Londonet? Kunftfcbau.
Aus London wird uns geschrieben:
Die englisch-österreichische Gesellschaft zu London, die sich
nach dem Kriege langsam neubiidete, hat für W i e n eine Ausstel-
lung englischer Bilder vorbereitet, die sehr umfassend
und bedeutend ist. Duvefi lieh Reynolds „Porträt eines Knaben“,
Lady iLouis Mountbatten, die Enkelih des englisch-deutschen Finanz-
mannes Cassel und Gattin des seit dem Krieg anglisierten Prinzen
Louis Battenberg, mehrere Raeburns, darunter „Mrs. Oswald“,
Frau Leopold de Rothschild Hogarths „Bildnis einer Dame“, Lord
Strathcona Turners „Merkur und Argus“, Lord Beauchamp seine
herrliche Miniatursammlung. Major Cortauld entsandte Reynolds
„Amor und Psyche“, und Romneys Bildnis der Frau Davenport,
das jüngst für 1 200 000 Mark in Duveenschen Besitz tiberging, fuhr
auch nach Wien, wie insgesamt 140 Oelgemälde, 139 Miniaturen
(die Beauchamp-Sammlung), 100 Zeichnungen und einige Skulpturen.
*
Das bei der Holford-Versteigerung von den Raeburn-Galerien
für 480 Guineen erworbene ais Tizian angegebene Porträt des
Dogen Andrea Gritti geht nach dem Fitzwilliam-Museum zu C a m -
bridge. Vermutlich wurde es, laut Beschreibung, zur gleichen
Zeit wie Tizians berühmtes Bild des „Dogen, vom Sankt Markus der
Madonna vorgestellt“ von einem Schüler angefertigt und erhieit
die letzten Weihen von Tizian selbst. Das Gemälde des Dogen
Andrea Gritti mit Madonna und Markus, etwa 1534 für den Colle-
giensaal im Dogenpalast gefnalt, wurde beim Brande 1574 ver-
nichtet.
Gleichzeitig hat Si'r Joseph D u v e e n , stets um das Wohl
der Nation bedacht, dem Kuratorium der National-Galerie die Wahl
eines Bildes aus der von ihm jüngst erworbenen Benson-Kollektion
freigestellt. Man hat sich auf den hochinteressanten frühen
Correggio „Christus verabschiedet sich von seiner Mutter vor
der Passion“ geeinigt, womit die National-Galerie auf sieben Werke
dieses Meisters kommt.
Fiinfzehn C o r o t s aus dem Nachlasse der Frau Rachel
Beer w.urden bei C h r i s t i e s verkauft. Cremetti gab 1860 Guin.
für „Saulaie au bord de l’Eau“, Smith 1900 Guin. fiir die „Famille
du Moissonneur“, Bernheim (Paris) 820 Guin. fiir die Ernte zu
Marcoussis. Fleischmann zahlte dieselbe Summe fiir „Arleux du
Nord“, ebenfalls Coolidge fiir „Mondschein auf dem Wasser“. Ein
Joseph Israels ergab 600 Guin. seitens Grandt; fiir Munkaczys
„Kellnerin“ und Troyons „Gang zum Markt“ zahlte Sampson
je 400 Guin. Hoppners Bildnis einer jungen Dame im gelb-
bestickten Mullkleid wurde von dem Zwischenhändler Martin fiir
1200 Guin. erworben. Für ein Meßgewand englischer Arbeit aus
dem späten 13. Jahrhundert, reichbestickt, von dem bereits 1559
die damalige Besitzerin testamentarisch als „altes Gewand“ redete,
gab Durlacher 5000 Guin. Seit der Herstellung bis jetzt hat das
Gewand der Familie Constable zu Schloß Burton Constable ange-
hört. Ein Chippendale Mahagonischreibtisch aus gleichem Besitz
ging an Mallett (1700 Guin.); ein Möbelsatz an Partridge für 1800
Guin., sowie acht Walnuß-Armstühle, Zeit Königin Anna (1450 Guin.)
Joubert kaufte ein Stadtschwert, deutsche Arbeit. ca. 1600 (450
Guin.); Durlacher zwei kupfervergoldete Leuchter, 13. Jahrhundert,
vermutlich deutsche Arbeit (320 Guin.). Für vier Gobelins, die dem
Afrikapolitiker Cecil Rhodes gehörten, englische Arbeit, zahlte
Smith 3000 Guin. Symons gab 4800 Guin. für acht Briisseler Gobe-
lins mit Teniersmotiven, P. van den Hecke signiert, die aus Irland
zum Verkauf kamen.
Knight Frank & Rutley veräußerten drei Beau-
v a i s - Gobelins fiir 2000 Guin. an Harris, während ein Liller Stiick
an Partridge fiir 960 Guin. ging. Simon, Paris, erstand einen
Louis XVI.-Salonsatz, mit Aubusson-Gobelin tapeziert, fiir 1300 Guin.
und eine Uhr derselben Epoche, vom Pariser Uhrmacher Sauvajot
hergestellt, fiir 135 Guin.
Aus den Biicherversteigerungen bei Sothebys und
C h r i s t i e s seien noch hervorgehoben ein französisches Stun-
denbuch von Kerver, Paris, 1499 gedruckt (Maggs, 120 Pf.), eine
englische Handschrift, ebenfalls Stundenbuch, 15. Jahrh., mit 16
ganzseitigen Miniaturen (Edwards, 120 Pf.), ein Satz von 18 noch
ungedruckten Sepiazeichnungen Borels, 1788, zu einem geplanten
Werk in der „Grande-Galerie de Versailles“ (Fenning, 160 Pf.),
Henry Hudsons „Descriptio ac delineatio Geographica supra terras
Americanas“, Amsterdam 1612 (Stevens, 305 Pf.), La Fontaines
„Contes et Nouvelles en vers“, 1762 (Parsons, 110 Pf.), N. Jacquin
„Florae Austricae, Wien 1773—78 (Thorp, 95 Pf.), Jocopone da
Todi „Laude“, Florenz 1490, Erstausgabe (Maggs, 210 Pf.).
Bei H o d g s o n gab Spencer 630 Pf. St. für eine Erstausgabe
von Dickens „Klein-Dorrit“ aus dem Jahre 1857 mit handschrift-
licher Widmung des Verfassers.
Die Frage, ob das abhanden gekommene Original von
R a f a e 1 s „Madonna mit dem schlafenden Kind und St. Johann“
jetzt in England entdeckt worden ist, beschäftigt alle Gemüter.
Einer der hunderttausend Privatsammler hier zu Lande, ein Lon-
doner Tierarzt, hat bei einem Ausverkauf im Westen der Haupt-
stadt für acht Mark ein altes Bild erstanden, das sich bei der
teilweisen Restaurierung von überraschender Schönheit erwies.
Vergleiche mit dem im Besitz des Herzogs vön Westminster befind-
lichen Gemälde gleichen Motivs zeigen Abweichungen, was aller-
dings kaum gegen die Annahme spricht.
Boulle-Schreibtisch aus dem Besitz Kommerzienrat Jacques Mühsam
Auktion bei Rud. Lepke in Berlin
Der tragische Tod des bekannten englischen Schiachtenmalers
R. Caton Woodville hat die Kunstgemeinde Englands in
Trauer versetzt. Der siebzigjährige Künstler kränkelte seit dem
Ableben seiner Gattin und wurde jetzt erschossen in seinem Atelier
aufgefunden. Der Sohn eines Künstlerpaares, wurde Woodville
in Düsseldorf erzogen, wo er Schüler von Gebauer und
Karlshauseh war. Er stellte in London 1873 zum ersten Male aus
und hat seitdem keine Akademie verpaßt. In diesem Jahre hing
in der Royal-Academy ein Bild aus dem Kriege von ihm, der An-
griff der Schotten zu Messines, er hat aber auch den russisch-
türkischen Feldzug 1878, den ägyptischen Krieg 1882, auch den
Burenkrieg und viele andere Kriege mitgemacht. Die königliche
Familie gehörte zu seinen Bewunderern und erwarb nicht nur eine
Anzahl seiner Bilder, sondern ließ sich auch von ihm hauptsächlich
zu Regimentszwecken malen. Sein bekanntes „Waterloo“ hängt
im Schloß zu Madrid, wie überhaupt seine Werke über die ganze
Welt gewandert sind. Seine Verkörperung des „Tommy Atkins“
aus dem Burenkriege ist als Farbdruck in die hunderttausende ge-
gangen.
St. Bl.
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Aus London wird uns geschrieben:
Die englisch-österreichische Gesellschaft zu London, die sich
nach dem Kriege langsam neubiidete, hat für W i e n eine Ausstel-
lung englischer Bilder vorbereitet, die sehr umfassend
und bedeutend ist. Duvefi lieh Reynolds „Porträt eines Knaben“,
Lady iLouis Mountbatten, die Enkelih des englisch-deutschen Finanz-
mannes Cassel und Gattin des seit dem Krieg anglisierten Prinzen
Louis Battenberg, mehrere Raeburns, darunter „Mrs. Oswald“,
Frau Leopold de Rothschild Hogarths „Bildnis einer Dame“, Lord
Strathcona Turners „Merkur und Argus“, Lord Beauchamp seine
herrliche Miniatursammlung. Major Cortauld entsandte Reynolds
„Amor und Psyche“, und Romneys Bildnis der Frau Davenport,
das jüngst für 1 200 000 Mark in Duveenschen Besitz tiberging, fuhr
auch nach Wien, wie insgesamt 140 Oelgemälde, 139 Miniaturen
(die Beauchamp-Sammlung), 100 Zeichnungen und einige Skulpturen.
*
Das bei der Holford-Versteigerung von den Raeburn-Galerien
für 480 Guineen erworbene ais Tizian angegebene Porträt des
Dogen Andrea Gritti geht nach dem Fitzwilliam-Museum zu C a m -
bridge. Vermutlich wurde es, laut Beschreibung, zur gleichen
Zeit wie Tizians berühmtes Bild des „Dogen, vom Sankt Markus der
Madonna vorgestellt“ von einem Schüler angefertigt und erhieit
die letzten Weihen von Tizian selbst. Das Gemälde des Dogen
Andrea Gritti mit Madonna und Markus, etwa 1534 für den Colle-
giensaal im Dogenpalast gefnalt, wurde beim Brande 1574 ver-
nichtet.
Gleichzeitig hat Si'r Joseph D u v e e n , stets um das Wohl
der Nation bedacht, dem Kuratorium der National-Galerie die Wahl
eines Bildes aus der von ihm jüngst erworbenen Benson-Kollektion
freigestellt. Man hat sich auf den hochinteressanten frühen
Correggio „Christus verabschiedet sich von seiner Mutter vor
der Passion“ geeinigt, womit die National-Galerie auf sieben Werke
dieses Meisters kommt.
Fiinfzehn C o r o t s aus dem Nachlasse der Frau Rachel
Beer w.urden bei C h r i s t i e s verkauft. Cremetti gab 1860 Guin.
für „Saulaie au bord de l’Eau“, Smith 1900 Guin. fiir die „Famille
du Moissonneur“, Bernheim (Paris) 820 Guin. fiir die Ernte zu
Marcoussis. Fleischmann zahlte dieselbe Summe fiir „Arleux du
Nord“, ebenfalls Coolidge fiir „Mondschein auf dem Wasser“. Ein
Joseph Israels ergab 600 Guin. seitens Grandt; fiir Munkaczys
„Kellnerin“ und Troyons „Gang zum Markt“ zahlte Sampson
je 400 Guin. Hoppners Bildnis einer jungen Dame im gelb-
bestickten Mullkleid wurde von dem Zwischenhändler Martin fiir
1200 Guin. erworben. Für ein Meßgewand englischer Arbeit aus
dem späten 13. Jahrhundert, reichbestickt, von dem bereits 1559
die damalige Besitzerin testamentarisch als „altes Gewand“ redete,
gab Durlacher 5000 Guin. Seit der Herstellung bis jetzt hat das
Gewand der Familie Constable zu Schloß Burton Constable ange-
hört. Ein Chippendale Mahagonischreibtisch aus gleichem Besitz
ging an Mallett (1700 Guin.); ein Möbelsatz an Partridge für 1800
Guin., sowie acht Walnuß-Armstühle, Zeit Königin Anna (1450 Guin.)
Joubert kaufte ein Stadtschwert, deutsche Arbeit. ca. 1600 (450
Guin.); Durlacher zwei kupfervergoldete Leuchter, 13. Jahrhundert,
vermutlich deutsche Arbeit (320 Guin.). Für vier Gobelins, die dem
Afrikapolitiker Cecil Rhodes gehörten, englische Arbeit, zahlte
Smith 3000 Guin. Symons gab 4800 Guin. für acht Briisseler Gobe-
lins mit Teniersmotiven, P. van den Hecke signiert, die aus Irland
zum Verkauf kamen.
Knight Frank & Rutley veräußerten drei Beau-
v a i s - Gobelins fiir 2000 Guin. an Harris, während ein Liller Stiick
an Partridge fiir 960 Guin. ging. Simon, Paris, erstand einen
Louis XVI.-Salonsatz, mit Aubusson-Gobelin tapeziert, fiir 1300 Guin.
und eine Uhr derselben Epoche, vom Pariser Uhrmacher Sauvajot
hergestellt, fiir 135 Guin.
Aus den Biicherversteigerungen bei Sothebys und
C h r i s t i e s seien noch hervorgehoben ein französisches Stun-
denbuch von Kerver, Paris, 1499 gedruckt (Maggs, 120 Pf.), eine
englische Handschrift, ebenfalls Stundenbuch, 15. Jahrh., mit 16
ganzseitigen Miniaturen (Edwards, 120 Pf.), ein Satz von 18 noch
ungedruckten Sepiazeichnungen Borels, 1788, zu einem geplanten
Werk in der „Grande-Galerie de Versailles“ (Fenning, 160 Pf.),
Henry Hudsons „Descriptio ac delineatio Geographica supra terras
Americanas“, Amsterdam 1612 (Stevens, 305 Pf.), La Fontaines
„Contes et Nouvelles en vers“, 1762 (Parsons, 110 Pf.), N. Jacquin
„Florae Austricae, Wien 1773—78 (Thorp, 95 Pf.), Jocopone da
Todi „Laude“, Florenz 1490, Erstausgabe (Maggs, 210 Pf.).
Bei H o d g s o n gab Spencer 630 Pf. St. für eine Erstausgabe
von Dickens „Klein-Dorrit“ aus dem Jahre 1857 mit handschrift-
licher Widmung des Verfassers.
Die Frage, ob das abhanden gekommene Original von
R a f a e 1 s „Madonna mit dem schlafenden Kind und St. Johann“
jetzt in England entdeckt worden ist, beschäftigt alle Gemüter.
Einer der hunderttausend Privatsammler hier zu Lande, ein Lon-
doner Tierarzt, hat bei einem Ausverkauf im Westen der Haupt-
stadt für acht Mark ein altes Bild erstanden, das sich bei der
teilweisen Restaurierung von überraschender Schönheit erwies.
Vergleiche mit dem im Besitz des Herzogs vön Westminster befind-
lichen Gemälde gleichen Motivs zeigen Abweichungen, was aller-
dings kaum gegen die Annahme spricht.
Boulle-Schreibtisch aus dem Besitz Kommerzienrat Jacques Mühsam
Auktion bei Rud. Lepke in Berlin
Der tragische Tod des bekannten englischen Schiachtenmalers
R. Caton Woodville hat die Kunstgemeinde Englands in
Trauer versetzt. Der siebzigjährige Künstler kränkelte seit dem
Ableben seiner Gattin und wurde jetzt erschossen in seinem Atelier
aufgefunden. Der Sohn eines Künstlerpaares, wurde Woodville
in Düsseldorf erzogen, wo er Schüler von Gebauer und
Karlshauseh war. Er stellte in London 1873 zum ersten Male aus
und hat seitdem keine Akademie verpaßt. In diesem Jahre hing
in der Royal-Academy ein Bild aus dem Kriege von ihm, der An-
griff der Schotten zu Messines, er hat aber auch den russisch-
türkischen Feldzug 1878, den ägyptischen Krieg 1882, auch den
Burenkrieg und viele andere Kriege mitgemacht. Die königliche
Familie gehörte zu seinen Bewunderern und erwarb nicht nur eine
Anzahl seiner Bilder, sondern ließ sich auch von ihm hauptsächlich
zu Regimentszwecken malen. Sein bekanntes „Waterloo“ hängt
im Schloß zu Madrid, wie überhaupt seine Werke über die ganze
Welt gewandert sind. Seine Verkörperung des „Tommy Atkins“
aus dem Burenkriege ist als Farbdruck in die hunderttausende ge-
gangen.
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