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Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 9./​10.1927/​28

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1./2. Augustheft
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Verband des Deutschen Kunst- und Antiquitätenhandels / Dürerhuldigung in Holland / Londoner Kunstschau / Kunstausstellungen / Kunstauktionen / Künstler und Kunstgelehrte / Alte Kunst auf der Pressa / Kunstausstellungen in Dresden / Neue Kunstbücher
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https://doi.org/10.11588/diglit.26239#0567

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Decband des Deutfcben Kunffs und Antiquitätenbandels.

Am 26. Juni fand in den Räumen der Handelskammer Mün-
clien die jährliche Qeneralversammlung des Verbandes des Deut-
schen Kunst- und Antiquitätenhandels statt, zu welcher sich zahl-
reiche Mitglieder eingefunden hatten. Der erste Vorsitzende,
Qeheimrat Siegfried Drey, eröffnete die Versammlung mit
einer Ansprache, die wir nach den Mitteilungen des Verbandes
im folgenden wiedergeben:

„Wenn man das abgelaufene Wirtschaftsjahr rückschauend
überblickt und dabei noch frühcr zurückliegende Jahre hereinzieht,
so fühlen wir, daß die deutsche Wirtschaft ein gutes Stück vor-
wärts gekommen ist und damit auch der Kunst- und Antiquitäten-
handel, der nur bei guten wirtschaftlichen Verhältnissen gedeihen
kann.

Der Wiederaufbau der deutschen Wirtschaft bedarf
großer Vorsicht, und das gleiche gilt vom Kunsthandel. Der Um-
satz hat sich gehoben, aber die ungeheuren Steuerlasten führen
nicht zu einem gewünschten und berechtigten Qewinne. Die über-
aus hohen Steuerlasten verhindern die Kapitalbildung und bedin-
gen auch erhöhte Finanzlasten. Wir dürfen sagen, daß noch nie-
mals im Kunsthandel die erzielten Nettogewinne prozentual zum
Kapital so gering waren wie heute. Der Kunsthandel bedarf bei
der Bewertung seines Warenbestandes in der Bilanz hoher Ab-
schreibungsmöglichkeiten. Die hohen Preise, die heute beim
E i n k a u f gezahlt werden müssen und die oft s p e k u 1 a t i v e n
Charakter haben, sowie die Berücksichtigung der rasch ver-
änderlichen Konjunkturpreise bedingen die Notwendigkeit
hoher Abschreibungsmöglichkeiten. Wir müssen anstreben, daß
die Finanzämter diese Tatsache anerkennen und damit eine
Erleichterung unserer Qeschäftsführung zuerkennen.

Die gestiegene Steuerlast der Wirtschaft ist ungeheuerlich.
Sie hat sich seit 1913 auf das 3/ifache gesteigert, dazu kommen
noeh die sogenannten Aufwendungen, die sich in gleicher Höhe
vermehrten. Man hat berechnet, daß der deutsche Unternehmer
zwei Drittel bis drei Viertel seiner Arbeitszeit mit Geduld für diese
Abgaben arbeitet, und dann kommen erst seine eigenen Bedürf-
nisse. Wir erkennen bei der Berücksichtigung dieser erschweren-
den Umstände, wie vorsichtig der deutsche Kunsthändler in seinen
geschäftlichen Dispositionen handeln muß. Eine gerechtere Ver-
teilung der Steuern ist dringend nötig.

Auch im vergangenen Jahre konnte sich der Verband mit
väelen Angelegenheiten des Fachinteresses beschäftigen.

Die Frage des Expertisenwesens ist vielfach in un-
stren Kreisen und in breiter Oeffentlichkeit besprochen worden.
Ich glaube kaum, daß diese Frage eine voll befriedigende Lösung
finden wird. Es bleibt die Aufgabe des Kunsthandels, durch die
Qewissenhaftigkeit beim Verkaufe und durch eigene Kenntnisse
sicli durchzusetzen. Doch wird es immer Sammler und Käufer
geben, die die Versicherungen des Verkäufers durch Sach-
verständige bekräftigt haben wollen. In P a r i s hat sich das
Syndikat der Bilderhändler für moderne Bilder selbst
die Autorität der Entscheidung für Qemälde der modernen franzö-
sischen Schule zuerkannt. Es wäre die Frage zu priifen, ob Aehn-
liches bei uns entstehen könnte. Es könnte eine Beratungs-
s t e 11 e innerhalb unseres Verbandes gegründet werden, die fakul-
tativ für die Mitglieder unseres Verbandes und deren Kunden bera-
tend und autoritativ sich betätigen könnte.

Innerhalb unseres Verbandes waren seit langem Anregungen
gegeben worden für eine R e v i s i o n der Versteigerungs-
verordnungen. Wir haben Richtlinien für die Auktionen des
deutschen Kunstmarktes geschaffen, von denen wir glaubten, daß
sie nach Möglichkeit den Interessen des Kunsthändlers und des
Kunstversteigerers entsprechen.

Für die Unterbindung des Hausierhandels mit minderwertiger
Kunst haben wir uns in Gemeinschaft mit dem Wirtschaftlichen
Verband bildender Künstler eingesetzt.

Als besonders erfreulich können wir die Gründung der 0 r t s -
gruppe Berlin des Verbandes des Deutschen Kunst- und
Antiquitätenhandels e. V. begrüßen Die Qründung erfolgte in

Berlin am 2. September 1927. Als 1. Vorsitzender wurde Herr
Alfons H e i 1 b r o n n e r , als 2. bzw. 3. Vorsitzender Herr Albert
d e B u r 1 e t und Herr Paul Q r a u p e , als Schriftführer Herr
Leo Blumenreich gewählt. Die Ortsgruppe hat sich sclion
sehr erfolgreich bewährt, und wir wünschen ihr weiteres erfolg-
reiches Qedeihen. Es wäre erfreulich, wenn sich dieser Gründung
einer Ortsgruppe noch weitere Qründungen von Ortsgruppen an-
schließen würden.

Dcr Vcrkauf von Kunstwerken von Deutschland nach
Amerika hat sich in den letzten Jaliren selir gehoben, und der
deutsche Kunsthändler hat wesentliches Interesse, über die Ent-
wicklung des amerikanischen Kunstmarktes, über Handels-
vorschriften und wirtschaftliche Verhältnisse in Amerika informiert
zu sein. Der Deutsch-amerikanische Wirtschafts-
v e r b a n d , eine Korporation von wichtiger Bedeutung, soll auf
unsere Anregung in Zukunft auch wirtschaftliche Berichte über den
Kunsthandel bringen. Wir beabsichtigen, diesem Verbande korpo-
rativ beizutreten, und glauben, dadurch unseren Mitgliedern manch
interessante Mitteilungen und die Zeitschrift des genannten Wirt-
schaftsverbandes zukommen lassen zu können.

Trotzdem wir im abgelaufenen Jahre erfreulicherweise man-
clirlei Neuanmeldungen zu verzeichnen haben, ist unsere Mitglie-
derzahl von 196 im Jahre 1927 auf 194 ia-d,iesem Jahre gesunken.
Dies rührt daher, daß einerseits eih Anztdd Austritte infolge Qe-
schäftsauflösung oder aus anderen Qriinden erfolgt sind, anderer-
seits mußten wir vvegen längerer Nichtzahlung der Beiträge einige
Firmen aus der Mitgliederliste streichen.

Von den 194 Mitgliedern treffen auf
den Antiquitätenhandel 100 (1927: 101),
den Kunsthandel 48 (1927: 52),
das Kunstantiquariat 40 (1927: 37) und
dic Numismathik 6 (gleich wie im Vorjahre).

Auf die einzelnen Städte verteilt befindet sich München mit
78 Mitgliedern (gleich wie im Vorjahre) an der Spitze; dann folgt
Berlin, das durch die Rührigkeit unserer Ortsgruppe in diesem
Jahre 56 Mitglieder zählt gegen 49 im Jahre 1927. Dann folgen:
Frankfurt a. M. mit 24 (24), Köln und Leipzig mit je 6 (gleich
wie im Vorjahre), Stuttgart 5 (5), Dresden 4 (6), Düsscldorf 3 (3),
Hamburg 2 (3), Aachen, Chemnitz, Danzig, Kissingen, Luzern,
Mainz, Mannheim, Wiesbaden, Worms, Würzburg mit je einem
Mitgliede.

Obgleich wir am Beginne unserer Ausführungen sagen konn-
ten, daß das abgelaufene Geschäftsjahr den deutschen Kunst- und
Antiquitätenhandel ein gutes Stiick vorwärts brachte, so bedarf es
doch auch heute noch einer richtigen Erkenntnis der oft schwan-
kenden wirtschaftlichen Verhältnisse, und es bedarf eines vorsich-
tigen Abwägens von Chancen. Der deutsche Kunst- und Antiqui-
tätenhändel muß ein feines Tastgefühl haben fiir die Möglichkeiten
auf dem deutschen Kunstmarkte und dem Kunstwelt-
markte. Wir haben in den letzten Jaliren eine Besserung des
deutschen Kunsthandels erlebt, aber wir sind dadurch nicht aller
Sorgen fiir die fernere Zukunft entbunden. IJie Beeinflussung un-
seres Qeschäftes durch die Weltwirtschaft ist heute viel fühlbarer
als vor dem Kriege, und eintretende Erschütterungen der Wirt-
schaft werden ihre Rückwirkung auf unsere Geschäfte ausüben.
Aber wir dürfen uns vor. dem Qeftihle beseelt sein lassen, daß
dcutsche Willenskraft auch die großen Probleme der Zukunft,
wenn auch langsam, dennoch glücklich lösen wird. Initiative, Mut
der Entscheidung und Qeschicklichkeit im Geschäftsleben werden
iminer entscheidend sein. Und wir können vom Kunsthandel sagen,
daß er sich diesen Qrundsätzen angepaßt hat. Qeschäftssinn,
Schulung und Organisationstalent sind dem Kunsthandel eigen, und
so diirfen wir auf die Erfüllung unseres Wunsches hoffen, daß der
Kunst- und Antiquitätenhandel im kommenden üeschäftsjahre von
guten Erfolgen in seiner Betätigung gekrönt sein möge. Dies sei
der Wunsch und das Geleitwort unserer heutigen Tagung.“

Hieran schloß sich der Bericht des Schatzmeisters, Herrn
Koinmerzienrats Max Bernheimer.

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