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Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 9./​10.1927/​28

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1./2. Juliheft
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Bränner: Umsatzsteuerfreie Zwischenhandelsumsätze im Kunsthandel
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https://doi.org/10.11588/diglit.26239#0519

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Umfat^ftcuet’ft’eie Emifcbenbanddsumfät^e im Kun(tt)ande(.

üon Steuet’fyndikus Dc. fuc. et cec pol. Brönner

Das sogenannte Z w i s c h e n h a n d e 1 p r i v i 1 e g (§ 7 d!es
Umsatzsteuergesetzes) hat durch eine Entscheidung des Großen
Senats des Re.ichsfinanzhofs vom 17. Dezember 1927 (Gr. S. 1/27)
auch für den Kunsthandel erheblich an Bedeutung gewonnen. Die
Vorschriit sei zunächst in der Form, wie sie nach der Auffassuing
des höchsten Steuergerichtshofs anzuwenden ist, im1 Wortlaut wie-
dergegeben:

„Bei Abwicklung mehrerer von verschiiiedenen Unternehmern
über dieseilben Gegenstände oder über Gegenstände gleicher Art
abgeschlossenen Umsatzgeschäfte sind nur die Licferungen der-
jenigen Unternehmer steuerpflichtig, die den uinmittelbaren Besitz
übertragen, es sei denn, daß er lediglich die Be-
förderung der Gegenstände übernommen h a t.
Der Uebertragung des unmittelbaren Besitzes durch einen Unter-
nehmer steht die Uebertragung durch denjeniigen gleich, der die
Gegenstände auf Grund eines besonderen, mit dem Unternehmer
abgeschlossenen Vertrags für diesen besitzt.“

Die Bestimmung ist auch für den Kunsthandel von igroßem
Interesse, da die Ware, der Ku'nstgegenstand, vielfach von dtem
Lieferer des Kunsthiändlers unmittielbar an die Kunden im Auftrage
des Kunsthändlers gesandt wird. Da hier über diie gleiche Ware
mehrere Umsatzgeschäfte nacheinander abgeschlossen sind
(Zwischenhandel), ist die Lieferung des Kunsthändlers, der den
Besitz an dem Kunstgegenstand selbst oder auch durch beauftiragte
dritte Personen gar nicht oder nur zum Zwecke der Beförderung
an den Kunden erhalten hat, von der Umsatzsteuer befreät. Nach
deir Vorschrift braucht also dis Inbesitznahme nächt ganz vermieden
zu sein, sie darf aber, soweit sie erfolgt, nur zum Zwecke der
Weiterbeförderung an den Kunden geschehen.

Ist also beispielsweiise ein Kunstgegenstand von einem
Kunden b e s t e 111, und läßt sich der Kues'thänidiler ihn von seiinem
Lieferer nur zusenden, um ihn an den Kunden weiter zu befördern,
so bleibt die Uinsatzsteuerfreiheit umberührt, wenn die Inbesitz-
nahme nicht läniger als zur Beförderung erfordeirlich dauert. Aucli
dadurch wird die Anwendung der Befreiungsvorschrift nicht be-
rührt, daß sich der Kunde den Gegenstand selbst von dem Kunst-
händler abholt. Wie igesagt, darf er aber nicht länger zurück-
gehalten werden, ails zur Aushändigung an den Kunden not-
wendig ist.

Im wesentlichen sind also nur die Umsätze von Kunst-
gegenständen umsatzsteuerpflichtig, die über Lager ge-
nommen werden, insbesondere weil sie erst verkauft werden sollen.
Aber auch Kunstgegenstände, die zur Ansicht durch den
Kunden in den Besitz des Kunsthändlers gelangen, werden als
uimsatzsteuerpflichtig anzusprechen sein, da hier der Besitz nicfat
ledigMch zum Zwecke der Beförderung erlangt ist. Unmitteilbare
Ansichtsendungen von dem Lieferer an den Kunden, die das Lager
nicht berühren, sind daigegen als umsatzsteuerfrei zu erachten,
wenn der Kunde später den Gegenstand behält.

Auoh wenn Kunstgegens'tände ausnahimsweise von einem
d r i 11 e n im Auftrag des Kunsthändlers auf Lager genommen wer-
den, tritt Umsatzsteuerpflcht ein. Dic Beförderung kann dagegen
sowohl durch fremde Transportmittel, wi'e Eisenbahn, Post, Spedi-
teure usw. als auch durch eigene Fuhrwerke und Boten erfolgen.

Das gleiche, was über den Kunsthandel gesagt ist, giilt auch für
Bücher, Zeitschriften und sonstige Gegenstände, dle der
Kunsthändler vertreibt. Alle Umsätze von Gegenständen, die nicht
vom Lager aus verkauft werden, sondern gar nicht oder nur zum
Zwecke der Beförderung durch die Hände des Händlers oder von
ihm beauftragter Personen gehen, sind von der Umsatzsteuer befreif.

In formel'ler H i n s i c h t ist darauf hinzuweisen, daß die
auf Grund des Zwischenhandelsprivilegs urnsatzsteuerfreien Um-
sätze in der Buchführung besonders bezeichnet seiin müssen. In den
Durchführungsbestimimungen zum Umsatzsteuergesefz (§ 42) ist
im einzelnen bestimmt, daß der Zwischenhändiler die nach § 7 um-
satzsteuerifreien Entgelte getrenmt von den Entgelten für seihe
sonstigen Leistungen zu buehen hat. Die Buchung hat zu enthalten

den Gegenstand nach der handelsübliohen Bezeichnung und nach der
Menge, Gewicht oder Stückzafail, Name (Firma) und Wohnort (Sitz)
des Lieferers und des Abnehmers, Tag der etwaiigen Absendung des
Gegenstandes an den Abnehmer, das vereinniahmte Entgelt, den
Hinweis aiuf die entsprechenden Belege und öinen Vermerk über die
Abwicklung der Lieferung an den Abneihme'r (z. B. duirch Umkartiie-
rung, selbständiges Abholen des Abnehmers, Verteilung, Zuieitumg
durch Besitzdiener oder selbständige Beförderung durch Abnehmer
auf Grund eines besonderen oder lediglich eintes Beförderiungs-
vertrages). Als Anleitung ist ein besonderes Muster gegeben.

Soweit kauifmännische Bücher geführt werden, genügt es nach
dem Gesetze, daß die steuerfrieien U m s ä t z e durch An-
streichen mit roter Tinte oder entisprechendem Zusatz in den
Büchern g e k e n n z ei chn e t werden. Aber auch darüber fain-
aus hat der Reichsfinanzhof anerkannt, daß die erganigenen Buch-
führungsvorschriften nicht ,im einzelnen als zwingend anzusehen
sind, so daß sich der Nachweis, wie sich die Umsätze vollzogen
haben, auch auf andere Weise führen läßt. Naoh einem Urteil vom
3. September 1926 (B'd. 19 S. 271) mu'ß jedoch wenigstens eine
ordnungsmäß'iige Buchführung vorhanden sein, und es miuß die Buch-
führiung auf Beleige verweisen, die sich im Besiitz des Steuer-
pflichtigen befinden.

Wer ganz vorsichtig sein will, kann, wie Rechtsanwalt Runige
im „Börsenblatt für den Deutschen Buichhandel“ (Nr. 74) empfoblen
hat, ein besonderes Bucih einrichten, i'n das Titel, Verieger, BeisteMer,
Datium der Lieferung, Preis und Vermerk über die Beförderung
(durch Post oder Boten zugestellt, abgeiholt) eingetragen werden.
Bei einer Loseblattbuchhaltung kann so verfafaren werden, daß nach
§ 7 umsatzsteuerfreie Posten auf einem besonderen Bilatt mit An-
gabe des Namens des Kunden und der Kundenn'ummer aufgeführt
und BesteMzettel sowie Rechnungen von uimisatzsteuerfreien Ge-
schäften mit dean Vermerk ,/verm.“ (vermittelt) an einer siohtbaren
Stelile bezeichnet werden. Beim Barigeschäft sirnd die Kassabons
mit demselben Verimerk zu versehen, so daß beim Abschluß der
Ladenkasse die Zettel leicht aussortiert und in die Statistik des
Waren-Ausganges eingetragen werden können, wie früher etwa die
Kassabons der luxussteuerpflichtigen Geschäfte,.

Notfalls wird übrigens, wenn, was für die zurückliegende Zeit
bes'onders wesentlich ist, eine Kennzeiohniumg d!er 'umsatzsteuer-
freien Umsätze überhaupt nicht erfolgt ist, das Finanzamt zu
schätzen haben; vollständig ablehnen kann es die beanspruchte
Steuerfreiheit nach der Rechtsprechung des ReichsfinanzhofS' auch
dann nicht, weil keine entsprechende Buchführung vorliegt.

Die Geltenidmaohung der Umsatzsteuierfreiiheit für 1927 kann,
solange der Umsatzste'uerbescheid1 für 1927 noch nicht rechtskräftig
ist — regelmäßig wird er noch gar nicht zugeigangen sein — durch
Berichtigung der abgegebenen Umsatzsteuer-
erklärung erfolgen. Für die früheren Jahre kann die
Umsatzsteuerbefreiiung ebenfalls nur geltend gemacht werden, soweit
die Redhtsmittelfrist noch nicht endgültig abgiel'aufen ist. Nmr in
Ausna'hmiefällen wird im übrigen mlt einer Erstattung aus Biilligkeits-
griinden (R. A. O. § 108) gerechnet werden können. wenn sich z. B.
der Händler in einer besonderen Notlage bef'indet. Die Erstattung
der bei den Vorauszahlungen im Jahre 1927 bei Anwendung des
Zwiischenhandelsprivilegs überzahlten Umsatzsteuerbeträge erfolgt
im allgemeinen erst, wenn der endgültige Umsatzsteuerbescheid für
1927 zugegangen ist. Voriher müßte die Erstattung oder Anrechnung
auf andere Steuern unter Geltendmachung von Billigkeitsgründen
besonders beantragt wer'den. Daß die versehentlich zu viel ge-
zahlten Umsatzsteuerbeträge bei ihrer Erstattung zu verzinsen
sind, ergibt sich aus einer Entschieidung des Reichsfinanzhofs vom
20- Januar 1928 (V A 695/27 a).

Jeder Kunsthänd'ler prüfe zunächst, ob die Gelten'dmachung
der Umsatzsteuerfreiheit bei dem geringen Umsatzsteuersatze von
drei Viertel vom Hundert überhaupt zweckmäßig erscheint. Die
Einrichtung besonderer Bücher wird in vielen Fällen weder lohnend
noch auch nach dem oben Aufgeführten erforderlich sein.

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