sich herleitet, da er nicht nur der Interpretation der
Oberflächen dient, sondern der ganzen Bildhaltung, die
auch hier, wie in der Apokalypse, dem dekorativen
Flächenwerten untersteht, die der kürzeren Skala des
Schwarz entspringt. Fehlt der Kupferstich, fehlt er im
ehrgeizigen Willen nach Vo'llkommenheit, fehlt der FIolz-
schnitt, so tut er es aus mißartetem Instinkt.
Nach der zweiten italienischen Reise kann von einer
Wechselwirkung der beiden graphischen Techniken
nicht mehr gesprochen werden. Mit der Einstellung auf
einen Gesamtton in der Haltung des Ganzen fühlten sich
die beiden Techniken der neuen Bildidee verpflichtet.
Vom neutralen Weiß zum Licht und nun zur Farbe geht
der Weg, den die graphische Phantasie Dürers
genommen hat. Gleichsam wie aus einer Untermalung
treten Weiß und Schwarz hervor. Die Pinselzeichnun-
gen auf grundiertem Papier während und nach der
venezianischen Reise (Studien zum Helleraltar) bereiten
den Stil vor und geben Proben für die Wirkung. Man
könnte von einer gewissen Clairobscur-Wirkung in den
Schwarz-weiß-Blättern dieser Jahre (bis 1512) sprechen.
Mit dem farbigen Wert des Lichtes mußte auch das
Schwarz eine neue Stufung erfahren. AIs ausgebreiteter
Mittelton oder beherrschendes Dunkel bestimmt es
jetzt wesentlich den Bildcharakter mit. In der Kupfer-
stich-Kreuzigung 1508 ist alles Farbe, und der kräftige
vol'le Strich, dcr die Formmodellierung in die Farbfläche
des Schwarz niederdrückt, mutet wie pastose Malerei
al prima an. Aehnlich die Kupferstich-Passion mit dem
Licht im Dunkel (viel farbiges künstliches Licht). Der
Maler Dürer hat diese koloristischen Probleme nie
geahnt.
Unter dem Streben nach einer farbig dekorativen
Bildbällung, welche im Kupferstich den Stichel und seine
Linienführung durch den Pinsel ersetzt zu liaben schien,
könnte man nun für den Holzschnitt etwas erwarten, das
dem Flächenschnitt unserer Tage nahe steht. In der
Tat wendet sich das Interesse mehr den gebundenen
Flächen und Abstufungen des Schwarz zu, als denen
des Cichts und Iäßt die Formlinie fallen. In dem Jahr
1511, dem reichsten seiner Produktion, steht der Holz-
schnitt zugleich in einer Krise. Mit einer Einstellung
auf die Kontrastwirkung, wie sie der Kupferstich zu die-
ser Zeit anstrebte, wäre das Licht aus den engen
Schattenlagen herausgedrängt worden, und die
Sehattenpartien, da ohne die nuancenreiche Vermittlung
von Licht und Schatten des Kupferstichs, mit fälschen
Silhouettenwerten belastet worden. Der Holzschnitt
rettet sicli durch die rhythmische Kraft seiner Flächen-
dekoration. Ein ausgebreiteter Mittelton übernimmt die
Bindung. In diesem tritt das Licht in die wohl abgestuf-
ten Intervälle der Linien ein. Es entsteht unter einelP
ganzen System von Richtungen, der Lagen und ihrer
Zwischenräume eine Farbigkeit, deren Durchsichtigkeit
der Transparenz der Aquarellmälerei nahe zu stehen
scheint, wie die des helldunkelhaften Kupferstichs der
Oelmalerei. In der Dreifaltigkeit 1511 ist die Linie des
Mitteltones reiner Lichtwert und hat ihre höchste graphi-
sche Vergeistigung erfahren. Das Licht selbst geht fast
nur an den Rändern der Form entlang, wie einst in der
Apokalypse die schwarze Linie, und der eigentliche
Schatten hat sich in schmale Spalten zurückgezogen.
Zugleich hatte die Linie im Feinschnitt eine Elastizität
erreicht, die ihr ihre immanenten Kräfte wicder neu zu
Bewußtsein brachte, die sie in der Zeit des Marien-
lebens aufgegeben hatte. Als reine, geschönte Linie
läßt sie von der Erzählung ab und geht zur Arabeske
über. Wären die Randzeichnungen zum Gebetbuch
Kaiser Maximilians geschnitten worden, hätte sie ihren
letzten Trumpf ausgespielt.
Mit der Höhe des Holzschnitts von 1511 korrespon-
diert die des Kupferstichs von 1514. Die Abwege in die
Techniken der Kältnadel und der Aetzung würde man
eher im engeren Anschluß an die Kreuzigung von 1508
und die Kupferstichpassion 1512 vermuten als im Jahre
1515. Das malerische Bild sollte äl prima im ersten
Anhieb erreicht werden. Sicher ist, daß das pastose
Helldunkel nach 1512 aufgegeben wird und einer
atmosphärischen Durchlichtung Platz macht, die leeres
Weiß ohne Wolken in lichtdurchströmten Himmel um-
wertet, in dem es in die Schattenlagen der Gegenstände
seine Reflexe sendet und die plastische Form in den
Lichtraum einstellt. (Tanzende Bauern 1514.) Zugleich
aber zieht sich der Stiche'l von der getuscliten Fläche
des Pinsels zurück. Er dringt wicder wie einst am An-
fang auf die malerischen Wunder ein, die das Licht auf
der Stofflichkeit der Oberflächen hervorzaubert. Bei
der Madonna an der Mauer geht der Weg vorbei zur
Melancholie und endet im Gehäus des Hieronymus, in
welchem Dürer die Summe seiner graphischen Phanta-
sie zieht, der spätere Jahre nichts mehr wesentliches
hinzuzufügen vermochten.
Dürer
Der heilige Antonius
Kupferstich, B. 58
Dürer-Katalog
der Amsler-Drucke
Amsler & Ruthardt
Berlin
335
Oberflächen dient, sondern der ganzen Bildhaltung, die
auch hier, wie in der Apokalypse, dem dekorativen
Flächenwerten untersteht, die der kürzeren Skala des
Schwarz entspringt. Fehlt der Kupferstich, fehlt er im
ehrgeizigen Willen nach Vo'llkommenheit, fehlt der FIolz-
schnitt, so tut er es aus mißartetem Instinkt.
Nach der zweiten italienischen Reise kann von einer
Wechselwirkung der beiden graphischen Techniken
nicht mehr gesprochen werden. Mit der Einstellung auf
einen Gesamtton in der Haltung des Ganzen fühlten sich
die beiden Techniken der neuen Bildidee verpflichtet.
Vom neutralen Weiß zum Licht und nun zur Farbe geht
der Weg, den die graphische Phantasie Dürers
genommen hat. Gleichsam wie aus einer Untermalung
treten Weiß und Schwarz hervor. Die Pinselzeichnun-
gen auf grundiertem Papier während und nach der
venezianischen Reise (Studien zum Helleraltar) bereiten
den Stil vor und geben Proben für die Wirkung. Man
könnte von einer gewissen Clairobscur-Wirkung in den
Schwarz-weiß-Blättern dieser Jahre (bis 1512) sprechen.
Mit dem farbigen Wert des Lichtes mußte auch das
Schwarz eine neue Stufung erfahren. AIs ausgebreiteter
Mittelton oder beherrschendes Dunkel bestimmt es
jetzt wesentlich den Bildcharakter mit. In der Kupfer-
stich-Kreuzigung 1508 ist alles Farbe, und der kräftige
vol'le Strich, dcr die Formmodellierung in die Farbfläche
des Schwarz niederdrückt, mutet wie pastose Malerei
al prima an. Aehnlich die Kupferstich-Passion mit dem
Licht im Dunkel (viel farbiges künstliches Licht). Der
Maler Dürer hat diese koloristischen Probleme nie
geahnt.
Unter dem Streben nach einer farbig dekorativen
Bildbällung, welche im Kupferstich den Stichel und seine
Linienführung durch den Pinsel ersetzt zu liaben schien,
könnte man nun für den Holzschnitt etwas erwarten, das
dem Flächenschnitt unserer Tage nahe steht. In der
Tat wendet sich das Interesse mehr den gebundenen
Flächen und Abstufungen des Schwarz zu, als denen
des Cichts und Iäßt die Formlinie fallen. In dem Jahr
1511, dem reichsten seiner Produktion, steht der Holz-
schnitt zugleich in einer Krise. Mit einer Einstellung
auf die Kontrastwirkung, wie sie der Kupferstich zu die-
ser Zeit anstrebte, wäre das Licht aus den engen
Schattenlagen herausgedrängt worden, und die
Sehattenpartien, da ohne die nuancenreiche Vermittlung
von Licht und Schatten des Kupferstichs, mit fälschen
Silhouettenwerten belastet worden. Der Holzschnitt
rettet sicli durch die rhythmische Kraft seiner Flächen-
dekoration. Ein ausgebreiteter Mittelton übernimmt die
Bindung. In diesem tritt das Licht in die wohl abgestuf-
ten Intervälle der Linien ein. Es entsteht unter einelP
ganzen System von Richtungen, der Lagen und ihrer
Zwischenräume eine Farbigkeit, deren Durchsichtigkeit
der Transparenz der Aquarellmälerei nahe zu stehen
scheint, wie die des helldunkelhaften Kupferstichs der
Oelmalerei. In der Dreifaltigkeit 1511 ist die Linie des
Mitteltones reiner Lichtwert und hat ihre höchste graphi-
sche Vergeistigung erfahren. Das Licht selbst geht fast
nur an den Rändern der Form entlang, wie einst in der
Apokalypse die schwarze Linie, und der eigentliche
Schatten hat sich in schmale Spalten zurückgezogen.
Zugleich hatte die Linie im Feinschnitt eine Elastizität
erreicht, die ihr ihre immanenten Kräfte wicder neu zu
Bewußtsein brachte, die sie in der Zeit des Marien-
lebens aufgegeben hatte. Als reine, geschönte Linie
läßt sie von der Erzählung ab und geht zur Arabeske
über. Wären die Randzeichnungen zum Gebetbuch
Kaiser Maximilians geschnitten worden, hätte sie ihren
letzten Trumpf ausgespielt.
Mit der Höhe des Holzschnitts von 1511 korrespon-
diert die des Kupferstichs von 1514. Die Abwege in die
Techniken der Kältnadel und der Aetzung würde man
eher im engeren Anschluß an die Kreuzigung von 1508
und die Kupferstichpassion 1512 vermuten als im Jahre
1515. Das malerische Bild sollte äl prima im ersten
Anhieb erreicht werden. Sicher ist, daß das pastose
Helldunkel nach 1512 aufgegeben wird und einer
atmosphärischen Durchlichtung Platz macht, die leeres
Weiß ohne Wolken in lichtdurchströmten Himmel um-
wertet, in dem es in die Schattenlagen der Gegenstände
seine Reflexe sendet und die plastische Form in den
Lichtraum einstellt. (Tanzende Bauern 1514.) Zugleich
aber zieht sich der Stiche'l von der getuscliten Fläche
des Pinsels zurück. Er dringt wicder wie einst am An-
fang auf die malerischen Wunder ein, die das Licht auf
der Stofflichkeit der Oberflächen hervorzaubert. Bei
der Madonna an der Mauer geht der Weg vorbei zur
Melancholie und endet im Gehäus des Hieronymus, in
welchem Dürer die Summe seiner graphischen Phanta-
sie zieht, der spätere Jahre nichts mehr wesentliches
hinzuzufügen vermochten.
Dürer
Der heilige Antonius
Kupferstich, B. 58
Dürer-Katalog
der Amsler-Drucke
Amsler & Ruthardt
Berlin
335