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\\/enn bei dem bevorstehenden vierhundertjährigen
* ^ Todestag Albrecht Dürers die deutschen Städte
des großen deutschen Meisters gedenken werden, darf
Wien beanspruchen, seiner Heimatstadt Ntirnberg den
Reigen der 'Fcstgäste zuzufüliren. Nirgends in der
Welt ist sein Werk in gleichem Reichtum und Rang zu
sehen wie hier; in dem kurzen Ueberblick iiber Diirers
Arbeiten, die Friedländer seinem Buch in der Serie der
deutschen Meister vorangesetzt hat, stellt er den Anteil
Wiens sowohl bei den Gemälden als auch bei den
Zeichnungen und den graphischen Künsten an die
Spitze. Dennoch ist das Vorhandene, so reicli es ist,
nur ein Teil des einst hier Gewesenen; manches ist 'im
Laufe der Zeit von diesem Schatz abgebröckelt. Die
Anbetung der Könige in Florenz, das Bild, das so an-
ziehend an dcr Scheide zw’ischen frischer Jugendlich-
keit und gereifter Meistcrschaft steht, ist erst 1792 durch
einen Tausch zwischen der Wiener und der Florentiner
Galerie dahiti gelangt; das Selbstbildnis von 1493, das
nach mancherlei Irrfahrten jetzt im Louvre gclandet
ist, befand sich einst in der Slg. des Dr. Habel in Baden
bei Wien; auch die Maria mit der Schwertlilie in Rich-
mond, die Flechsig jetzt wieder als eigenhändiges Werk
Dürers anspricht, war am Anfang des 19. Jahrhunderts
hier. Noch erstaunlicher ist, was sicli von den Schätzen
der verschiedcnen Handzeichnungskabinette nacli Wien
zurückverfolgen läßt. Bekannt ist, daß die kostbare
Dürer-Sammlung in Bremen auf dem Wege über
LeFebre und Grünling aus der Wierier Albertina stammt,
von der — vor ihrer im Jahre 1818 erfolgten Inventari-
sierung — eine in hiesigen Akten oder sonstigen Quellen
nicht in vollem Umfang bclegbare beträchtliche Ab-
splitterung erfolgt ist. Gleichen Ursprungs sind wich-
tige Bestände der Hamburger Kunsthalle und der
Sammlung Blasius (ehedcm Hausmann) in Braun-
schweig, und kürziich hat Winkler mit einleuchtenden
Argumenten auch für den neu aufgetauchten Schatz von
Dürerzeichnungen in Lembcrg die Herkunft aus der
Wiener Albertina wahrscheinlich gemacht. Das Fehlen
irgendwelcher Sammlermarken auf diesen Zeichnungen
scheint in der Tat dafür zu sprec'hen, daß es sich hier
um einen altzusammengehörigen Stock handelt.
Einen solchen Stock hat der Schatz von Zeichnun-
gen im kaiscrlichen Besitz gebildet, der zu Ende des
18. Jahrhunderts durch Tausch an den Schwiegersohn
Maria Theresias, den Begründer der Albertina, ge-
langte; dieser Schatz, der bisweilen als Dürers Nach-
laß angeschen wird, geht wenigstens bis auf den Nach-
laß Willibald Imhoffs, des Enkels Willibald Pirkheimers
zurück. Er ist mit dem Kunstbuch Sir Sloanes,
das den Grundstock dcr Zeichnungen des British-
Museum bildct, der bestbezeugte Teil der Dürer’schen
Zeichnungen. Aber der ganze kaiserliche Besitz an
solchen Blättern, der gelegentlich auf 371 beziffert wor-
den ist, ist mit den Beständen der Albertina und den aus
diesen gespeisten Sammlungen nicht erschöpft; es
bleibt, wie auch Winkler im Vorwort zum VI. Band des
Lippmann jüngst hervorgehoben hat, cin Fehlbetrag
von rund hundert Stück. Diesen hilft vielleicht z. T.
die Beobachtung erklären, eine wie große Zahl von
Zeichnungen nocli anderer Sammlungen, z. B. Berlin
oder Frankfurt, einstmals in Wien gewesen sind. Sieht
man von den beiden alten Stöcken Wien und London ab,
so findet sicli bei jeder zweiten oder dritten Zeichnung
Andreossi, Grünling, Klinkosch oder Posony als Vor-
besitzer angegeben. Die Sammlung Grünling ist jene,
die jenen dunkel gebliebenen reichen Fischzug in der
Albertina gemacht hat, die des Generals Andreossi
scheint auch aus dieser Quelle geschöpft zu haben.
Ueber dic Entstehungsgeschichte der beiden anderen
Sammlungen sind wir zu wenig unterrichtet, aber
immerhin wärc es möglich, daß auch bis zu ihnen etwas
von dem vermeintlichen Ueberschuß des Hofes durch-
gesickert sei. Ein aiter Wiener Sammler erzählte mir,
daß Kiinkosch den Grundstock seiner berühmten Samm-
lung von einetn Hofbeamten gegen eine Leibrente er-
worben habe, die er nur ein einziges Jahr auszahlen zu
müssen das Glück hatte. Vielleicht liegt hier noch eine
Ader bloß, durch die der Wiener Privatbesitz so auf-
fallend reichlich gerade mit Dürer’schen Handzeichnun-
geu berieselt worden ist.
Die Wiener Bestände an Dürer’schen Werken sind
so allbekannt, daß es keiner Aufzählung bcdarf; der alte
Reichtum der Gemäldegalerie an Bildern hat vor fünf
Jahren durch das Bildnis einer Venezianerin von 1505
eine erfreuliche Bereicherung erfahren. Die Schätze der
Albertina, mit denen nach dem Umsturz aucli das
Skizzenblatt mit Frau Agnes und dem Kölner Mädchen
von der niederländischen Reise und das Fechtbuch der
Nationalbibliothek vereinigt worden sind, wird durch
den Jünglingskopf von 1503 in der Akademie und die
Blätter im Kunstbuch des kunsthistorischen Museums
ergänzt. Im Privatbesitz befinden sich ein männliches
Bildnis beiin Grafen Czernin, eine große Kopfstudie —
gleichfalls von 1503 — und eine spätere Katharinen-
marter beitn Fürsten Lieclitenstein und eine windische
Bäuerin — wohl von der venezianischen Reise — in der
Sammlung Eissler. Von Werkstattarbeiteri, die noch in
die Diskussion echter Werke hineinspielen, ist der dem
Erzbischof von Wien gehörige St. Veiter Altar zu
nennen, ein in der älteren Lokalgeschichte Dürer zu-
geschriebenes Bild, der von dem Wiener Bischof
Slatkonia im frühen 16. Jahrhundert gestiftete Tod
Mariae, gilt im Straßburger Museum, wo es sich heute
befindet, längst als Arbeit Strigels.
Dieser Reichtum Wiens an Dürer’schen Arbeiten
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\\/enn bei dem bevorstehenden vierhundertjährigen
* ^ Todestag Albrecht Dürers die deutschen Städte
des großen deutschen Meisters gedenken werden, darf
Wien beanspruchen, seiner Heimatstadt Ntirnberg den
Reigen der 'Fcstgäste zuzufüliren. Nirgends in der
Welt ist sein Werk in gleichem Reichtum und Rang zu
sehen wie hier; in dem kurzen Ueberblick iiber Diirers
Arbeiten, die Friedländer seinem Buch in der Serie der
deutschen Meister vorangesetzt hat, stellt er den Anteil
Wiens sowohl bei den Gemälden als auch bei den
Zeichnungen und den graphischen Künsten an die
Spitze. Dennoch ist das Vorhandene, so reicli es ist,
nur ein Teil des einst hier Gewesenen; manches ist 'im
Laufe der Zeit von diesem Schatz abgebröckelt. Die
Anbetung der Könige in Florenz, das Bild, das so an-
ziehend an dcr Scheide zw’ischen frischer Jugendlich-
keit und gereifter Meistcrschaft steht, ist erst 1792 durch
einen Tausch zwischen der Wiener und der Florentiner
Galerie dahiti gelangt; das Selbstbildnis von 1493, das
nach mancherlei Irrfahrten jetzt im Louvre gclandet
ist, befand sich einst in der Slg. des Dr. Habel in Baden
bei Wien; auch die Maria mit der Schwertlilie in Rich-
mond, die Flechsig jetzt wieder als eigenhändiges Werk
Dürers anspricht, war am Anfang des 19. Jahrhunderts
hier. Noch erstaunlicher ist, was sicli von den Schätzen
der verschiedcnen Handzeichnungskabinette nacli Wien
zurückverfolgen läßt. Bekannt ist, daß die kostbare
Dürer-Sammlung in Bremen auf dem Wege über
LeFebre und Grünling aus der Wierier Albertina stammt,
von der — vor ihrer im Jahre 1818 erfolgten Inventari-
sierung — eine in hiesigen Akten oder sonstigen Quellen
nicht in vollem Umfang bclegbare beträchtliche Ab-
splitterung erfolgt ist. Gleichen Ursprungs sind wich-
tige Bestände der Hamburger Kunsthalle und der
Sammlung Blasius (ehedcm Hausmann) in Braun-
schweig, und kürziich hat Winkler mit einleuchtenden
Argumenten auch für den neu aufgetauchten Schatz von
Dürerzeichnungen in Lembcrg die Herkunft aus der
Wiener Albertina wahrscheinlich gemacht. Das Fehlen
irgendwelcher Sammlermarken auf diesen Zeichnungen
scheint in der Tat dafür zu sprec'hen, daß es sich hier
um einen altzusammengehörigen Stock handelt.
Einen solchen Stock hat der Schatz von Zeichnun-
gen im kaiscrlichen Besitz gebildet, der zu Ende des
18. Jahrhunderts durch Tausch an den Schwiegersohn
Maria Theresias, den Begründer der Albertina, ge-
langte; dieser Schatz, der bisweilen als Dürers Nach-
laß angeschen wird, geht wenigstens bis auf den Nach-
laß Willibald Imhoffs, des Enkels Willibald Pirkheimers
zurück. Er ist mit dem Kunstbuch Sir Sloanes,
das den Grundstock dcr Zeichnungen des British-
Museum bildct, der bestbezeugte Teil der Dürer’schen
Zeichnungen. Aber der ganze kaiserliche Besitz an
solchen Blättern, der gelegentlich auf 371 beziffert wor-
den ist, ist mit den Beständen der Albertina und den aus
diesen gespeisten Sammlungen nicht erschöpft; es
bleibt, wie auch Winkler im Vorwort zum VI. Band des
Lippmann jüngst hervorgehoben hat, cin Fehlbetrag
von rund hundert Stück. Diesen hilft vielleicht z. T.
die Beobachtung erklären, eine wie große Zahl von
Zeichnungen nocli anderer Sammlungen, z. B. Berlin
oder Frankfurt, einstmals in Wien gewesen sind. Sieht
man von den beiden alten Stöcken Wien und London ab,
so findet sicli bei jeder zweiten oder dritten Zeichnung
Andreossi, Grünling, Klinkosch oder Posony als Vor-
besitzer angegeben. Die Sammlung Grünling ist jene,
die jenen dunkel gebliebenen reichen Fischzug in der
Albertina gemacht hat, die des Generals Andreossi
scheint auch aus dieser Quelle geschöpft zu haben.
Ueber dic Entstehungsgeschichte der beiden anderen
Sammlungen sind wir zu wenig unterrichtet, aber
immerhin wärc es möglich, daß auch bis zu ihnen etwas
von dem vermeintlichen Ueberschuß des Hofes durch-
gesickert sei. Ein aiter Wiener Sammler erzählte mir,
daß Kiinkosch den Grundstock seiner berühmten Samm-
lung von einetn Hofbeamten gegen eine Leibrente er-
worben habe, die er nur ein einziges Jahr auszahlen zu
müssen das Glück hatte. Vielleicht liegt hier noch eine
Ader bloß, durch die der Wiener Privatbesitz so auf-
fallend reichlich gerade mit Dürer’schen Handzeichnun-
geu berieselt worden ist.
Die Wiener Bestände an Dürer’schen Werken sind
so allbekannt, daß es keiner Aufzählung bcdarf; der alte
Reichtum der Gemäldegalerie an Bildern hat vor fünf
Jahren durch das Bildnis einer Venezianerin von 1505
eine erfreuliche Bereicherung erfahren. Die Schätze der
Albertina, mit denen nach dem Umsturz aucli das
Skizzenblatt mit Frau Agnes und dem Kölner Mädchen
von der niederländischen Reise und das Fechtbuch der
Nationalbibliothek vereinigt worden sind, wird durch
den Jünglingskopf von 1503 in der Akademie und die
Blätter im Kunstbuch des kunsthistorischen Museums
ergänzt. Im Privatbesitz befinden sich ein männliches
Bildnis beiin Grafen Czernin, eine große Kopfstudie —
gleichfalls von 1503 — und eine spätere Katharinen-
marter beitn Fürsten Lieclitenstein und eine windische
Bäuerin — wohl von der venezianischen Reise — in der
Sammlung Eissler. Von Werkstattarbeiteri, die noch in
die Diskussion echter Werke hineinspielen, ist der dem
Erzbischof von Wien gehörige St. Veiter Altar zu
nennen, ein in der älteren Lokalgeschichte Dürer zu-
geschriebenes Bild, der von dem Wiener Bischof
Slatkonia im frühen 16. Jahrhundert gestiftete Tod
Mariae, gilt im Straßburger Museum, wo es sich heute
befindet, längst als Arbeit Strigels.
Dieser Reichtum Wiens an Dürer’schen Arbeiten
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