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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 9./​10.1927/​28

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1./2. Augustheft
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Pazaurek, Gustav Edmund: Wiener Kameenschätze
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Dresdner, Albert: Um Gainsborough: zur Ausstellung bei Thos. Agnew & Sons in London
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https://doi.org/10.11588/diglit.26239#0563

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gelassen und die überwältigende Teilnahme deutscher
Kunsthandwerker im rudolphinischen Prag ist ihm auch
n-icht sympathisch, so daß ein objektives Bild von
solchen Seiten nicht erwartet werden kann. Und trotz-
dem muß die Kunstgeschichte, womöglich von deutscher
Seite in Prag diese Vorfragen erst gelöst haben; dann
wird man erst die breite Grundlage auch für das ganze
17. und 18. Jahrhundert gewonnen haben, die manches
neu beleuchten wird. Hoffentlich werden sich dann
auch mehr gesicherte Zuschreibungen guter Arbeiten an
einzelne Künstler vornehmen lassen, als dies derzeit
noch möglich ist. Eine Trennung der Edelstein- und
Halbedelstein-Kameen von Glas, Muschel, Perlmutter,
Koralle oder Elfenbein war trotz verschiedenartiger Be-
handlung des weicheren Materials und trotz der zum
Teile anderen Technik nicht gut durchführbar, weil ja
uicht wenige Künstler alle diese Arbeiten ncbeneinan-
der betrieben. Aber es wäre die Frage aufzuwerfen, ob
man nicht auch die Tiefschnitte (Intaglios), die vielfach
auch aus denselben Werkstätten stammen, hätte mit-
behandeln sollen, desgleichen die auch von den gleichen
Kräften geschnittenen Gefäße aus Bergkrystall oder
Halbedelsteinen aller Art, an denen gerade die ehemals
kaiserlichen Sammlungen Wiens so reich sind. Nun
hoffentlich arbeitet Kris iu dieser angedeuteten Rich-
tung erfolgreich weiter.

Darauf scheint schon seine Vorliebe für die Gold-
schmiedekunst der Renaissance hinzuweisen, die zum
ersten Mal in einem Werke über Gemmen in der gründ-
lichsten, beinahe der Steinschnittarbeit ebenbürtigen
Art behandelt wird. Das Kameenwerk wird dadurch
geradezu zu einem der wichtigsten Werke über vor-
wiegend deutsche Goldschmiedekunst namentlich
Juwelierkunst. Auch hier werden die Brücken zu
großen Goldschmiedestücken, wie zur Krone
Rudolphs II. (1602) oder zum Szepter von Matthias
(1615), mit Hrfolg geschlagen; doch lassen sich noch
weitere Beziehungen zu anerkannten Meistern der
Goldschmiedekunst schaffen. Hoffentlich wird in wei-
teren Publikationen der Wiener kunsthistorischen
Sammlungen der Anteil Frankreichs, Italien-s und
Deutschlands an den daselbst ebenfalls in so reicher
F:ülle vorhandenen Bijoux auch so glücklich heraus-
gearbeitet werden.

Die beigefügten Abbildungen geben nur kleine
Stichproben von dem, was uns das schöne Werk zum
größten Teile zum überhaupt ersten Male vermittelt.
Auch sie mögen dazu beitragen, die Aufmerksamkeit
aller Kunstkreise auf eines der wertvollsten Werke hin-
zulenken, das in den letzten Jahrzehnten in Wien ent-
standen ist.

Um Qainsbocougf)

Hur Ausßcüung bct Tbos. Agrica'» & Sons tn london

uon

Atbcüt Dt’esdnct’

p inen Höhepunkt des Londoner Kunstlebens während
*—4 der diesjährigen „Season“ bildete die Ausstellung
von 26 bisher unbekannten oder wenigstens unzugäng-
lichen Bildern Gainsboroughs in der Galerie von 'Fhos.
Agnew & Sons. Zu dieser Ausstellung, die zum Besten
des „National Art Gollections Fund“ stattfand, hatte der
König aus seinem Privatbesitz fünf Werke hergeliehen,
und so fiei von dem Nimbus, der in England alles König-
liche umgibt, ein Abglanz auch auf diese Veranstaltung,
der genügte, um sie zu einem „social event“ zu machen.
Doch bedurfte sie dieses Nimbusses nicht, denn eine so
ansehnliche Sammlung praktisch unbekannter Arbeiten
von Gainsborough ist eine Gabe, die ihren Wert in sich
trägt: umfaßte sie doch u. a. ein haibes Dutzend sorg-
fältig durchgearbeiteter full length-Biidnisse, das oft ab-
gebildete, aber selten gesehene Gruppenbildnis des Her-
zogpaares Cumberiand mit Lady Eliizabeth Luttrell im
Parke, eine Anzahl Bruststücke, die Skizze zu einer
Komposition „Diana und Aktäon“ und, glleichsam als
Zugabe, eine Gruppe vou Landschaftsgemälden und
-studien, die freilich diese Seite der Kunst Gains-
boroughs nicht in ihrem vollen Glanze spiegelten.

Die Aufnahme der Ausstellung war denn auch bei-
nahe begeistert zu nennen. Freigebig wurde Gains-
borough init dem Ehrentitel „our greatest painter" aus-
gezeichnet — wobei man doch daran denken mußte, daß
die engHische Kunst einen Constable hervorgebracht hat.
Und der Kritiker einer angesehenen Morgenzeitung ver-
stieg sich sogar so weit, das (sicherlich hervorragende)
Biidnis der Lady Sheffield als „the greatest thing evcr
done in English art“ zu feiern. Dergleichen Superlative
sind gefähri'ich.

Kein Zweifel, dieser große Charmeur der englischen
Kunst ü'bte auch in dem Saale bei Agnew seinen vollen
Zauber aus. Ueberall sah man den geborenen Maler,
genoß man die natürliche und überlegene Anmut und
Freiheit seiner Pinselführung und die erlesene Feinheit
seines Geschmackes, der aus angeborenem und unfehl-
barem Instinkte das Empfinden des Rokokos in eine
nationale Tonart umzusetzen und mit einem neuen, zart-
bewegten Leben zu erfüllen verstand. Die Musikalität
der Malerei Gainsboroughs machte sich besonders in der
meisterlich uud oft mit seltener Delikatesse durchgeführ-
ten Harmonisierung der Töne auf das reizvollste füh'l-

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