Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 9./​10.1927/​28

DOI issue:
1./2. Novemberheft
DOI article:
Schmitz, Hermann: Vermeyen als Urheber der Vertumnus und Pomonafolge: zu den Forschungen von Marthe Crick Kuntziger
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.26239#0107

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
üet?meyen als Uübebet? det? Det?tumnus und Pomonafolge

Hu dcn porßbungcn oon jvtartbc Crick Kun^Btgct?

oou

Jiei?mann Scbmtt^

In dcr langen Reihe glänzender Schöpfungen der
BriisselerBildwirkerei der Epoche KarlsV. nimmt die
Folge der Geschichte des Vertumnus und der Pomona
eirie ganz hervorragende Stellung ein. Dieses bedeut-
same Zeugnis der Brüsse'.er Bildteppichkunst der Hoch-
i'enaissance hat nicht nur auf gelegentlichen Ausstel-
lungen durch die Poesie und Schönheit der Darstellung
das Entziicken der breitesten Kreise des kunstfreund-
lichen Publikums hervorgerufen, sondern hat auch wie
Wenige andere Denkmäler dieser Gruppe der Brüsseler
Wandteppiche die Forschung lebhaft beschäftigt. Die
Folge begegnet in vollständigen Exemplaren von höch-
ster Qualität der Ausführung in den beiden Hauptsamm-
lungen fläinischer Bildteppiche der Renaissance: im
Besitz der Spanischen Krone in Madrid und in der vor-
malig kaiseriichen Gobelinsammlung in Wien; mit der
letzteren ist sie anläßlich der Wiener Ausstellung aus-
führlich veröffentlicht und besprochen worden von
Ludwig von Baldass in dem Werke „Die Wiener Gobe-
linsammlung“, Wien 1920. Die aufs reiciiste mit Metall-
fäden durchwirkten Exemplare in Madrid und Wien sind
um 1545 in Brüssel für Karl V. und sein Haus entstan-
den. Eine einzelne Darstellung aus einer wenige Jahre
späteren Ausführung mit einer Borte von Grotesken,
Seegöttern und Fruchtbündeln ist vor kurzem von dem
Hause Max Heilbronner in Berlin erworben worden.
(Abbildung.)

Vergeblich hat sich die Forschung immer von
Neuem bemüht, den Urheber der Entwürfe und Kartons
dieser Darstellungen festzustellen, die in so hinreißen-
der dichterischer Form die Liebesgeschichte des Ernte-
gottes Vertumnus und der Baumnymphe Pomona nach
Ovids Metarnorphosen schildern. Lange Zeit als
Schöpfungen von italienischen Meistern der Hoch-
renaissance in der Richtung des Bronzino, dann als
solclie von französischen Künstlern aus der Nachfolge
des Primaticcio angesprochen, sind sie doch schließlicli
nacli allgemeiner Uebereinkunft als die Erzeugnisse
eines niederländischen, eines Brüsseler, unter italieni-
scher Einwirkung stehenden Kartoniers angesehen
worden. Unter diescr Bezeichnung finden sie sicli in
der letzten, dritten Aut’lage des von dem Kunst-
gewerbe-Museum herausgegebenen Handbuches „Bild-
teppiche, Geschichte der Gobelinwirkerei“ einge-
ordnet. In dem von dem Verfasser in Gemcin-
schaft mit Edmund Wilhelm Braun veröffent-
lichten Tafelband „Die Gobelins des Wiener kaiser-
lichen Hofes“, Wien 1922 ist die Hoffnung ausge-
sprochen worden: „Gewiß wird der Forschung einmal
die Feststellung des hervorragenden Entwcrfers dieser
Szenen gelingen, der auch als Ornamentiker unter den

besten italienischen und niederländischen Zeichnern der
Hochrenaissance obenan steht.“

Schneller als erwartet werden konnte, und mit
größerer Bestimmtheit als vorauszusehen, ist diese Hoff-
nung in Erfüllung gegangen, indem jetzt Frau Marthe
Crick-Kuntziger vom Brüsseler Cinquantenaire-
Museum die Feststellung des Urhebers der Kartons ge-
lungen ist. ln einer ausführlichen Untersuchung in der
Zeitschrift ,,Oud Holland“ liat die verdiente Forscherin
auf dem Gebiete der Gobelinkunst nachgewiesen, daß
kein anderer als J a n C o r n e 1 i ß Vermeyen,
der Urheber der berühmten Folge der Eroberung von
Tunis durch Karl V., auch der Schöpfer der Entwürfe
und Kartons zur Vertumnus- und Pomona-Folge ist.
Das ergibt sich unwiderleglich aus dem Stilvergleich
der Vertumnus- und Pomona-Folge mit Einzelheiten der
im Wiener Kunsthistorischen Museum verwahrten
Originalkartons des Vermeyen zur Tunisfolge. Daß
bisher niemand auf diesen Gedanken gekommen ist,
liegt teilweise wohl darin begründet, daß diese Kartons
in dem Depot des Wiener Museums immer nur flüchtig
zu besichtigen waren, teilweise aber auch in dem Um-
stande, daß die Tunisfolge unmittelbar aus dem zeit-
genössischen Leben gegriffene Gegenstände, eben die
Fahrten und Kämpfe Karls V. auf der Expedition nach
Tunis schildert, während die Vertumnus- und Pomona-
Folge, als dem antiken Sagenkreise angehörig, stärker
im Banne der idealen Formen des zeitgenössischen
Italianismus steht.

Durcli die Bestimmung der Vertumnus- und
Pomona-Folge auf den Kartonzeichner Jan Corneliß
Vermeyen hat Frau Marthe Crick-Kuntziger der Erfor-
schung der an ungelösten Problemen immer noch
reichen Geschichte der BrüsselerBildteppichkunst einen
dankenswerten Dienst erwiesen. Damit ist wiederum
eine der in jeder Beziehung bedeutsamsten Schöpfungen
dieser Gattung als Werk einer fest umrissenen Brüsse-
ler Künstlerpersönlichkeit festgelegt und ein neuer
Auhaltspuukt für weitere Stilbestimmungen und
Gruppierungen innerhalb dieses weiten Gebietes der
Geschichte der Gobelinwirkerei gewonnen. Jan Corne-
liß Vermeyen, Maler, Kupferstecher und Kartonzeich-
ner, in Brüssel um 1530 bis zu seinem Tod 1559 tätig,
rückt durch die überzeugende Feststellung von Frau
Crick-Kuntziger unter die bedeutendsten Persönlichkei-
ten der Brüsseler Meister des 16. Jahrhunderts auf dem
Felde der Teppichkartous. Vermeyen, der 1529
Margarethe von Oesterreich nach Cambrai und 1530
Karl V. nach Augsburg, im Jahre 1535 aber den Kaiser
auf der Expedition nach Tunis begleitete, steht jetzt als
Kartonzeichner neben Barend van Orley und Peter

97
 
Annotationen