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Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 9./​10.1927/​28

DOI issue:
1./2. Dezemberheft
DOI article:
Grohmann, Will: Ein unbekannter Marées
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.26239#0163

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I n der neu eröffneten Galerie E. Arnold (Dresden)
1 taucht ein bisher unbekanntes und unveröffentlichtes
Bild des Hans von Marees auf, eine impulsiv hingewor-
fene Darstellung eines Reiters, der mit der Lanze zum
Stoß gegen den angreifenden Löwen ausholt. Der Lan-
zenschaft ist nur angedeutet, die Vorderfüße des Pfer-
des sind leicht weggewischt, und auch andere Stellen

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derholen, springt steil das scheuende Pferd empor.
den Kopf angstverzerrt, die Hinterbeine zusammen-
geknickt. Das Aufbäumen nocli akzentuiert durch
das tiberhöhende flatternde Tuch und die Geste
des ausholenden Reiters. Die Momentaneität des
Vorgangs ist in einer für Marees überraschenden Weise
jeder Einzelheit aufgeprägt, dem Löwen, dessen An-

Hans von Marees
Kampf mit dem Löwen

Galerie E. Arnold
in Dresden

sind sozusagen offengelassen. Marees ließ diesen ktih-
nen Versuch unvollendet und verwendete die Erfah-
rungen vielleicht fiir zeitlich benachbarte Kompositio-
nen. Da eine Datierung fehlt, ist man gezwungen, sic
aus dem Habitus des Bildes zu errechnen, und kommt
auf Grund der Malweise in die Nähe des 1880 ebenfalls
ganz rasch hingeworfenen „Standartenträgers“ (Meier-
Gräfe, Marees-Werk, II, Nr. 549), aus kompositorischen
Grtinden in die Nähe des „Drachentöters“ aus dem-
selben Jahre (ebenda Nr. 506) und des „Heiligen Georg“
von 1881 (ebenda Nr. 589). Aber im Gegensatz zu dcm
wohl ausponderierten, reduzierten „Drachentöter“ und
dem statuarischen „Standartenträger“ wirkt der
Löwenkampf geradezu geistreich in Auffassung und
Handwerk. Vor einem aufgeregten, tief heruntergezo-
genen Himmel in lehmigen Orangetönen, die sich im
Löwen und im Inkarnat der beiden Angegriffenen wie-

griffswut in dem ausweichenden und sprungbereiten
Sichducken Iiegt, dem zu Boden Liegenden, der mit
wenigen pastosen breiten Strichen mehr angedeutet als
skizziert ist, der Landschaft, die in ihrer summarischen
Zusammenfassung nichts weiter als die Biihne einer
ulles verdrängenden dramatischen Begebenheit ist.
Warum Marees das Bild nicht zu Ende gemalt hat, ist
nicht ohne weiteres ersichtlich, vielleicht aber damit zu
erklären, daß die leichte Drehung des Pferdes nach
vorn und die Lanze in der linken Hand an dem angrei-
fenden Löwen vorbeizielen und ein exakter Zusammen-
schluß der verschiedenen Zielstrebigkeiten ohne erheb-
liche Veränderungen nicht zu erreichen war. Die
Größe des Wurfs wird dadurch vielleicht ein wenig be-
einträchtigt, das Pehlende aber reichlich aufgewogen
durch die ganz erstaunliche Plötzlichkeit und Intensität
des Temperaments.

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