Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen
— 9./10.1927/28
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https://doi.org/10.11588/diglit.26239#0343
DOI issue:
1./2. Aprilheft
DOI article:Meder, Joseph: Albrecht Dürer als Zeichner
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oon
lofepb Mcdev s LÜien
\\/ir können heute nicht mehr sagen, was in Dürer Mannigfaltigkeit, in welclicr die äußere Welt mit dcn
stärker und lebendiger drängte, die Leiden- abstrahierten Gesichten durcheinander wogt. I)as
scliaft zur Forschung und die heiße Sehnsucht nach luteresse für alles und jedes wollte kein Ende fitiden
Wissen oder der stete künstlerische Ehrgciz, Werke und betätigte sich selbst bei Zeitknappheüt mit ganzer
geistiger Potenz zu schaffen, so vollendet als möglich Hingabe, so daß sich in ihm ein unermeßlicher Formen-
zu gestalten und dem deutschen Vaterlande zu hinter- reichtum ansammelte.
lassen. Er haßte das, was man damals eine „Bauern- Die Natur wird ihm zu einem Hciligtum, dem er mit
Selbstbildnis Dürers von 1493 Rückseite des Selbstbildnisses
Lubomirski-Museum Lemberg Vergl.: Friedrich Winkler, „Der Kunstwanderer“, Mai 1927
tafel“ nannte. In dem Zwiespalt dieser beiden Richtun-
gen mühte er sich sein Leben lang, so daß bald die eine,
bald die andere zum Durchbruch kam.
Jedem neuen Unternehmen ging ein weitgehendes
Studium der Natur voraus und immer durch das ver-
mittelnde Organ der Zeichnung. Der Begriff Natur
erschien ihm als das unbegrenzte Reich dcr Fülle und
Schönheit. Aber so oft er dem Neuen, Nieer'lebten be-
gegnete, tat er dies nicht innerlich mit sich ab, sondern
rechtfertigte sein Erschauen auf dem Papier mit Feder,
Stift und Aquarellpinsel. Scine Skizzenbuchreste aus
den verschiedensten Zeiten überraschen uns durch die
Ergebenheit und Andacht naht. Seine frühen Blätter
mit Tier- und Pflanzenstudien in der Albertina, von
deneri er kaum almte, daß sie einst als vielbescliriebene
und besprochene und immer wieder reproduzierte
Prunkstücke seinen Namen in die weitesten Kreise
tragen würden, sie verkünden den leidenschaftlichen
Eifer, in die Geheimnisse der Natur auf neuen Wegen
einzudringen. Daß er cin friscbes Gartenrasenstück
mit blühendem LÖwenzahn mit der Erde und aus der
Erde reißt, vor sich auf den Tiscli setzt, damit das
Ganze, immer neu befeuchtet, einer längeren
Inanspruchnahme dienen könne, daß er sich dann in
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oon
lofepb Mcdev s LÜien
\\/ir können heute nicht mehr sagen, was in Dürer Mannigfaltigkeit, in welclicr die äußere Welt mit dcn
stärker und lebendiger drängte, die Leiden- abstrahierten Gesichten durcheinander wogt. I)as
scliaft zur Forschung und die heiße Sehnsucht nach luteresse für alles und jedes wollte kein Ende fitiden
Wissen oder der stete künstlerische Ehrgciz, Werke und betätigte sich selbst bei Zeitknappheüt mit ganzer
geistiger Potenz zu schaffen, so vollendet als möglich Hingabe, so daß sich in ihm ein unermeßlicher Formen-
zu gestalten und dem deutschen Vaterlande zu hinter- reichtum ansammelte.
lassen. Er haßte das, was man damals eine „Bauern- Die Natur wird ihm zu einem Hciligtum, dem er mit
Selbstbildnis Dürers von 1493 Rückseite des Selbstbildnisses
Lubomirski-Museum Lemberg Vergl.: Friedrich Winkler, „Der Kunstwanderer“, Mai 1927
tafel“ nannte. In dem Zwiespalt dieser beiden Richtun-
gen mühte er sich sein Leben lang, so daß bald die eine,
bald die andere zum Durchbruch kam.
Jedem neuen Unternehmen ging ein weitgehendes
Studium der Natur voraus und immer durch das ver-
mittelnde Organ der Zeichnung. Der Begriff Natur
erschien ihm als das unbegrenzte Reich dcr Fülle und
Schönheit. Aber so oft er dem Neuen, Nieer'lebten be-
gegnete, tat er dies nicht innerlich mit sich ab, sondern
rechtfertigte sein Erschauen auf dem Papier mit Feder,
Stift und Aquarellpinsel. Scine Skizzenbuchreste aus
den verschiedensten Zeiten überraschen uns durch die
Ergebenheit und Andacht naht. Seine frühen Blätter
mit Tier- und Pflanzenstudien in der Albertina, von
deneri er kaum almte, daß sie einst als vielbescliriebene
und besprochene und immer wieder reproduzierte
Prunkstücke seinen Namen in die weitesten Kreise
tragen würden, sie verkünden den leidenschaftlichen
Eifer, in die Geheimnisse der Natur auf neuen Wegen
einzudringen. Daß er cin friscbes Gartenrasenstück
mit blühendem LÖwenzahn mit der Erde und aus der
Erde reißt, vor sich auf den Tiscli setzt, damit das
Ganze, immer neu befeuchtet, einer längeren
Inanspruchnahme dienen könne, daß er sich dann in
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