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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 9./​10.1927/​28

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1./2. Juliheft
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Zülch, Walther Karl: Ausgrabung gothischer Plastik in Frankfurt a. M.
DOI Artikel:
Struck, Hermann: Die Sammlung Adolph Lewisohn in New York
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https://doi.org/10.11588/diglit.26239#0500

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Christi. Ist dem so, dann hätten wir auch eine Datie-
rung für den Altar Christi. Denn es fanden sich zwei in
Ton mod'ellierte Wappen der Familien Preuß und
Molpetsch, die sich auf das Jahr 1427/28 bestimmen
la'ssen. Die Preusse und Molpetsch haben ider Kirche
1427 und 1454 große Stiftungen gemaclit. Aufgestellt
kann der Heiliig-Grabaltar aber frühestens 1434, in wel-
chem Jahre der hohe Chor vollendet war, an den die
Kapelle angebaut ist. Eine um 1800 von dem Frankfurter
Maler Morgenstern angefertigte Zeichnung und eine
Radierung zeigen den Grabaltar noch unverletzt. Die
Zuschüttung wegen Mainüberflutungen hatte etwa um
1870 (!) stattgefunden. Damals entfernte man die vier
Klagefiguren (die drei Marien und Jo'hannes), deren
PHatz auf der Steinplatte noch sichtbar ist, und die zwei
Engel, die von links und rechts postiert waren. Gleich-
zeitig zerstörte man den Altaraufbau. All das ist ver-
ioren. Erhalten sind nur zwei W ä c h t e r des Grabes
(Abb. 3), die bei einer früheren Auffüllung 'im Boden
verschwunden waren. Köstlich ist die kontrastierende
Typisierung dieser beiden Figuren, ein böser ohren-
spitzender Nachtwächter und cin adeliger Schläfer.
Christus im Grabe ist mit peinlicher Symmetrie aus-

geführt, selbst die Falten des Lendentuches sind analog
geordnet. Der Kopf zwischen den gedrehten Säulen
dieser Königslocken unter der ausgeglichenen Dornen-
krone ist von symbolhafter Hoheit; dabei ist der mit
leicht angezogenen Beinen hingestreckte fleischige und
muskulöse Leib vom Eindruck des Todes weit entfernt,
man erwartet, daß diese mächtige Brust zu atmen be-
ginnt. Unsere Abbildung zeigt noch die Spuren der Be-
malung, aucii die gemalten Pupillen zwischen den halb-
geöffneten Lidern. Dieser Christus steht dem Meister
des Marienaltares im Dom (1434), der auch der Meister
des Bartholomäus am Dom (1438) ist, sehr nahe.

Die Kapelle hieß nach dem heiligen Grab oder der
Beweinung Christi St. Salvatorskapelle. In dieser
Salvatorskapellc wurde 1472 ein Oelberg errichtet. Den
Christus und zwei Jünger dieses Oelbergs fand man
völlig zertrümmert im Schutt. Um so größer war die
Freude, die hier abgebildete (Abb. 4) traumhaft schöne
Figur zu finden, die im leuchtenden Rot ihres Apostel-
gewandes emporstieg. Hier hat ein großer Meister das
,,Schlafen in Traurigkeit“ des Bibelwortes zu einer
Schöpfung höchsten Ranges gestaltet.

Dte Sammtung Adotpb Letütfobn tn ^ew Yot?k

oon

Hccmann Stüuck

Der Berliner Maler und Graphiker Hermann Struck,
der seit Jahren in Haifa in Palästina lebt, hat sioh einige
Monate in New York aufgehalten, wo er mit großem
Erfolg seine jüngsten Arbeiten ausstellte. Der „Kunst-
wanderer“ wandte sich an Struck mit der Bitte, über
seine New Yorker Eindrücke zu schreiben.

Die Redaktion.

l-<ast alles in Ncw York ist „gorgeous“ — fabelliaft!
1 Am fabelhaftesten aber erscheint mir die Architek-
tur der hohen Häuser. Vor dem Kriege starrte man
mcistens zu Nachahmungen europäischer Bauwerke
empor; so wählte man für eine Eisenbahnstation die
Erscheinungsform eines Griechischen J'empelis, fiir einc
Lebcnsversicherungsgesellschaft den Venezianischen
Campanile. In der Zwischenzeit aber hat man den eige-
nen, für dieses Land typischen skyscraper-Stil gefun-
den. Man baut nicht mehr Kathedralen, wie da's
55stöckiige Woolworthbuilding, sondern man entwickelt
die Form nur aus den Forderungen des Bodens, der
Zweckmäßigkeit und der gigantischcn Proportionen.
Auf diese Weise entstanden in verschiedenen Gegenden
der Stadt Wolkenkratzer von eigenartiger, mitunter
überwältigend schöner Vollendung. Zu den schönsten
gehört das große Telcphon-bui'lding unten am Hafen, da’s
in der überraschenden Silhouette dominiert, die den zu
Schiff Ankommenden begriißt. Der erste Eindruck die-
ser ungewohnten und machtvollen Linien, die eiine ganz
neue architektonische Melodie künden, muß jeden

fühlenden Menschen erschüttern, so wie etwa der erste
Anblick der Pyramiden. Der furchtbare und gewaltige
konzentrierte Rhythmus dieser größten Weltstadt offen-
bart sich sofort und unvermittelt dem Auge des Nahen-
den, Ist dieser Mensch nun zufällig ein Künstier, so
gerät er bei dem Wunsche, den erschauten Eindruck
wiederzuge'ben, in arge Schwulitäten. Er muß darauf
verzichten, die von unendlichen Gliederungen durch-
schlungene Erscheinung naturalistisch nachzubilden und
rcttet sich auis dem Dilemma durch einen Sprung ins Un-
wirklicbe. Meist wirken diese gewaltigen Komplexe
riesiger Bauwerke phantastisch, schwebend im Sonnen-
dunst und märchenhaft wie das Bild einer fremdartigen
Stadt. Und auf diese Weise wird man dann mitunter
mit der reizvollen und schw'ierigen Aufgabe fertig.

Aus der Füllie des Fabelhaften, das sich hier bietet,
sei nun das herausgegriffen, was den Leser dieser Zeit-
schrift besonders interessieren dtirfte: Das s>ind die rei-
chen Kunstsammlungen, die im Häusermeer New Yorks
sich finden.

Zum überwiegenden Teile sind e>s Kollektionen alter
Kunst, in den letzten Jahrzehnten aber sind auch eine
Anzahl sehr beachtenswerter Sammlungen der Werke
neuerer Meister entstanden, aus denen ich eine heraus-
greife, die fast ausschließlich der französischen Kunst
des 19. und 20. Jahrhunderts gewidmet ist: Die Kunst-
sammlung, die Adölph Lewisohn in seinem schönen,
palastartiigen Hause in der Fifth Avenue beherbergt.

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