Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen
— 9./10.1927/28
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https://doi.org/10.11588/diglit.26239#0516
DOI issue:
1./2. Juliheft
DOI article:Steinbrucker, Charlotte: Französische Zeichnungen im Besitz der Stadt Schöneberg
DOI article:Landau, Dora: Palma Vecchio: Zu seinem 400. todestag am 30. Juli
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hat einen koketten Ausdruck, und auch die zitternden
Gräser und Kräuter der Umgebung sind der vcrwirren-
den Atmosphäre von Sinnenlust angepaßt. Die Natür-
Abb. 3. Francois Boucher (1703—70), Liebesszene. Bes.: Boucher
Weiße und schwarze Kreide auf Tonpapier
lichkeit, die sich auf diesern Blatt ausprägt, vermißt man
oft auf Zeichnungen aus der späteren Lebenszeit des
Künstlers, da dieser sich im Alter nicht mehr des
Modelles zu bedienen, sondern früher studierte Körper-
formen wiederzubringen pflegte.
Mehr wahrheitsgetreu als kokett wirken die von
El'isabeth Vigee-Lebrun gemalten Porträts. Gleichsatn
durch die Vorsehung dazu bestimmt, Bildnismalerin der
Königin Marie-Antoinette und der großen Welt am Ende
des 18. Jahrhunderfs, an deren Veranstaltungen sie seit
ihrem 15. Jahr regen Anteil nahm, zu werden, malte sie
gegen 660 Porträts. Selbst eine Frau von Schönheit
und Anmut, verstand sie es, ihre Modelle geschickt zu
kleiden, ihnen eine selbstgefällige Haltung zu geben und
ihre Haare malerisch zu orden. Von ihrem Lehrer
Greuze übernahm sie die leichten, schillernden Seiden-
stoffe, den verschwommenen Blick, die Gesichtsfarbe,
die Sorgfalt in der Haarbehandlung, die Anmut der For-
men und alle jene sinnreichen Einzeiheiten, welche zu-
sammen einen Eindruck erwecken, den wir als schön
bezeichnen. In der Straffheit der Linienführung und der
Einfachheit der Gewandung bemerken wir den Einfluß
der Antike. Die abgcbildete Zeichnung (Abb. 4) zeigt
viele typischen Kennzeichen ihrer Kunst. Der Körper
ist zur Seite gewandt, der Kopf im Dreiviertelproffl, das
Haar über der Stirn durch ein Band zusammengehalten
Abb. 4. Elisabeth Vig6e-Lebrun (1755—1842), Dame
Weiße und schwarze Kreide auf Tonpapier
und auf dem Rücken frel herabfallend, die erhobenen
Arme sind bis zum Ellbogen nackt, die enge Taille wird
von einer Schärpe nach englischer Art gegürtet, und in
dem etwas oberflächlichen Gesicht findet sich der Aus-
druck schmachtender Sentimentalität.
Palma Oeccbto.
Hu fetnem ^OO. Todestag am 30. lult
Don Dota fandau
Wenige Monate nach Dürers Tod starb in Venedig Palma
Vecchio, mit seinem bürgerlichen Namen Giacomo Nigretti, im Alter
von 48 Jahren. War er auch nicht ein Großer, dessen Schwäche
in seiner Stellung zwischen Giorgione und Tizian doppelt fühibar
wird, so leuichtet doch aus seinen Bildern etwas von dem sinnlich-
farbigen Zauber Venedigs und seiner Frauen des frühen Cinquecento.
Aus Serinalta bei Bergamo gebiirtig, kam er jung nach
Venedig, arbeitete neben Giorgione und Tizian bei Giovanni Bellini
und war 1510 nachweisbar selbst Besitzer einer Werkstätte. 1513
trat er, schon unter dem Namen Jacomo Palma („vecchio“ zum
Unterschied von e-inem Neffen) in die Scuola di San Marco, die
Malerzunft Venedigs, ein. Daß er von den Zeitgenossen geschätzt
wurde, beweist der Wohlstand, den er sich ermalte und die vielen
Bilder der vornehmen Venezianerinnen, deren Modemaler er war.
490
Gräser und Kräuter der Umgebung sind der vcrwirren-
den Atmosphäre von Sinnenlust angepaßt. Die Natür-
Abb. 3. Francois Boucher (1703—70), Liebesszene. Bes.: Boucher
Weiße und schwarze Kreide auf Tonpapier
lichkeit, die sich auf diesern Blatt ausprägt, vermißt man
oft auf Zeichnungen aus der späteren Lebenszeit des
Künstlers, da dieser sich im Alter nicht mehr des
Modelles zu bedienen, sondern früher studierte Körper-
formen wiederzubringen pflegte.
Mehr wahrheitsgetreu als kokett wirken die von
El'isabeth Vigee-Lebrun gemalten Porträts. Gleichsatn
durch die Vorsehung dazu bestimmt, Bildnismalerin der
Königin Marie-Antoinette und der großen Welt am Ende
des 18. Jahrhunderfs, an deren Veranstaltungen sie seit
ihrem 15. Jahr regen Anteil nahm, zu werden, malte sie
gegen 660 Porträts. Selbst eine Frau von Schönheit
und Anmut, verstand sie es, ihre Modelle geschickt zu
kleiden, ihnen eine selbstgefällige Haltung zu geben und
ihre Haare malerisch zu orden. Von ihrem Lehrer
Greuze übernahm sie die leichten, schillernden Seiden-
stoffe, den verschwommenen Blick, die Gesichtsfarbe,
die Sorgfalt in der Haarbehandlung, die Anmut der For-
men und alle jene sinnreichen Einzeiheiten, welche zu-
sammen einen Eindruck erwecken, den wir als schön
bezeichnen. In der Straffheit der Linienführung und der
Einfachheit der Gewandung bemerken wir den Einfluß
der Antike. Die abgcbildete Zeichnung (Abb. 4) zeigt
viele typischen Kennzeichen ihrer Kunst. Der Körper
ist zur Seite gewandt, der Kopf im Dreiviertelproffl, das
Haar über der Stirn durch ein Band zusammengehalten
Abb. 4. Elisabeth Vig6e-Lebrun (1755—1842), Dame
Weiße und schwarze Kreide auf Tonpapier
und auf dem Rücken frel herabfallend, die erhobenen
Arme sind bis zum Ellbogen nackt, die enge Taille wird
von einer Schärpe nach englischer Art gegürtet, und in
dem etwas oberflächlichen Gesicht findet sich der Aus-
druck schmachtender Sentimentalität.
Palma Oeccbto.
Hu fetnem ^OO. Todestag am 30. lult
Don Dota fandau
Wenige Monate nach Dürers Tod starb in Venedig Palma
Vecchio, mit seinem bürgerlichen Namen Giacomo Nigretti, im Alter
von 48 Jahren. War er auch nicht ein Großer, dessen Schwäche
in seiner Stellung zwischen Giorgione und Tizian doppelt fühibar
wird, so leuichtet doch aus seinen Bildern etwas von dem sinnlich-
farbigen Zauber Venedigs und seiner Frauen des frühen Cinquecento.
Aus Serinalta bei Bergamo gebiirtig, kam er jung nach
Venedig, arbeitete neben Giorgione und Tizian bei Giovanni Bellini
und war 1510 nachweisbar selbst Besitzer einer Werkstätte. 1513
trat er, schon unter dem Namen Jacomo Palma („vecchio“ zum
Unterschied von e-inem Neffen) in die Scuola di San Marco, die
Malerzunft Venedigs, ein. Daß er von den Zeitgenossen geschätzt
wurde, beweist der Wohlstand, den er sich ermalte und die vielen
Bilder der vornehmen Venezianerinnen, deren Modemaler er war.
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