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Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 9./​10.1927/​28

DOI issue:
1./2. Dezemberheft
DOI article:
Darmstaedter, Ludwig: Die Baumeister im alten Italien: Leone Battista Alberti
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.26239#0152

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Dte ßaumetffet’ tm atten Italien

leone Battißa Albecti*)

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„Der Kunstwanderer“ veröffentlicht im Naehstehen-
den den ersten der beiden fiir ihn geschriebenen nach-
gelassenen Aufsätze des unvergeßlichen Qeiehrten.

D i e R e d a k t i o n.

| ie kleine, wenig; gekannte Stadt Ritnini an der Küste
des Adriatischen Meeres besitzt eines der friiliesten
Werke der Renaissance in der Kathedrale von San
Francesco, die 1450 dcr berührnte Baumeister Leone
Battista Alberti fiir den Kondottiere Sigismondo
Pandolfo Malatesta umgebaut hat. Dieses Gebäude ist
nicht nur kunstgeschichtlich interessant, sondern auch
insbesondere in seiner Entstehung, die einen Blick auf
die Sitten und Kulturgeschichte der lombardischen
Städte der friihen Renaissance gestattet. Das
Geschlecht der Malatesta hatte im 13. Jahrhundert
einen unbeschränkten Einfluß in Rimini erlangt und
denselben nach und nach auf Cesena, Pesaro, Fano,
Fossombrone und Cervia ausgedehnt. Die hervorra-
gendsten Vertreter dieser Familie der Kondottieri
waren Pandolfo III, der von 1370 bis 1427 lebte und sein
Sohn Sigismondo, der von 1417 bis 1468 lebte. Sigis-
mondo war einer der gefürchtesten und energischsten
Tyrannen dieser kriegerischen Epoche. Er scheute vor
keiner Gewalttat zuriick; dreimal vermählt, ließ er
seine Frauen, indem er sie der Untreue beschuldigte,
ermorden. Ein Verhältnis mit der humanistisch und
poetisch begabten Isotta dcgli Atti, deren Kindcr der
Papst Martin V. legitimierte, fiihrte schließlich zu einer
gliicklichen Ehe, und durch die geistvolle Isotte zu
einem Aufschwung des kleinen Hofes, zu einem der
glänzendsten Zentren Norditaliens, an dem die Müseri
und die Wissenschaften die sörgsamste Pflege fanden.
Sigismondos. Charakter war nicht einfach: neben sei-
nen schlimmen Eigenschaften, neben seiner Skrupel-
losigkeit, hatte er, was man kaum glauben möchte, viel
Poesie, Originalität und Großartigkeit. Der Mann, der
wegen seiner Kämpfe mit Papst Pius II. mit dem Bann-
fluch belegt, vor der Peterskirche in effigie verbrannt
worden war, war gegenüber seiner Isotta zart und
schwärmerisch, und ihr zu Liebe schmückte er sein
kleines Rimini mit den schönsten Gebäuden. Die Krone
dieser Baulichkeiten war die cliiesa di San Francesco,
auch Tempio di Malatesta genannt. Sigismondos
Freund, Leone Battista Alberti umgab den alten goti-
schen Backsteinbau mit einem Frührenaissancerahmen,
der, auch unvollendet, ein würdiges Denkmal deo
großen Meisters darstellt. Der kunstgeschichtlich wich-
tige Bau enthält außen einc reich ausgestattete Grab-
stätte für die Familie Malatesta und ilire Anhänger und
unter Anderem einc Gruftkapelle zum Andenken an

*) Siehe „Der Kunstwanderer“ 1.12. Oktoberheft.

Isotte da Rimini, die die Inschrift trägt: „Divae Isottae
Ariminensi Sacrum“: Heiligtum der göttlichen Isotta zu
Rimini.

Leone Battista Alberti ist atn 8. Fcbruar 1404 in
Genua illcgitim geboren und erst einige Jahre später
durch die Fleirat der Eltern, die beide Florentiner
wareu, aber vou dort verbannt waren, legitimiert wor-
den. Seinc erste Erziehung erhielt er iu Venedig. Er
war von Natur reich begabt und in allen Sätteln gerecht.
Er tricb Musik, Malerci, Bildhauerei, dichtete und ver-
faßte in friiher Jugend schon eine lateinische Komödie,
die selbst auf Kenner, wie Aldo Manutio den Jüngeren
den Eindruck eines antiken Werkes machte. Aucli
Mathematik und Physik trieb er mit Leidenschaft, so
daß man ihn fast ein Universalgenie nennen könnte. Mit
18 Jahren widmete er sich dem Rechtsstudium in
Bologna. Seiu gliihender Wissensdurst stiirzte sich auf
alles, was wissenswert war. Die Folge war eine ner-
vöse Ueberreizung, die in seinem zwanzigsten Jahre
so weit ging, daß er vorübergehend an starker Gedächt-
nisschwäche litt. Alberti mußte dem Rechtsstudium
entsagen; er wandte sich vorerst der Schriftstellerei zu
und verfaßte, ernster als früher, Komödien, Dialoge und
Gedichte in lateinischer und italienischer Sprache. Seine
Lieblingsbeschäftigungen waren Mathematik und Phy-
sik; die erstere fiihrte ihn zur Baukunst, die ihn sehr
fesselte, in der er sich jedoch vorläufig noch nicht prak-
tisch betätigte. 1428 durfte er, da der Verbannungs-
beschluß gegen die Familie Alberti aufgehoben vvurde.
nach Florenz zurtickkehren. Der geistvolle und leb-
hafte junge Mann verkehrte viel am Hofe von Cosimo
de Mcdici und in den besten Kreisen der Stadt. Er
lebte sehr gesellig und veranstaltete oft in seinem Hause
Gesellschaften, bei denen er mit einem selbst erfun-
denen Apparate, der eine Art camera obscura gewesen
sein muß, seinen Freunden Landschaftsbilder in bun-
testem Wechsel vorfiihrte, die großen Beifall und große
Bewunderung fanden. 1432 erhielt er vom Papst
Martin V. den Titel „päpstlicher Sekretär“ und später
offenbar als eine Pfriinde ein Kanonikat an der Kirche
Santa Maria dcl Fiore. Ein mehrjähriger Aufenthalt in
Rom machte ihn mit den antiken Bauten vertraut und
brachte ihn zu dem Entschluß, sich ganz und gar der
Erneuerung der Kunst der Antike.zu weihen. 1447 be-
gann er seine bauliche Tätigkeit. Flavio Biondo, der
beriihmte Archäologe, fiihrte ihn bei dem im März 1747
zum Pontifikat gelangten Nicolaus V. ein, der neben
seinem Geschmack für den Humanismus die Leiden-
schaft des Bauens beherrschte. Nicolaus erkannte in
Alberti den kongenialen Geist und machte ihn zu sei-
nem Berater in Bausachen. Er blieb indes nicht lange

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