Det? Deekauf uon Düt’et’s Rofenkt?anEfe(l
oon
Hans tict^e^lÜien
Der „Kunstwanderer“ teilt zu den nachstehenden Aus-
führungen von Hofrat Professor Dr. Hans Tietze mit, daß
einer uns jetzt vorliegenden Meldung zufolge der tschecho-
slovakische Staat entschlossen scheint, Dürers „Rosen-
kranzfest“ für das Museum in Prag zu erwerben.
| ie von Prag in die Oeffentlichkeit gedrunsene Nach-
richt vom geplanten Verkauf von Dürers Rosen-
kranzfest aus dem Kloster Strahow hat diese Sensation
in einer sehr unerwünschten Weise mit meinem Namen
in Verbindung gebracht: ich hätte bei diesem Geschäft
als Sachverständiger fungiert, ob für den Verkäufer, den
Käufer oder die tschechoslowakische staatliche Auf-
sichtsbehörde weiß ich freilich nicht, denn tatsächlich ist
dieser Teil der Meldung völlig aus der Luft gegriffen.
Meine Berührung mit dem Bilde Dürers beschränkt sich
darauf, daß ich es in letzter Zeit zweimal sehr genau
geprüft habe; das erste Mal, weil die Frage seiner
Transportfähigkeit zur Ausstellung nach Nürnberg in
Diskussion stand, das zweite Mal um so genauer, weil
mir der Abt des Stiftes Strahow schon bei jenem ersten
Besuch von schwebenden Verkaufsplänen gesprochen
hatte und ich das Gefühl hatte, daß das Bild sehr bald
ausgewandert sein könnte. Irgend ein Gutachten in die-
ser Angelegenheit hat niemand von mir verlangt, meine
persönliche Meinung hätte ich nicht anders ausdrücken
können, als ich es im Folgenden tue.
Dem Praemonstratenserstift Strahow, das das
irgend wie aus kaiserlichem Besitz geglittene berühmte
Bild besitzt, soll dafür die runde Summe von 1 Mill. Doll.
geboten worden sein; es ist selbstverständlich, daß
dieses Riesenangebot für das Kloster, das wie alle Häu-
ser dieser Art rnit großen wirtschaftlichen Schwierig-
keiten kämpft, eine unwiderstehliche Verlockung bedeu-
tet; es könnte seine Sciiulden bezahlen, es könnte seine
kirchlichen Aufgaben leichter erfüllen, es könnte auch
Zwecken der künstlerischen Kultur erhebliche Summen
widmen. Mit letzterem Versprechen — es heißt, daß
bedeutende Werke dcr Periode Karls IV. nach Böhmen
zurückgebracht werden könnten — sollen die Bedenken
der staatlichen Aufsichtsbehörden zerstreut werden.
Diese Bedenken beruhen im Allgemeinen darauf, daß
eine Kulturnation heute ein Kunstwerk soichen Ranges
nicht freiwillig preisgibt, im Besonderen darauf, daß
dieses Bild den letzten im Land verbliebenen Rest der
einst hochberühmten Rudolfinischen Kunstkammer
bildet; vor einigen Jahren hat die tschechoslowakische
Republik mit äußerstcr Heftigkeit die Zugehörigkeit die-
ser Kunstsammlung zum Lande behauptet und vor einem
von der Reparationskommission eingesetzten Gerichts-
hof die Rückstellung aller nacli Wien gelangten Teile
jener Sammlung von Oesterreich verlangt. Ich hatte als
Vertreter der Gegenseite die Gelegenheit, die Zähigkeit
und vielfältige Begründung dieser Forderung am besten
kennen zu lernen und fühle daher um so mehr die
Unlogik, die darin gelegen ist, daß die Tschechoslowakei,
die nichts von dem erhielt, was sie forderte, nun auch auf
das verzichtet, was sie hat.
Die Logik dieser Unlogik liegt vielleicht in jenem
Umstand, der auch erklärlich macht, wieso das Prager
Unterrichtsministerium überhaupt den Verzicht auf ein
Dürersches Hauptwerk erwägen könnte: Ist das Rosen-
kranzfest in seinem heutigen Zustande überhaupt noch
als ein Werk von Dürer anzusehen? Die Schicksale der
berühmten, 1506 für die deutschen Kaufleute in Venedig
gemalten Tafel sind bekanntlich sehr harte gewesen;
schon die von Anekdoten ausgeschmückte Uebertragung
aus der feuchten Lagunenluft in das rauhe Klima Prags
dürfte ihr den Todesstoß versetzt haben. Wahrschein-
lich ist sie schon damals zersprungen und von einem der
rudolfinischen Hofmaler restauriert worden; jedenfalls
war sie schon im 17. Jahrhundert arg zerstört, vielleicht
haben sie die Scliweden, die 1648 alles von Kunstwerken
vom Hradschin mitnahmen, mit Absicht zurückgelassen.
Das Bild ist dann noch anderthalb Jahrhunderte in der
verlassenen Burg geblieben, ohne jede Pflege und Auf-
sicht; als es dann aus kaiserlichem Besitz glitt, muß es
eine neuerliche — barocke — Uebermalung erfahren
haben. Diese beiden früheren Renovierungen hat der
deutsch-böhmische Maler Johann Gruss festgestellt, der
1839 bis 1841 die letzte ausgiebige Restaurierung —
diesmal nazarenisch — durchführte; aus seinen Berich-
ten, die in einem Aufsatz von C. A. Straka in der Prager
Zeitschrift Tyn (II, Prag 1918) zusammengestellt sind,
ergibt sich, daß damals ein ganzes Viertel des Bildes
völlig fehlte. Der Augenschein bestätigt diese dokumen-
tarische Geschichte; die Köpfe der Hauptfiguren sind
ganz von Gruss, der Himmel ist im vollen Umfang er-
neut, aber auch alles andere übermalt, von unberührter
Oberfläche findet inan handtellergroße Stiicke im Papst-
mantel, im Gehenk eines der Männer rechts, vielleicht
im großen Baum links; wie viel von altem Bestand aus
der derben Uebermalung zu retten ist, ist schwer zu
sagen, an vielen großen Stellen geht das Neue sicherlich
bis aufs Brett. Das Gemälde ist eine Ruine, die der
deutschen Kunstgeschichte immer ehrwürdig bleiben
wird, weil sie der Rest eines der stolzesten Denkmäler
der deutschen Kunst in ihrer Blütezeit darstellt.
Was wird ihr Schicksal sein, wenn sie jener
Amerikaner mit der Million Dollar erwirbt? Es ist wirk-
lich kaum ein Zweifel, daß er sie nicht mt jener Pietät
hegeri wird, wie es ein deutsches Museum müßte, son-
dern daß er ein Bild darauf restaurieren lassen wird, das
dem Bedürfnis des nächsten amerikanischen Käufers
nach einem brillanten Dürer vollauf genügen wird.
Wird dieser neue Dürer tatsächlich mit einem
alten erkauft, wird der deutschen Kunst durch
die Modernisierung der Bretter, auf denen sich
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Der „Kunstwanderer“ teilt zu den nachstehenden Aus-
führungen von Hofrat Professor Dr. Hans Tietze mit, daß
einer uns jetzt vorliegenden Meldung zufolge der tschecho-
slovakische Staat entschlossen scheint, Dürers „Rosen-
kranzfest“ für das Museum in Prag zu erwerben.
| ie von Prag in die Oeffentlichkeit gedrunsene Nach-
richt vom geplanten Verkauf von Dürers Rosen-
kranzfest aus dem Kloster Strahow hat diese Sensation
in einer sehr unerwünschten Weise mit meinem Namen
in Verbindung gebracht: ich hätte bei diesem Geschäft
als Sachverständiger fungiert, ob für den Verkäufer, den
Käufer oder die tschechoslowakische staatliche Auf-
sichtsbehörde weiß ich freilich nicht, denn tatsächlich ist
dieser Teil der Meldung völlig aus der Luft gegriffen.
Meine Berührung mit dem Bilde Dürers beschränkt sich
darauf, daß ich es in letzter Zeit zweimal sehr genau
geprüft habe; das erste Mal, weil die Frage seiner
Transportfähigkeit zur Ausstellung nach Nürnberg in
Diskussion stand, das zweite Mal um so genauer, weil
mir der Abt des Stiftes Strahow schon bei jenem ersten
Besuch von schwebenden Verkaufsplänen gesprochen
hatte und ich das Gefühl hatte, daß das Bild sehr bald
ausgewandert sein könnte. Irgend ein Gutachten in die-
ser Angelegenheit hat niemand von mir verlangt, meine
persönliche Meinung hätte ich nicht anders ausdrücken
können, als ich es im Folgenden tue.
Dem Praemonstratenserstift Strahow, das das
irgend wie aus kaiserlichem Besitz geglittene berühmte
Bild besitzt, soll dafür die runde Summe von 1 Mill. Doll.
geboten worden sein; es ist selbstverständlich, daß
dieses Riesenangebot für das Kloster, das wie alle Häu-
ser dieser Art rnit großen wirtschaftlichen Schwierig-
keiten kämpft, eine unwiderstehliche Verlockung bedeu-
tet; es könnte seine Sciiulden bezahlen, es könnte seine
kirchlichen Aufgaben leichter erfüllen, es könnte auch
Zwecken der künstlerischen Kultur erhebliche Summen
widmen. Mit letzterem Versprechen — es heißt, daß
bedeutende Werke dcr Periode Karls IV. nach Böhmen
zurückgebracht werden könnten — sollen die Bedenken
der staatlichen Aufsichtsbehörden zerstreut werden.
Diese Bedenken beruhen im Allgemeinen darauf, daß
eine Kulturnation heute ein Kunstwerk soichen Ranges
nicht freiwillig preisgibt, im Besonderen darauf, daß
dieses Bild den letzten im Land verbliebenen Rest der
einst hochberühmten Rudolfinischen Kunstkammer
bildet; vor einigen Jahren hat die tschechoslowakische
Republik mit äußerstcr Heftigkeit die Zugehörigkeit die-
ser Kunstsammlung zum Lande behauptet und vor einem
von der Reparationskommission eingesetzten Gerichts-
hof die Rückstellung aller nacli Wien gelangten Teile
jener Sammlung von Oesterreich verlangt. Ich hatte als
Vertreter der Gegenseite die Gelegenheit, die Zähigkeit
und vielfältige Begründung dieser Forderung am besten
kennen zu lernen und fühle daher um so mehr die
Unlogik, die darin gelegen ist, daß die Tschechoslowakei,
die nichts von dem erhielt, was sie forderte, nun auch auf
das verzichtet, was sie hat.
Die Logik dieser Unlogik liegt vielleicht in jenem
Umstand, der auch erklärlich macht, wieso das Prager
Unterrichtsministerium überhaupt den Verzicht auf ein
Dürersches Hauptwerk erwägen könnte: Ist das Rosen-
kranzfest in seinem heutigen Zustande überhaupt noch
als ein Werk von Dürer anzusehen? Die Schicksale der
berühmten, 1506 für die deutschen Kaufleute in Venedig
gemalten Tafel sind bekanntlich sehr harte gewesen;
schon die von Anekdoten ausgeschmückte Uebertragung
aus der feuchten Lagunenluft in das rauhe Klima Prags
dürfte ihr den Todesstoß versetzt haben. Wahrschein-
lich ist sie schon damals zersprungen und von einem der
rudolfinischen Hofmaler restauriert worden; jedenfalls
war sie schon im 17. Jahrhundert arg zerstört, vielleicht
haben sie die Scliweden, die 1648 alles von Kunstwerken
vom Hradschin mitnahmen, mit Absicht zurückgelassen.
Das Bild ist dann noch anderthalb Jahrhunderte in der
verlassenen Burg geblieben, ohne jede Pflege und Auf-
sicht; als es dann aus kaiserlichem Besitz glitt, muß es
eine neuerliche — barocke — Uebermalung erfahren
haben. Diese beiden früheren Renovierungen hat der
deutsch-böhmische Maler Johann Gruss festgestellt, der
1839 bis 1841 die letzte ausgiebige Restaurierung —
diesmal nazarenisch — durchführte; aus seinen Berich-
ten, die in einem Aufsatz von C. A. Straka in der Prager
Zeitschrift Tyn (II, Prag 1918) zusammengestellt sind,
ergibt sich, daß damals ein ganzes Viertel des Bildes
völlig fehlte. Der Augenschein bestätigt diese dokumen-
tarische Geschichte; die Köpfe der Hauptfiguren sind
ganz von Gruss, der Himmel ist im vollen Umfang er-
neut, aber auch alles andere übermalt, von unberührter
Oberfläche findet inan handtellergroße Stiicke im Papst-
mantel, im Gehenk eines der Männer rechts, vielleicht
im großen Baum links; wie viel von altem Bestand aus
der derben Uebermalung zu retten ist, ist schwer zu
sagen, an vielen großen Stellen geht das Neue sicherlich
bis aufs Brett. Das Gemälde ist eine Ruine, die der
deutschen Kunstgeschichte immer ehrwürdig bleiben
wird, weil sie der Rest eines der stolzesten Denkmäler
der deutschen Kunst in ihrer Blütezeit darstellt.
Was wird ihr Schicksal sein, wenn sie jener
Amerikaner mit der Million Dollar erwirbt? Es ist wirk-
lich kaum ein Zweifel, daß er sie nicht mt jener Pietät
hegeri wird, wie es ein deutsches Museum müßte, son-
dern daß er ein Bild darauf restaurieren lassen wird, das
dem Bedürfnis des nächsten amerikanischen Käufers
nach einem brillanten Dürer vollauf genügen wird.
Wird dieser neue Dürer tatsächlich mit einem
alten erkauft, wird der deutschen Kunst durch
die Modernisierung der Bretter, auf denen sich
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