens den
Konstruktivismus, der das Gefühl für eine reine Form-
gebung schärft. Aber er kann immer nur Mitte'l zum
Zweck sein, denn er schafft nicht aus dem Ungefügten,
sondern gruppiert nur vorhandene Formen. Die
bilderide Kunst hat zweifellos die Aufgabe, wieder-
zugeben, was das Auge zu erfassen imstande ist. Die
moderne Kunstauffassung muß dabei in absoluter Ehr-
lichkeit und Hochachtung vor der Wahrheit in Form und
Farbe das Höchstmaß an Vereinfachung suchen. Das
Gefühl für diese Einfachheit kann gebildet werden, ge-
schärft an Uebergangserscheinungen wie sie der Kon-
struktivismus darstellt. Das Endziel läßt sich nicht in
Worte fassen, man kann auch nicht behaupten, daß es
nur eines gibt, aber es liegt in einer Richtung mit dem
dekorativen Wilien, für den das Gewissen des einzelneri
Künstlers allein maßgebend ist. Findet er mit dem was
er schafft, Gegenliebe beim Publikurn, weiß er beim
Beschauer eine Saite zum Schwingen zu bringen, so ist
das alles, was wir verlangen können. Aber wir müssen
fordern, daß die Kunst nicht beeinflußt wird vom Willen
eines Händlers, sie in Geld umzusetzen und nicht von
den Worten eines Kunstkritikers, der fürchtet, daß man
ihm e'inen früheren Irrtum höhnisch entgegenhält. (?!)
Sin unbekanntcs Selbßbildnis peuet?bacf)s
uon
Hemann Ubde c Betmays
jnter den Malern des 19. Jahrhunderts, die — mit
^ stärkerer Vorliebe als sie ihre Vorgänger gezeigt
— der eigenen Gesichtszüge Rätsel in Selbstbildnissen
zu erschließen pflegen, hat keiner, auch Delacroix und
Liebermann nicht, sich so häufig und zu allen Zeiten sei-
nes Lebens gemalt wie Anselm Feuerbach. Wir können
das Dasein des Meisters von der Schülerzeit in Düssel-
dorf bis zum letzten Aufenthalt in Vencdig, durch eine
Zeitspanne von inehr als dreißig Jahren, genau ver-
folgen, indem wir die lange Reihe seiner Selbstbildnisse
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Wunsche, sich nicht selbst desavouieren zu müssen, von
dem Bedauern, unter den moderncn Künstlern nieman-
den zu finden, der vom Impressionismus noch giinstig
beeinflußt ist. Die Ausstellung der Secession, die ich
nicht sah, über die ich aber auf Grund dessen, was in
jenen Kreisen in den l'etzten Jaliren geschafferi wurde
und was aus den Besprechungen herauszulesen ist,
beurteilen zu können glaube, nruß in der modernen
Rückkehr zur ehrlichen Kunstübung, mag man sie nun
impressionistisch oder neue Sachlichkeit nennen, voll-
kommen versagt iiaben. (?!) Daß ein Kritiker, der dort
bisher die Höhe 'seiner Kunstergötzung fand, davon ent-
täuscht ist, und daß er das nicht gern wahr haben will,
ist verständilich. Aber die Zeit wird über solche Klei-
nigkeiten genau so hinweggehen wie iiber die Künstler,
die nicht imstande sind, die Kunst der Zeit zu erfassen.
Die Kunst unserer Zeit ist gewiß nicht mehr der
Impressionismus. Aber es ist ebenso wenig dieses.un-
diszipiinierte form- und harmonielose Rasen auf der
Leinwand, das die letzten Jahre auszeichnete. Gewiß
hat diese nur zerstörende Form, die den Anspruch auf
den Namen Kunstschaffen machte, ihr Gutes gehabt.
Man ist heute nicht mehr imstande, die Kunsterzeugnisse
zu ertragen, die im Geleise des Impressionismus in den
ersten Lustren des 20. Jahrhunderts geschaffen wurden.
Diese Kunst, die hauptsächlich aus München kam, ist
obwohl sie meist gewiß ehrliche Arbeit war, heute nicht
mehr lebensfäbig, ganz zu schweigen von den Berliner
Parallelen, die am Lehrter Bahnhof, in der Akademie,
zu sehen waren. Von der guten alten Liebermann-
schen Secession ist noch einiges zeitgemäß, aber wir
haben gelernt, daß auch der Impressionismus akade-
misch werden, Kitsch werden konnte uud daß man
davon loskoinmen muß. Man wird auf dem Weg der
neuen Sachlichkeit fortzuschreiten haben. Aber sie
darf nicht, wie es jetzt schon wieder der Fall zu sein
scheint, zum Schlagwort werden. Die Gefahr besteht,
daß der kleine Moritz zuin Schutzheiligen der heutigen
Kunst erhoben wird. Das zeigt die unsimiige Hochach-
tung, die man vor dem Werk des Zöliners Rousseau hat,
der nie etwas konnte, wenn er aueh ein starkes Talent
für das Abzeichnen von dekorativen Erzeugnissen, vor
allem persischen Ursprungs, hatte. In der Verehrung
für ihn ist richtig das Empfinden für das dekorative
Moment. D i e Erkenntnis muß klar herausgearbeitet
werden, daß kein Bildwerk, Gemä'lde oder Skulptur,
einen Selbstzweck hat. Das Bild gehört an die Wand,
am besten auf die Wand, die Skulptur in den Raum, in
die landschaftliche Umgebung, als Fleck, als Masse,
riiclit aber, um Geschichten zu erzählen, und allein da-
durch zu wirken. Wie man sieht, schränke ich mich
gleich e'in. Ich wi'll nicht dem während der Blüte des
Impressionismus zum Ausdruck gelangten Abscheu
gegen die Literatur im Bildwerk die Stange halten. Auch
ein Kunstwerk darf, wenn es nicht etwa von vornherein
illustrierendenZweck hat, irgend etwas zu erzählen, aber
es muß trotzdem, nicht deswegen gut sein. Man muß
das Werk lieben und vergessen können, was es dar-
stellt. Wer weiß denn noch die Namen äller derer, die
Franz Hals mälte und wem sind sie, wenn er sie schließ-
lich hört, etwas anderes als leerer Klang. Und doch
bleiben seine Porträts menschlich, innerlich berührende
Dokumente, zugleich aber Schmuck der Wand.
Ich habe schon gesagt, daß ich nicht restios ablehne,
was in den letzten zehn Jahren vom sogenannten
Expressionismus geschaffen wurde. Ich erkenne an,
daß er vernichtete, aber ich sehe fast nichts, was wir
für den Wiederaufbau brauchen können, höchstens den
Konstruktivismus, der das Gefühl für eine reine Form-
gebung schärft. Aber er kann immer nur Mitte'l zum
Zweck sein, denn er schafft nicht aus dem Ungefügten,
sondern gruppiert nur vorhandene Formen. Die
bilderide Kunst hat zweifellos die Aufgabe, wieder-
zugeben, was das Auge zu erfassen imstande ist. Die
moderne Kunstauffassung muß dabei in absoluter Ehr-
lichkeit und Hochachtung vor der Wahrheit in Form und
Farbe das Höchstmaß an Vereinfachung suchen. Das
Gefühl für diese Einfachheit kann gebildet werden, ge-
schärft an Uebergangserscheinungen wie sie der Kon-
struktivismus darstellt. Das Endziel läßt sich nicht in
Worte fassen, man kann auch nicht behaupten, daß es
nur eines gibt, aber es liegt in einer Richtung mit dem
dekorativen Wilien, für den das Gewissen des einzelneri
Künstlers allein maßgebend ist. Findet er mit dem was
er schafft, Gegenliebe beim Publikurn, weiß er beim
Beschauer eine Saite zum Schwingen zu bringen, so ist
das alles, was wir verlangen können. Aber wir müssen
fordern, daß die Kunst nicht beeinflußt wird vom Willen
eines Händlers, sie in Geld umzusetzen und nicht von
den Worten eines Kunstkritikers, der fürchtet, daß man
ihm e'inen früheren Irrtum höhnisch entgegenhält. (?!)
Sin unbekanntcs Selbßbildnis peuet?bacf)s
uon
Hemann Ubde c Betmays
jnter den Malern des 19. Jahrhunderts, die — mit
^ stärkerer Vorliebe als sie ihre Vorgänger gezeigt
— der eigenen Gesichtszüge Rätsel in Selbstbildnissen
zu erschließen pflegen, hat keiner, auch Delacroix und
Liebermann nicht, sich so häufig und zu allen Zeiten sei-
nes Lebens gemalt wie Anselm Feuerbach. Wir können
das Dasein des Meisters von der Schülerzeit in Düssel-
dorf bis zum letzten Aufenthalt in Vencdig, durch eine
Zeitspanne von inehr als dreißig Jahren, genau ver-
folgen, indem wir die lange Reihe seiner Selbstbildnisse
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